Wie man Erfolg wahrnimmt, ist vermutlich sehr subjektiv. Manche lieben es, sich im Rampenlicht zu sonnen, andere wiederum können nicht schnell genug vor den Scheinwerfern weglaufen. Dass man auf dem Weg zum Erfolg einige Rückschläge erleidet und falsche Entscheidungen trifft, ist kein unbekanntes Phänomen. Wie auch bei EstA, der auf seinem aktuellen Track "Allein gegen alle Pt.2" die ganze Geschichte rund um den Plattendeal im Jahr 2013 mit Baba Saad aufarbeitet und die Folgen des Signings retrospektiv betrachtet. Trotzdem hat er sich nicht unterkriegen lassen und weiter gerappt, seinen Kopf unablässig oben gehalten und ist weiterhin vehement gegen den Strom geschwommen. Für ihn ist "Allein gegen alle" nicht nur ein Songtitel, sondern auch ein Lebensmotto. Deshalb haben wir mit EstA im Interview über seine persönlichen Gedanken zu Erfolg, die Auswirkungen der Zeit beim VBT auf seine musikalische Karriere und den weiteren Weg nach dem Plattenvertrag mit der Halunkenbande gesprochen. Außerdem ging es um weitere Themen wie Songwriting, seinen Werbetrack für die AOK und den daraus resultierenden TV-Auftritt bei Jan Böhmermann.
MZEE.com: Eine Studie besagt, dass Erfolg zufällig auftritt und nicht vorhersehbar ist – unabhängig davon, wie viel Arbeit man in seine Karriere steckt. Was denkst du darüber?
EstA: Krass. Da wäre das Zitat "Erfolg ist kein Glück" von Kontra K ja weit hergeholt. Ich seh' das aber so wie er, muss ich sagen. Ich merke das auch bei mir. Irgendwann setzt sich eine gewisse Hartnäckigkeit und Beständigkeit immer durch. Ich glaube schon, dass das am Ende dieses positive Ereignis ist, auf das man hingearbeitet hat … Was ist Erfolg? Im Endeffekt geht es darum, sich seine Träume zu erfüllen, Wünsche wahr werden zu lassen und Ziele zu erreichen. Natürlich gehört dieses Quäntchen Glück dazu, aber für mich sind es zu 80 Prozent Hartnäckigkeit, Eifer und Fleiß.
MZEE.com: Blicken wir auf den Anfang deiner musikalischen Biografie. Die meisten kennen dich vermutlich noch aus dem VBT. War die Zeit für dich Fluch oder Segen?
EstA: (lacht) Beides. Es war ein großer Segen, definitiv. Meine "Karriere" wurde mehr oder weniger darauf aufgebaut. Ich bekam ziemlich schnell viele Klicks und wurde "erfolgreich", wenn man das so nennen mag. Aber ich konnte diesen Segen nie wirklich genießen. Ich habe erst später gemerkt, was das für eine geile Zeit war – der splash!-Auftritt, die Interviews, ein Teil dieser Szene zu sein. Ich habe auf dem splash! 2013 mit A$AP Rocky und Action Bronson im Backstage gechillt. Das habe ich überhaupt nicht gerafft. Auf der anderen Seite war es natürlich auch ein Fluch, weil ich jetzt häufig auf das VBT reduziert werde. Es war eine Blase, die irgendwann geplatzt ist. Aber ich glaube, dass ich es nicht missen wollen würde und auf jeden Fall wieder gemacht hätte. Das war der richtige Weg. Ich habe ja auch ein paar Mal teilgenommen und glücklicherweise diese Hoch-Zeit mitgenommen, 2012, 2013, 2014. Ich habe Glück, ein Teil davon gewesen zu sein.
MZEE.com: Du hast nach dem VBT 2013 den Track "Allein gegen alle" veröffentlicht. Wie viel ist Erfolg für dich wert, wenn man alleine damit ist?
