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Interview

Antilopen Gang

"Uns noch mal so tief in die Trau­er hin­ein­zu­be­ge­ben, stand aber ganz lan­ge gar nicht zur Debat­te." – Die Anti­lo­pen Gang im Inter­view über das Jahr 2013, poli­ti­sche Tracks und dar­über, was sich an ihrer Arbeits­wei­se geän­dert hat, seit­dem zwei der Rap­per Väter gewor­den sind.

2019 mel­de­te sich die Anti­lo­pen Gang mit dem retro­spek­ti­ven "2013" aus einer zwei­ein­halb­jäh­ri­gen Schaf­fens­pau­se als Band zurück. Dar­auf zei­gen die drei Rap­per eine erns­te Sei­te, die trotz ihrer ver­gan­ge­nen, höchst poli­ti­schen Wer­ke lan­ge nicht mehr zum Vor­schein kam. Auf dem neu­en Album "Abbruch Abbruch" sind deut­lich weni­ger expli­zit poli­ti­sche Tex­te zu hören als auf den vor­he­ri­gen Releases. Das hin­dert die Anti­lo­pen jedoch nicht dar­an, gesell­schaft­lich rele­van­te The­men auf­zu­grei­fen und eben­so außer­ge­wöhn­lich wie tief­schür­fend umzu­set­zen. Uns ver­rie­ten sie unter ande­rem, wie sie auf ihre teils ver­rück­ten Song­ideen kom­men und wes­halb sie sich gera­de jetzt dazu ent­schlos­sen haben, einen Track über das für die Band beson­ders ereig­nis­rei­che Jahr 2013 zu schrei­ben. Zudem erzähl­ten sie uns, wie­so es kei­nen zwei­ten Teil von "Bea­te Zsch­ä­pe hört U2" geben wird und mit wel­chen Möbel­stü­cken sie sich am ehes­ten identifizieren.

MZEE​.com: Dan­ger Dan und Kol­jah, ihr bei­de seid mitt­ler­wei­le Väter gewor­den. Hat sich dadurch die Zusam­men­ar­beit in der Anti­lo­pen Gang verändert?

Kol­jah: Die Ter­min­fin­dung ist ein biss­chen kom­pli­zier­ter gewor­den. Wir müs­sen es ja immer schaf­fen, uns zu dritt zu tref­fen. Das war aber noch nie ein­fach, da die Anti­lo­pen Gang auch noch nie an einem Ort gewohnt hat. Bis­lang haben maxi­mal zwei von uns gleich­zei­tig in der­sel­ben Stadt gewohnt. Durch das Dasein als Fami­li­en­va­ter hat man eben noch ein paar mehr Ver­pflich­tun­gen. Dann ist der Ter­min­ka­len­der viel­leicht ein biss­chen vol­ler, aber das ist eigent­lich das ein­zi­ge. Bis jetzt hat es eigent­lich immer ganz gut geklappt.

Dan­ger Dan: Ich glau­be, vor­her war es sel­te­ner der Fall, dass ich ins Stu­dio gehe und erst mal schla­fe. Ich habe häu­fi­ger eine Stun­de auf dem Sofa im Stu­dio gepennt. Denn Vater­da­sein bedeu­tet – wenn man es gut macht zumin­dest – dass man nicht viel schläft.

Kol­jah: Ich schla­fe sehr viel. Ich mach' das nicht so gut. (Geläch­ter)

Dan­ger Dan: Ich bin im Stu­dio häu­fi­ger ein­ge­pennt, weil ich ein­fach kaputt war und es manch­mal irgend­wie ent­span­nend ist, wenn man end­lich wie­der im Kel­ler sitzt. Aber im Grun­de genom­men regu­lie­ren wir.

MZEE​.com: Ihr seid dadurch also nicht ruhi­ger gewor­den? Kol­jah hat uns im letz­ten Inter­view erzählt, dass in der Gang viel gestrit­ten wird. 

Kol­jah: Ich strei­te mich jetzt eher mit mei­nem Kind. Ich bin aber nicht ruhi­ger gewor­den. So ein Klein­kind ist ein­fach wie ein Psy­cho­path. Die gan­zen Dia­gno­se­kri­te­ri­en, die man auf Psy­cho­pa­then anwen­den kann, pas­sen im Prin­zip auch auf ein Klein­kind. Des­we­gen bin ich eher lau­ter gewor­den. (lacht) Das heißt jetzt nicht, dass ich mein Kind anschreie, ganz im Gegen­teil – aber mei­ne Band­kol­le­gen viel­leicht. Ich bin sehr hib­be­lig geworden.

MZEE​.com: Ihr strei­tet zwar, fin­det aber immer wie­der Kom­pro­mis­se. Wie funk­tio­niert das? 

Kol­jah: Jedes Lied, das wir machen, ist gewis­ser­ma­ßen ein Kom­pro­miss, denn jeder hat Ideen und bringt sich ein. Da muss man halt immer auf einen gemein­sa­men Nen­ner kom­men. Aber es ist schon so, dass es bei den vor­he­ri­gen Alben wesent­lich kom­pli­zier­ter war, zumin­dest habe ich das Gefühl. Eigent­lich haben wir es die­ses Mal ganz gut hin­be­kom­men, uns auf eine Linie zu eini­gen. Das war auf jeden Fall unkom­pli­zier­ter, als es bis­her war.

MZEE​.com: Gibt es dafür einen spe­zi­el­len Grund?

