Kaum eine Szene hierzulande scheint so facettenreich zu sein wie die Deutschrapszene. Während es bereits jetzt schon fast unmöglich erscheint, jeden einzelnen, etablierten Vertreter zu kennen, steigt die Zahl neuer, noch unbekannter Künstler exponentiell weiter an. Den Überblick zu behalten, gleicht einer Herkulesaufgabe: Hat man sich ein Gesicht der HipHop-Hydra gemerkt, tauchen schon wieder mindestens zwei neue auf. Gleichzeitig ist es für unbekannte, junge Talente überaus schwer, aus der überwältigenden Masse an Musikern herauszutreten und sich einen Namen zu machen.
Beiden Seiten soll unser Mic Check eine Hilfestellung bieten. Rappern, die bisher noch in den Tiefen des Untergrunds untergegangen sind, eine Plattform geben, auf der sie sich kurz, aber prägnant präsentieren können. Und Hörern und Fans ermöglichen, sich einen schnellen Überblick über nennenswerte Künstler zu verschaffen, die sie bisher vielleicht noch gar nicht auf dem Schirm hatten.
MZEE.com: Wer sich auf deiner Bandcamp-Seite umsieht, kann neben der neuesten EP "Plenum im Streichelcafé" diverse Releases aus früheren Jahren finden – manche reichen bis 2011 zurück. Wenn du von all diesen Werken nur einen einzigen Track wählen könntest, um deine Musik zu präsentieren, welcher wäre das?
Flash Tarzan: Ich glaube, das wäre "Dass Kunst passiert" von meinem letzten Mixtape "Baklava & Flaschenbier". Da treffen sich Tiefe, Einfachheit, Selbstironie, Wortspiel und Stimmung auf einem schönen, eher zeitlosen Beat. Und er macht mir live immer wieder große Freude, obwohl er eher ruhig ist!
MZEE.com: Wenn man lange Musik macht, entwickelt man sich als Künstler und Mensch unweigerlich weiter. Gibt es einen alten Track oder eine alte Zeile von dir, die dir mittlerweile unangenehm ist?
Flash Tarzan: Es sind zum Glück wenige Zeilen – was nicht heißt, dass ich mich nicht weiterentwickelt hätte. Ich äußere mich in einer Line zum Beispiel abfällig über Konsumenten von Partydrogen. Da stand ich schon damals nicht hinter, aber der Rhyme war fett. Diesen Kompromiss würde ich heute nicht mehr eingehen. Mir fällt hier auch einer meiner ersten veröffentlichten Songs ein. Da beschreibe ich aus der Ich-Perspektive, wie jemand eine ihm nahestehende Frau am Ende eines Dates ermordet. Ich hatte zuvor den Film "Matchpoint" gesehen und habe mir das Ganze als eine Art fiktionales Beziehungsdrama vorgestellt, das spannend zu erzählen war. Der Track kam auch ganz gut an. Inzwischen weiß ich, dass sich hinter sogenannten Beziehungstaten fast immer Fälle verbergen, in denen ein Mann eine Frau tötet, weil sie eine Frau ist. Im Spanischen und Englischen hat man dafür bereits den Begriff des "Femizids" etabliert, während hierzulande solche Verbrechen oft Beziehungs- oder Eifersuchtstat genannt und damit verharmlost werden. Und das in einer Gesellschaft, in der statistisch gesehen jeden Tag ein Mann versucht, seine Ex-Partnerin oder Partnerin umzubringen, was jeden dritten Tag gelingt und zu einem Tod führt. Heute würde ich das aus einer männlichen Sprechposition heraus nicht mehr so unkritisch behandeln.
MZEE.com: Welchen Track eines anderen Künstlers hättest du selbst gerne gerappt?
Flash Tarzan: Spontan fällt mir da "Bros" von RIN ein, auch wenn ich mich daran schon lange satt gehört habe. Der Track hat so eine intensive Stimmung und kommt gar nicht verkopft daher, aber ohne beliebig zu klingen. Ich selbst gehe nicht so locker an Songs heran.
MZEE.com: Deine Musikvideos wirken oft wie eigene kleine Kunstprojekte. Wie wichtig ist es dir, deiner Musik auch noch diese besondere visuelle Ebene hinzuzufügen?
Flash Tarzan: Hey, das ist voll das Kompliment. Mit einigen meiner – insbesondere der selbstgemachten – Videos bin ich nämlich gar nicht so hundertprozentig zufrieden. Ich mag Videos mit einer eigenen Ästhetik, die über das bloße Performen hinausgeht. Videos, die eine eigene künstlerische Idee aufgreifen. Das Problem ist, dass ich oft einfach nicht so gute oder umsetzbare Einfälle habe … Falls sich da draußen jemand berufen fühlt – ich lass' mir gerne helfen!
MZEE.com: Steckt hinter alledem eine bestimmte Botschaft? Was willst du mit deiner Musik und deinen Videos vermitteln?
Flash Tarzan: Gute Frage. Ich finde, Kunst kann für sich selbst stehen. Und bei Rap war ich lange auch sehr froh drüber, wenn das so war. Fatoni rappt "Nicht jeder Mensch braucht ein politisches Bewusstsein" in Anspielung darauf, dass Rapper, die sich politisch geben, gerne auch mal ziemlichen Scheiß verzapfen. Inzwischen – und insbesondere in der jetzigen Zeit – finde ich aber Songs mit sozialer oder politischer Botschaft echt begrüßenswert, besonders dann, wenn sie ein Stück von guter Musik sind. Ich selbst versuche eher, durch einzelne Zeilen und Anspielungen Messages einfließen zu lassen, die nicht gleich nach erhobenem Zeigefinger und löffelweise Weisheit klingen. Meine Idealvorstellung ist dabei, dass Leute die Musik feiern und nebenbei feststellen: "Hey, der Typ kann sich eine Welt jenseits kapitalistischer, rassistischer und sexistischer Logiken vorstellen und er promotet das auch."
Ein Exclusive von Flash Tarzan könnt Ihr Euch ab sofort auf dem YouTube-Channel von MZEE.com ansehen:
(Daniel Fersch)
(Grafiken von Puffy Punchlines, Logo von KL52)
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