EstA: Dieses "Allein gegen alle"-Motto resultierte daraus, dass ich mich der Szene nie wirklich zugehörig gefühlt habe. Ich bin immer ein bisschen mit dem Kopf durch die Wand gegangen. Im VBT habe ich ja schon komplett mein eigenes Ding durchgezogen und mich von allen abgegrenzt. Ich habe auch erst am Ende Features gemacht und war immer der Gegenpart zu den ganzen Camps. Ich glaube, Erfolg macht dann erst wirklich Spaß, wenn man ihn mit seinen Freunden und seiner Familie teilen kann. Mir ist es viel mehr wert, meinen Jungs mal einen ausgeben zu können, wenn Geld reingekommen ist. Das ist im Endeffekt das, worauf es ankommt – dass du diese Freude und den Spaß am Leben mit anderen teilen kannst.
MZEE.com: Kannst du dir erklären, worin deine "Allein gegen alle"-Haltung begründet war?
EstA: Das hatte sicherlich auch viel mit Saad zu tun. Aber es ging ja schon vorher los, dass ich ein bisschen auf alles geschissen habe, auf gut Deutsch gesagt. Ich habe das alles nicht so ernst genommen, muss ich sagen. Zu meiner Hoch-Zeit hätte ich einfach nur "Hallo" posten können und innerhalb von fünf Minuten 2 000 Likes darauf gehabt, das war komplett geisteskrank. Und das als Student, der einfach sein Ding durchgezogen und ein bisschen gerappt hat. Ich habe immer mehr die Haltung entwickelt, so viel zu provozieren, wie es geht und dieses "Hurensohn"-Ding komplett durchgezogen. (lacht) Das hat die Leute extrem aufgeregt und polarisiert – in genau die Kerbe habe ich geschlagen. Dann kam Saad, der das noch mal unterstützt hat. Er hat uns quasi untersagt, dass wir Kontakt mit anderen aufnehmen. Der wollte nicht, dass ich beim splash! auftrete, weil er Angst hatte, dass wir uns mit der Szene anfreunden … Vielleicht hat er auch einfach befürchtet, dass irgendwelche Stories über ihn rauskommen. Ich glaube, er hat uns ganz gut abgeschottet und wollte das Label so aufziehen, dass es ein Gegenpol zur Szene wird und provoziert.
MZEE.com: Vor Kurzem hast du "Allein gegen alle Pt.2" veröffentlicht. Du redest davon, dass es ein Fehler war, bei Baba Saad zu unterschreiben. Henry Ford hat gesagt: "Unsere Fehlschläge sind oft erfolgreicher als unsere Erfolge." – Kannst du dieser Aussage zustimmen?
EstA: Da bin ich hin- und hergerissen. Auf der einen Seite war es im Nachhinein ein Fehler, er hat mich locker um 25.000 bis 30.000 Euro betrogen. Ich durfte ewig nichts releasen. Das hat einen enormen Rattenschwanz nach sich gezogen. Auf der anderen Seite bekam ich sehr viel Aufmerksamkeit. Ich habe natürlich auch davon profitiert, dass die ganzen Medien wie 16BARS, BACKSPIN oder ihr durch das Signing auf mich aufmerksam geworden sind. Die Szene hat das VBT ein bisschen belächelt und sich darüber aufgeregt. Vielleicht war es mein erfolgreichster Fehlschlag. Aber der Stress, den ich danach hatte, wiegt mehr als das Gute daran.
MZEE.com: Hast du etwas Positives daraus gezogen? Viele Menschen sagen nach solchen Fehlschlägen, dass sie dadurch an Stärke gewonnen haben.
