"Was?! Du kennst das nicht? Sekunde, ich such' dir das mal raus." Und schon öffnet sich die Plattenkiste. Wer kennt diesen Moment nicht? Man redet über Musik und auf einmal fällt ein Name – egal ob von einem Song, einem Künstler oder einem Album – mit dem man nicht so recht etwas anzufangen weiß. Und plötzlich hagelt es Lobpreisungen, Hasstiraden oder Anekdoten. Gerade dann, wenn der Gesprächspartner ins Schwärmen verfällt und offen zeigt, dass ihm das Thema wichtig ist, bittet man nicht allzu selten um eine Kostprobe. Die Musik setzt ein und es beginnt, was der Person so sehr am Herzen zu liegen scheint. In diesem Fall – was uns so sehr am Herzen liegt: Ein Auszug aus der Musik, mit der wir etwas verbinden, die wir feiern, die uns berührt. Ein Griff in unsere Plattenkiste eben.
Um das Jahr 2011 erschien im Umfeld der Künstler, die ich damals vorrangig hörte, ein gewisser Vega, den ich zunehmend spannend fand. Bevor er auf seinem frisch gegründeten Label Freunde von Niemand allerdings eine eigene Platte releaste, präsentierte er das Album "Fighting Society" seines Freundes Bosca, von dem ich bis dato noch nichts gehört hatte. Ich war jedoch neugierig.
Vor Zeiten von Streamingdiensten war es nicht so einfach, in einen unbekannten Langspieler reinzuhören, ohne diesen direkt zu kaufen. Eine Single auf YouTube hat aber gereicht und mich überzeugt, diesen Schritt zu machen. Die Musik von Bosca war genau das, worauf ich in diesem Moment Lust hatte: Zwischen ruhigen Streichern und scheppernden Bangern, die allesamt einen atmosphärischen Streetvibe erzeugen, erzählt der Wiesbadener von Problemen mit dem Staat, Werten wie Loyalität und seinen Erfahrungen im Umfeld von Eintracht Frankfurt. In jeder Zeile ist der unendliche Hunger eines jungen Rappers zu hören, der etliche Geschichten zu erzählen hat, dabei aber in keinem Moment in Lethargie oder Klischees verfällt. Wo andere Interpreten zu der Zeit anfingen, sich in verschiedenen Subgenres auszuprobieren, fand ich es erfrischend, mal wieder ein klassisches Rapalbum und vor allem einen Künstler zu entdecken, den ich vorher nicht auf dem Radar hatte.
Seit 2011 hat sich Bosca textlich und technisch weiterentwickelt, was auf mehreren seiner Alben zu hören ist. Dennoch hat sein Debüt für immer einen wichtigen Platz in meiner Plattenkiste – zum einen, weil es mich extrem positiv überrascht hat und zum anderen, weil es mir die Tür zum Freunde von Niemand-Universum endgültig aufgestoßen hat. Und dort sollte ich künftig noch einige andere Perlen vorfinden.
(Michael Collins)