In der Welt der Musikproduktion gibt es unzählige Geräte, durch deren Sound ganze Generationen geprägt wurden. Sampler, Synthesizer und Sequenzer halten – gerade zu Beginn der 80er Jahre – Einzug in die Musikstudios und ersetzen immer öfter akustische Instrumente. Einer der versiertesten Köpfe hinter diesen Geräten ist Roger Linn. Er kann bereits 1980 als Entwickler des "LM-1", dem wahrscheinlich ersten Sample-basierten Drum-Computer, große Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Der "LM-1" wurde schon von Popgrößen wie Michael Jackson, Prince oder Madonna genutzt. Außerdem scheint Linn selbst über großes musikalisches Talent zu verfügen. Bei dem Hit "Promises" von Eric Clapton konnte er 1978 als Songwriter mitwirken. Gegen Ende der 80er Jahre entwickelt er zusammen mit der japanischen Firma Akai Professional ein Gerät, das für immer in die HipHop-Geschichte eingehen soll. Das "Midi Production Center" – später auch "Music Production Center" genannt – gibt seinem Nutzer unzählige Möglichkeiten zur Erstellung von Songs und lässt sich weltweit sowohl in Musikstudios als auch in den Schlafzimmern diverser Bedroom-Producer finden. In ihren Ursprüngen ist die MPC hauptsächlich ein Sampler. Vereinfacht gesagt ist das eine Hardware, die kurze Tonspuren aufnehmen und auf Knopfdruck wiedergeben kann. Diese Tonspuren können beispielsweise Drums oder Ausschnitte aus fertigen Songs sein. Später werden diese Schnipsel dann bearbeitet und arrangiert, sodass am Ende wieder ein neues Werk entsteht. Roger Linn selbst sieht seine Erfindung weniger als Producer-Equipment, dafür umso mehr als vollwertiges Instrument. Im Handbuch für die "MPC 3000" schreibt er: "I like to think of the MPC 3000 as the piano or violin of our time, and of you as an MPC 3000ist. […] As an MPC 3000ist, if you find the instrument useful in your creative process, please let the world know. Next time you perform on a recording, ask to be credited not with, 'Keyboards played by…' or 'Programming by…' but rather with, 'MPC 3000 played by…'."
Die erste MPC erscheint
"Technology has just taken a giant leap forward. Hello, my name is Roger Linn and this is the MPC 60 […]." – Mit diesen großen Worten stellt Linn das erste Modell der Reihe vor, welches im Jahr 1988 erscheint. Mit einer Samplerate von 40 kHz und Speicherplatz für Samples von bis zu 13,1 Sekunden Länge sticht es Konkurrenten wie den "E-mu SP 1200" schon durch bessere Technik aus. Dieser ist zudem mit circa 15.000 Dollar fast dreimal so teuer wie das Gerät des Mitbewerbers aus Japan. Darüber hinaus kommt Akais neues Modell bereits mit den charakteristischen 16 Pads daher, die damals eine Revolution bedeuten. Die meisten Sampler dieser Zeit sind im Vergleich sehr umständlich in der Handhabung und weniger intuitiv. Häufig verfügen sie lediglich über harte Knöpfe, die ähnlich den Tasten eines Keyboards angeordnet sind. Zusätzlich lassen sich klassische Drum-Computer wie der "Roland TR-808" nicht mit eigenen Samples bespielen. Außerdem wirken die auf diesen Geräten kreierten Rhythmen durch genau festgelegte Triggerpunkte, an denen die Sounds abgespielt werden, häufig etwas maschinell. Dem wird durch die frei be- und abspielbaren Gummipads der "MPC 60" Abhilfe geschaffen. Somit können auch ohne echtes Schlagzeug organische Rhythmen erzeugt werden. Aufgrund dieser Überlegenheit und des geringen Preises erfreut sich das erste Modell des "Music Production Centers" großer Beliebtheit.