EstA: Ja, auf jeden Fall. Wenn man nicht darauf vorbereitet ist, ist es krass, was für ein dickes Fell man sich aneignen muss – im positiven wie negativen Sinne. Viele Leute wollen plötzlich etwas von dir, was ja eigentlich cool ist, aber einfach zu viel werden kann. Aus der Battlerap-Szene kam der Shitstorm von der Gegenseite. Die einen haben mich gefeiert, die anderen haben mich des Todes gehasst. Das ist immer noch so. Dadurch habe ich viel gelernt. Ich habe so erst gemerkt, was für einen guten Rückhalt ich habe – von meiner Familie und meinen Freunden. Auf die konnte und kann ich immer zählen. Man entwickelt sich auch charakterlich weiter. Ich glaube, Shindy hat mal so einen Satz gesagt: "Star geworden über Nacht – frag nicht, was das mit der Psyche macht." Man muss superviele Sachen mit sich selbst ausmachen und ich war ja nur ein kleiner Fisch. Guck dir diese ganzen DSDS-Leute an, die einen kurzen Hype haben und dann extrem tief abstürzen. Wenn man da keinen Rückhalt oder eine starke Persönlichkeit hat, ist das schwierig. Ich kenne einige, die im Musik- und Rap-Business depressiv geworden sind.
MZEE.com: Mit dem Erfolg kommen auch häufig falsche Freunde. Denkst du, dass man sich davor schützen kann?
EstA: Das passiert einfach. Man kann sich weder darauf einstellen, noch davor schützen. Es kommt drauf an, was für ein Typ man ist. Ich bin jemand, der immer noch an das Gute im Menschen glaubt, aber ich wurde auch ausgenutzt. Man will die Leute nicht verärgern, aber irgendwann muss man "Nein" sagen. Das musste ich erst lernen. Aber wie gesagt, ich bin kein Sido, um Gottes Willen. Das muss man differenziert betrachten. Ich glaube, Künstler wie er haben ein ganz anderes Leben.
MZEE.com: Viele Menschen mussten wie du im Laufe ihrer Karriere Rückschläge einstecken. Gab es einen Punkt, an dem du überlegt hast, aufzuhören?
EstA: Klar, natürlich. Das war bei Saad, weil ich nichts releasen konnte. 2015, glaube ich, habe ich ihn mit den ganzen Lügen und gefälschten Unterlagen konfrontiert. Ich habe gemerkt, dass da irgendwas nicht stimmen kann. Das muss ich auch noch mal explizit betonen: Ich war der Einzige auf dem Label – wir wussten das alle – der die Eier gehabt hat, damit zu Saad zu gehen. Das war das erste Mal, dass ich gedacht habe: "Okay, was machst du jetzt?" Ich konnte nichts releasen, wurde sehr heftig bedroht, betrogen und menschlich enttäuscht. Ich habe mich gefragt: "Warum machst du das überhaupt noch?" Klar, ich hatte da noch eine große Fanbase. Ich habe täglich Nachrichten bekommen, was cool war und mir Halt gegeben hat, aber der ganze Spaß und die Leichtigkeit sind komplett verflogen. Ich war megafroh, dass mich mein ehemaliges Label Nur!Musik. aus Hamburg aufgefangen und motiviert hat. Ich muss aber dazu sagen, dass ich nie wirklich auf Rap angewiesen war. Ich glaube, für viele Gangsterrapper, die nur das haben, ist das krasser. Ich wusste, dass ich mein Studium durchziehen und Rap aus meinem Leben streichen kann, wenn ich Bock habe. Aber zum Glück hat sich die Hartnäckigkeit durchgesetzt, sodass ich dann gesagt habe: "Nee, Digga, das kannst du nicht so machen. Du machst jetzt das Album fertig und dann kommt es halt erst in einem Jahr."
MZEE.com: Du hast unter anderem einen Song für die AOK aufgenommen und bist beim Neo Magazin Royale aufgetreten. Welche Auswirkungen hatte das auf deine Karriere?
