Darf man seine eigene Mutter hassen?
Weil sie zu schwach ist, um ihn zu verlassen?
Tarek Ebéné hat mit K.I.Z in den vergangenen 20 Jahren ein Ausrufezeichen nach dem anderen in der deutschen Raplandschaft gesetzt und eine Erfolgsgeschichte geschrieben, die ihresgleichen sucht. Nun bricht er aus diesem Kosmos aus und releast als erster der Crew ein Soloalbum. "Golem" ist benannt nach einem Monster aus der jüdischen Mystik, denn dieses Wesen, so sagt er selbst, sei ebenso schwer zu kontrollieren wie das, was auf dem Langspieler geschieht.
Es ist wahrscheinlich der Gewohnheit geschuldet, dass man die Platte bei erstmaligem Hören auf gesellschaftskritische und provokante Texte scannt, die obendrein noch meist mit einem doppelten Boden versehen sind. Schließlich sind dies die Attribute, die er mit K.I.Z perfektioniert hat und maßgeblich zum Erfolg der Crew beigetragen haben. Für sein Soloprojekt zeigt er sich nun jedoch von einer Seite, die man so noch nicht kannte. Subtile und smoothe Melodien rücken Tareks gesangliches Talent und seine Fähigkeit, emotionale Geschichten zu erzählen, in den Vordergrund. In dieser Fähigkeit liegt auch die Stärke der Platte begründet. Wenn er beispielsweise wie auf "Weißer Drache" über einen drogenreichen Lifestyle rappt, dann feiert er diesen nicht blind ab. Gleichzeitig wirkt es aber auch nicht so, als würde er den moralischen Zeigefinger heben. Bemerkenswert sind zudem seine schonungslos ehrlichen Lyrics, mit denen er persönliche Themen wie den Tod seines Vaters, häusliche Gewalt oder Selbstzweifel beschreibt. Das Besondere dabei ist, dass er größtenteils auf ironische Brechungen verzichtet und die Songs den Hörer auf einer ganz anderen Ebene ansprechen.
Insgesamt ist "Golem" ein Album, das vor allem durch seine Eindringlichkeit zu überzeugen weiß. Tarek nimmt die Hörer vom ersten Track an mit in seine Gedankenwelt, indem er ernsthafte Themen mit viel Gefühl und ohne Plattitüden so behandelt, dass sie jeder nachvollziehen kann. Und das ist eine Kunst, die es zu schätzen gilt.
(Thomas Linder)