So werden zum Beispiel die Instrumentals zum Beatnuts-Album "Street Level" im Jahr 1994 auf ebenjenem produziert. Neben ihren eigenen Projekten liefert das Duo aus New York die Beats zu verschiedenen Songs von Mos Def, Common und Ghostface Killah. Des Weiteren benutzt DJ Shadow bei der Arbeit an seinem Debütalbum "Endtroducing.…." 1996 einzig und allein die "MPC 60". Dieses Album ist das erste, welches ausschließlich aus Samples zusammengestellt wurde. Ein weiterer bekannter Anhänger der Geräte aus Fernost ist Producerlegende Dr. Dre. Dieser nutzte zwar schon die "MPC 60", doch vor allem das Nachfolgemodell "MPC 3000", welches 1993 auf den Markt kommt. Laut Gerüchten verwendet Dr. Dre für die Instrumentals auf "2001" gleich fünf von ihnen. Die neuere Version verfügt nun über mehr Speicherplatz, ein höher auflösendes Display und ein entscheidend besseres Betriebssystem. Der Sample-Virtuose J Dilla produziert auf ebenjenem Modell einen Großteil seiner Beats. Diese wurden unter anderem von The Pharcyde, Erykah Badu und De La Soul genutzt. Eines der Geräte aus J Dillas Besitz wird heute sogar im "National Museum of African American History and Culture" in Washington ausgestellt. Mit dieser Generation wird die Gerätereihe endgültig ein Stück HipHop-Geschichte. Darüber hinaus ist die "MPC 3000" auch das letzte Modell, das in Kooperation mit dem Erfinder Roger Linn auf den Markt kommt.
Wie geht es ohne Roger Linn weiter?
Nur vier Jahre, nachdem Linn die Firma verlässt, bringt Akai dann sein erstes MPC-Modell im Alleingang heraus: Die "MPC 2000" wird zum Zweck der Kostenminimierung in ihren Funktionen etwas eingeschränkt, bietet dafür allerdings zahlreiche Möglichkeiten der Nachrüstung. So ist zum Beispiel kein Effektboard integriert, mit dem man seine Samples unter anderem mit Echo, Hall oder Frequenz-Filtern bearbeiten kann. Jedoch wird ein solches als Erweiterung angeboten. Damals wird sie mit den Worten "half the calories, all the phat" beworben. Durch den noch geringeren Preis erschließt Akai Professional wieder eine neue Käuferschaft und die MPC gewinnt eine größere Fan-Gemeinde. Deshalb bringt der japanische Hersteller im Jahr 2000 eine erweiterte Version auf den Markt – die "MPC 2000XL", welche bis heute wohl die beliebteste der Reihe ist. Sie bietet mehr integrierte Funktionen gegenüber dem Vorgängermodell. Aufgrund dieser Neuerungen und der Auswahl zwischen kleinem Preis oder großer Ausstattung findet die "2000er"-Reihe noch weit über ihre bestehende Fanbase hinaus Anhänger.
US-amerikanische Producer wie The Alchemist oder Pete Rock nutzen die Geräte ebenso wie deutsche HipHop-Artists. Von Torch über Azad bis hin zu Bushido wird sowohl die Standard- als auch die XL-Ausführung für einige hiesige Produktionen verwendet. Das große Spektrum an Künstlern, die die MPC nutzen, zeigt auch die unzähligen Möglichkeiten, die sie bietet. So baut Kanye West die Beats des internationalen Klassikers "The College Dropout" fast gänzlich auf einem dieser Geräte. Zeitweise integriert er die Hardware sogar in seine Live-Shows und im Internet lassen sich leicht Videos von ihm an der MPC finden. In einem Interview mit "60 Minutes" sagt Kanye, er nutze sie "from this simple kick drum all the way to what you hear on the radio". Die "MPC 2000" und "MPC 2000XL" verfügen über einen derartigen Legendenstatus, dass sogar heute noch Produzenten wie Funkvater Frank hierzulande ihre Instrumentals unter Zuhilfenahme der Geräte komponieren. 2002 erscheint dann mit der "MPC 4000" ein neues Flaggschiff der Reihe. Dieses punktet mit deutlich besseren technischen Werten und einigen Neuerungen. Trotzdem erfährt die bisher umfangreichste MPC von Fans und Kritikern extrem viel Ablehnung. Mit der Flut an Features und einem geänderten Workflow sind viele Nutzer schlichtweg überfordert. Dennoch erschaffen einige Produzenten mit diesem Modell wahre Hits. So produziert beispielsweise Just Blaze, einer der bekanntesten Nutzer dieser Ausführung, "Public Service Announcement" von Jay-Z und "Pump It Up" von Joe Budden. Sogar die Gold- und Platin-Single "Touch The Sky" von Kanye West baut Just Blaze auf der "MPC 4000".