EstA: (lacht) Ich glaube, ihr habt auch einen super Artikel darüber geschrieben. Ich habe ihn sogar erwähnt in einem meiner Songs. Rap und Werbung ist immer schwierig. Auf der einen Seite bewerben die Leute irgendwelche Gucci-Klamotten in ihren Refrains und dann mache ich halt einen Song für eine Krankenkasse. Ich wusste vorher, worauf ich mich da einlasse. Im Nachhinein hat es mir einen großen Shitstorm eingebracht. Ich würde das auf jeden Fall als Fehlschlag betiteln, aber daraus wurde dann der Auftritt bei Jan Böhmermann und wer kann das von sich behaupten? Das muss man auch einfach mal sagen. Der Fernsehauftritt war schon eine coole Erfahrung und ich konnte es damit wieder geradebiegen. Böhmermann hat witzigerweise auch zu mir gesagt: "Da hast du mal deine Eier auf den Tisch gepackt, find' ich klasse, dass du hier bist." Aber wie gesagt, ich würde es nicht noch mal machen. (lacht) Ich glaube, der Song ist auch gar nicht mehr online.
MZEE.com: Hast du durch den Auftritt wieder positive Resonanz bekommen?
EstA: Ja, auf jeden Fall. Das hat die Wogen geglättet. Am Anfang kamen Sellout-Vorwürfe, auch von Redakteuren. Auf sowas stürzt man sich immer gerne. Guck mal, Samy hat sowas gemacht, Eko auch, ich bin ja nicht der Einzige. Das ist echt so ein Thema im Rap, was schade ist. Ein Song ist doch viel cooler als so ein dummer Jingle. Wenn das die Sprache der Jugend ist, was spricht dagegen? Wenn du eine Zielgruppe so besser erreichen kannst als auf anderen Wegen, kann ich das aus Sicht der Unternehmen komplett verstehen. Aber ja, dieser Böhmermann-Auftritt hat das noch mal ein bisschen relativiert. Es hat mir jetzt nicht megaviel gebracht, um Gottes Willen, aber ich glaube, die Leute haben verstanden, dass ich mich dafür gerade gemacht und es mit Humor genommen habe. Diesen AOK-Song habe ich auch nicht ernst genommen. Das ist für mich ein Auftrag, den mache ich und schreib' 'nen möglichst coolen Text, das war's.
MZEE.com: Die Position als "Sprachrohr der Jugend" kann man natürlich auch ausnutzen und Werbung für ein schlechtes Produkt machen, um mehr Erfolg oder Geld zu bekommen.
EstA: Das war nie meine Intention. Wir haben den Auftrag bekommen. Man muss dazu auch sagen, dass ich noch eine Firma habe und das einfach zu unserem Portfolio gehört. Ich schreib' alles. Die meisten wissen gar nicht, dass ich für andere arbeite. Ich schreib' für jedes Genre – Werbetexte, Sachen, die im Fernsehen laufen. Ich würde da nicht immer meinen Namen drunterschreiben. Die Geschichte war noch am Anfang der Unternehmensgründung und eine gute Referenz. Ich hatte nicht das Ziel, dadurch mediale Aufmerksamkeit zu generieren. Mir geht das leicht von der Hand, ich schreibe sowas in zwei Stunden runter.
MZEE.com: Hast du als Songwriter karrieretechnisch mehr Möglichkeiten und Chancen bekommen?
EstA: Auf jeden Fall. Es ist mein Ziel, als Songwriter weiterzukommen. Das ist einfach Business. Es gibt so einen Songwriter-Kreis in Berlin, das sind 400 bis 500 Leute und irgendwann kennt man sich. Dann führt das eine zum anderen und man lernt immer mehr Leute kennen, kommt in geilere Sessions rein und kann seine Skills verbessern. Ich habe musikalisch noch nie so viel gelernt wie in den letzten zwei Jahren. Alleine, was Pop-Lines angeht. Das ist eine ganz andere Herangehensweise als bei Rap. Es fällt mir sogar teilweise schwerer, weil ich mich runterfahren muss, was die Lyrik angeht. Ich reime im Pop ja ganz anders. Das ist Haus-Maus. Oder bei Schlager. Da muss man sich aber nicht verstecken. Sido hat beispielsweise mal eine Beatrice Egli-Single geschrieben. Seitdem ist klar, dass das eher ein zusätzlicher Skill ist.
MZEE.com: Könntest du dir auch vorstellen, selber Pop-Musik oder Schlager zu machen?
EstA: Was ist denn für dich Apache 207? (lacht) Für mich ist das Pop-Schlager, bei aller Liebe. Es gab doch neulich bei 16BARS eine Show darüber: "Rap oder Schlager?" Alleine, dass es so eine Show gibt, zeigt doch, dass die Grenzen immer mehr verschwimmen. Rap ist mittlerweile Pop und Pop ist Schlager.
MZEE.com: Ich finde, es kommt darauf an, was man konsumiert. Könntest du dir denn vorstellen, Musik wie beispielsweise Apache zu machen?
EstA: Es gibt poppige Songs von mir, die ich nie veröffentlicht habe. Diesen Zwiespalt hatte ich auch mit dem jetzigen Album. Der Sound war zu Beginn poppiger. Dann habe ich das komplette Ding, an die 16 Tracks, wieder verworfen. Ich habe davon textlich maximal zehn Prozent mit in das neue Album genommen. Ich habe für mich gemerkt, dass ich das nicht bin. Ich bin ein straighter Rapper, es darf gerne eine gesungene Hook sein, aber ich singe sie nicht. Ich habe auch melodische Ansätze drin, der Zeitgeist muss immer mitschwingen, dafür bin ich offen. Ich weiß, dass meine Stimme relativ geil klingt, wenn ein Autotune-Preset draufgelegt wird. Das ist schon nice, ich feier' das selbst, aber das bin nicht ich. Ich habe neulich einen Kommentar gelesen, da hat einer geschrieben: "Digga, du rappst wie 2015." Ja, dann ist es halt so. Damit fühle ich mich wohl und das kann ich für mich verantworten. Dazu stehe ich. Das ist mir mehr wert, als mich für irgendwas zu verstellen und damit krass Erfolg zu haben, weil das der aktuelle Zeitgeist ist. Ich will nur noch das machen, worauf ich Bock habe und ich glaube, dass mir das mit dem jetzigen Album sehr gut gelungen ist.
MZEE.com: Hast du im Laufe deiner Karriere Entscheidungen nur um des Erfolgs Willen getroffen?
EstA: Das ist immer die Frage. Guck dir die Single-Auskopplungen von anderen Rappern an. Du musst natürlich in Betracht ziehen, was in einer Playlist landen könnte, wenn du nicht gerade ein Major-Signing bist, das sich in die Modus Mio gekauft hat. (überlegt) Du wählst das aus, was am besten passt. Lass mich mal überlegen … Bei "Allein gegen alle Pt.2" war es klar. Da wusste ich: Wenn ich die Nostalgie noch mal aufkommen lasse, mit dem Beat-Sample von 2Bough, dass die alten Fans noch mal zurückkommen würden. Das war natürlich kalkuliert, das muss ich zugeben. Dass es dann die Saad-Story wird, hat sich erst entwickelt, als ich den Beat zum ersten Mal gehört habe. Aber sonst … Ich hatte mal ein paar Ausreißer-Songs, bei denen ich mich ausprobiert habe, weil ich merkte, dass diese ganzen RINs – oder wie sie alle heißen – am Start sind. Ich meine, guck dir Fler an. Fler hat sich um 180 Grad gedreht. Der hat von seiner alten Fanbase maximal 20 Prozent mitgezogen und sich mit seinem neuen Sound eine komplett neue aufgebaut. Das wollte ich nicht und deshalb habe ich mich schnell dazu entschieden, den normalen EstA-Stuff durchzuziehen.
MZEE.com: In einem Bericht in der Saarbrücker Zeitung über dich hieß es, dass dein großer Durchbruch noch auf sich warten lässt. Wie stehst du zu dieser Aussage?