Die MPC wird mobil
Währenddessen werden immer wieder Stimmen laut, die die MPC als zu groß und schwer bezeichnen. Akai reagiert im Jahr 2005 auf diese Kritik mit der "MPC 1000". Diese ist deutlich kompakter und kann als Massenspeicher an einen Computer angeschlossen werden, was das Bespielen mit Samples ungemein erleichtert. Vor allem durch die Mobilität und den nun wieder simpleren Workflow wird diese Ausführung zu einem Kassenschlager. Zu ihren Nutzern gehören Sean Price, Samy Deluxe und sogar Linkin Park-Mitglied Mike Shinoda. Für die "MPC 1000" wird von einem japanischen Programmierer-Team namens "JJ" ein inoffizielles Firmware-Update angeboten, an dessen Entwicklung auch ein ehemaliger Akai-Mitarbeiter beteiligt gewesen sein soll. Mit dem Update übertrifft sie teils sogar die Funktionalität des Nachfolgemodells "MPC 2500". Ein Großteil der Beats von AraabMuzik entsteht auf einem Gerät der "2500"er-Serie. Der US-Produzent soll so vernarrt in den Sampler sein, dass er acht davon besitzt. 2006 kommt dann die Handheld-Version des "Music Production Centers" auf den Markt. Die "MPC 500" verfügt nur über zwölf anstatt der üblichen 16 Pads und ein nahezu winziges Display. Dafür ist sie batteriebetrieben und kann dank ihrer kompakten Abmessungen überallhin mitgenommen werden.
Was bleibt?
In den folgenden Jahren veröffentlicht Akai immer weitere Versionen der MPC. Nicht nur Stand-Alone-Flaggschiffe wie die "MPC 5000" aus dem Jahr 2008 und die "MPC X", welche 2017 erscheint, finden großen Anklang, sondern auch die nun verbesserten, Software-gebundenen Geräte werden von der Käuferschaft gut angenommen. So zum Beispiel die "MPC Renaissance" von 2012, die optisch an die klassischen Modelle angelehnt ist. Weiterhin spielt auch Mobilität eine große Rolle. Deshalb bringt Akai im selben Jahr die "MPC Fly" auf den Markt. Diese dient lediglich als Controller für die iOS-App "iMPC" und verfügt ebenfalls über die charakteristischen 16 Pads.
Das "Music Production Center" stellt bis heute das größte Zugpferd in der Produktpalette von Akai Professional dar. So erscheint sogar zu Beginn dieses Jahres ein neues MPC-Modell: die "MPC One". Nachdem die japanische Firma jedoch im Laufe der Zeit mehrfach in finanzielle Schieflage geriet, wird die MPC bereits seit 2005 nicht mehr von Akai selbst hergestellt, sondern nur unter dem Namen vertrieben. Dies soll allerdings nicht die Funktionalität der Geräte in Frage stellen. Nicht umsonst nutzen viele der großen Stars wie Kool Savas oder Zaytoven die neuere Generation der MPC. Im Laufe der Jahre haben sich auch unzählige Rapper in ihren Texten als Fans des "Music Production Centers" geoutet. Auf dem Track "Regular and Complex" rappt Erick Arc Elliott von den Flatbush Zombies: "The first time I did drugs it was making the beats – MPC bang my head, it even haunts me in sleep." Deutschrapper Shindy braucht zum Leben wohl auch nicht mehr als "ein Klavier, 'ne MPC, 'ne Packung Marlboro, ein Mic und einen Aschenbecher". Bis heute nutzen verschiedene Producer jedes Modell der Baureihe – unabhängig des Alters – sowohl, um klassischen Oldschool-Sound zu kreieren, als auch zum Verarbeiten von Samples in modernen Produktionen. Roger Linn hat mit dem "Music Production Center" ein technisches Meisterwerk geschaffen. Nicht umsonst wird in über 30 Jahren Geschichte und trotz aller Neuerungen kaum vom ursprünglichem Aufbau abgewichen. All das sollte die Vielseitigkeit und Langlebigkeit der Geräte aus Japan beweisen.
(Nico Maturo)
(Titelbild: Kristina Lanert)