EstA: Ich hab' ein Level, das okay ist. Ich kann mich nicht beklagen und bin auch dankbar dafür. Aber ich bin kein Capi, Samra, Sido oder Summer Cem – kein Big Player. Ich glaube, das war ich auch nie. Auf der anderen Seite muss ich sagen, dass mir lyrisch im deutschen Rap vielleicht noch fünf Leute was vormachen. Das soll jetzt gar nicht arrogant klingen, aber alleine reimtechnisch ist das so. Darauf liegt momentan leider nicht mehr der Fokus, das thematisiere ich auch auf meinem Album. Es geht nur um Vibe, Drip, Beats und 808s. Deshalb hab' ich das Samy Deluxe-Album mega gefeiert. Er hat zeitgemäße Beats benutzt, aber trotzdem seinen Rapstil durchgezogen und vor allem mit Inhalten gearbeitet. Alles ist so ein Einheitsbrei geworden, ich bin es so leid. Ich guck' mir bei RapUpdate die neuen Songs an und 80 Prozent davon hören sich einfach gleich an. Das ist nur noch Promo, Platzierungen und Marketing. Das ist echt krass. Wie heißen die Jungs aus Berlin? BHZ? Die finde ich zum Beispiel cool, weil ich es denen einfach noch abkaufe. Die sind für mich real, sie sind aus dem Untergrund gewachsen und haben jetzt einen Hype. Sowas finde ich dann viel geiler als – jetzt muss ich aufpassen, was ich sage – die fünfzigste Le-Le-Le-Geschichte. Die Leute erfinden sich alle nicht mehr neu.
MZEE.com: Es gibt ja auch Menschen, die mit Hype und so einem Erfolg nicht klarkommen. Glaubst du, dass Erfolg süchtig machen kann?
EstA: Wenn man Erfolg hatte, ist es schwierig, ihn nicht mehr zu haben. Das macht was mit einem. Man will dieses Level halten. Das ist ja auch bei reichen Leuten so. Die verwalten ihr Geld und sind superoft geizig, weil sie keinen Bock haben, diesen Standard zu verlieren. Ich glaube, so ist es auch mit Erfolg. Man kann sehr, sehr tief fallen, wenn man ihn nicht mehr hat. Du kannst mir nicht erzählen, dass ein Bushido da drüber steht. Guck dir die Verkaufszahlen an. Man muss kein Genie sein, um zu checken, dass der aktuell viel weniger Platten verkauft oder Streams generiert als früher. Um den muss man sich keine Sorgen mehr machen, um Gottes Willen, der hat sein Ding gemacht. Aber ich glaube, das macht schon was mit einem.
MZEE.com: Welche Art von Erfolg wünschst du dir für die Zukunft?
EstA: Das ist schwierig. Ich hab' nicht so hohe Ansprüche. Auf jeden Fall hätte ich gerne weniger Sorgen. (lacht) Ich wünsche mir, dass ich, meine Freunde und Familie gesund bleiben und dass ich den Draht, den ich aktuell zu ihnen habe, beibehalte. Ich habe ja gerade noch mal ein bisschen Schwung bekommen durch "Allein gegen alle Pt.2", das war für mich ein Push. Persönlich ist es auch cool, zu sehen, dass die Leute noch am Start sind und das feiern. Ich spreche auf dem Album klar an, dass ich nicht weiß, ob das nicht vielleicht mein letztes Release sein wird. Aus den Gründen, die ich vorhin beschrieben habe. Es langweilt mich, was im deutschen Rap passiert. Das ist halt nicht mehr mein Film. Es wäre natürlich mega, wenn das Album gut ankommt. Ansonsten wünsche ich mir ein langes, erfülltes Leben. Wünscht sich ja jeder irgendwie, oder? Man muss aber auch was dafür tun, da sind wir wieder bei der ersten Frage. Für mich ist es kein Zufall, das muss man sich einfach erarbeiten.
(Sicko)
(Fotos von Mathias Blum)