Dan­ger Dan: Ich glau­be, Kol­jah hat das in sei­ner Pro­mo­pha­se ein biss­chen falsch dar­ge­stellt. Er tut ja immer so nör­ge­lig und motzt immer rum. In Wirk­lich­keit ist er ein sehr har­mo­nie­be­dürf­ti­ger Kuschel­bär. Ich glau­be, das, was nach Außen so aus­sieht, als müss­te man immer den kleins­ten gemein­sa­men Nen­ner fin­den, ist tat­säch­lich gar kein so gro­ßes Pro­blem. Wir haben viel grö­ße­re Dis­kre­pan­zen mit dem Rest der Welt als Schwie­rig­kei­ten dabei, uns zu eini­gen. Man kann auf jeden Fall sagen: Wir haben zum Glück schön viel Zeit gehabt und uns schön viel Zeit genom­men für das Album. Wir haben nicht auf Teu­fel komm raus so schnell wie mög­lich neue Songs gemacht, bei denen man viel­leicht mit­un­ter mal hit­zi­ger dis­ku­tiert, weil man einen Abga­be­ter­min im Nacken hat. Statt­des­sen haben wir ganz mil­de gesagt: "Fin­det die­ses Lied irgend­wer uncool?" Und irgend­wer mein­te: "Ja, find' ich nicht so cool." Dann arbei­ten wir eben an einem ande­ren und machen etwas Neu­es. Ich fand's, um ehr­lich zu sein, die­ses Mal gar nicht so schlimm. Aber wir haben natür­lich trotz­dem die Antilopen-​Streitkultur auf­recht­erhal­ten. Ich glau­be, die ist für uns selbst immer das größ­te Kor­rek­tiv und irgend­wie eine Inspi­ra­ti­on. Dis­kurs ist ja nichts Schlech­tes – zumin­dest, wenn ich bei der Prü­ge­lei gewinne.

MZEE​.com: Beim Betrach­ten eurer Dis­ko­gra­phie ent­deckt man recht vie­le The­men­tracks. Wie sieht der Ent­ste­hungs­pro­zess von Songs wie bei­spiels­wei­se "Tin­der­match" aus? Schließ­lich sind das oft­mals kei­ne beson­ders nahe­lie­gen­den Konzepte.

Kol­jah: Jeder von uns sam­melt Ideen und tippt sich die ins Han­dy. Ob dar­aus immer etwas wird, sei mal dahin­ge­stellt. Teil­wei­se war es so, dass wir im Stu­dio saßen und ver­sucht haben, zu brain­stor­men. Was könn­te man machen? Das schei­tert aber meis­tens. Es gibt da eine Wahn­sinns­me­tho­de von Panik Pan­zer, bei der es um Wort­as­so­zia­tio­nen geht. Viel­leicht willst du das kurz erklä­ren? Es hat nie funk­tio­niert, aber wir haben es probiert.

Panik Pan­zer: Es gibt ja selbst bei den krea­tivs­ten Künst­lern den Punkt, an dem ihnen zum Ver­re­cken nichts mehr ein­fällt. Ich habe tat­säch­lich mal … Ich traue mich schon kaum, das Wort zu sagen, weil mich ver­mut­lich einer mei­ner Band­kol­le­gen aus Ver­se­hen ankotzt. Es gibt Krea­tiv­me­tho­den, falls einem gar nichts ein­fällt. Da kann man zum Bei­spiel ein Maga­zin auf­schla­gen, mit dem Fin­ger an zwei zufäl­li­ge Stel­len tip­pen und die zwei Wor­te, die auf­tau­chen, ver­bin­den. Das funk­tio­niert am bes­ten, wenn da irgend­wel­che Nomen auf­tau­chen. Wenn es jetzt die Wor­te "bit­te" und "ist" sind, kannst du natür­lich nichts damit machen. Aber ich konn­te mei­ne Band, die für so etwas nicht offen ist, nie davon über­zeu­gen. Es gab aller­dings einen sehr ver­zwei­fel­ten Moment, in dem wir tat­säch­lich im Inter­net einen Zufalls­ge­nera­tor ange­wor­fen haben. Das darf man eigent­lich gar nicht erzäh­len, aber ich erzähl' dir das jetzt. Der hat ein­fach ran­dom Wör­ter aus­ge­spuckt. Und durch die­sen Zufalls­ge­nera­tor ist das "Zen­trum des Bösen" ent­stan­den, denn da ist das Wort "Dorf " auf­ge­ploppt. Dann haben wir uns über das Dorf unter­hal­ten und dach­ten uns: "Eigent­lich muss man mal einen Song dar­über machen, wie schlimm das ver­damm­te Dorf ist." Man­che Songs sind aber auch total schnell ent­stan­den. "Bang Bang" oder "Lied gegen Kif­fer" waren zum Bei­spiel super­schnell da. (schmun­zelt)

Kol­jah: Da war es so, dass wir den hal­ben Tag damit ver­bracht haben, uns voll zu ver­kramp­fen und zu über­le­gen, wor­über wir einen Song machen könn­ten. Wir haben auch ganz schlech­te Lie­der ange­fan­gen und wie­der abge­bro­chen. Dann sind wir raus­ge­gan­gen, um was zu essen oder so. Und auf ein­mal war eine Idee da. Danach sind wir ins Stu­dio und haben mal ganz kurz ein Lied gemacht. Es kann also nicht scha­den, sich nicht auf etwas zu ver­stei­fen und statt­des­sen einen Tape­ten­wech­sel zu machen. Ich bin eh immer dafür, dass man mal an die fri­sche Luft geht und nicht den gan­zen Tag lang nur in die­sem Kel­ler­stu­dio hockt.

MZEE​.com: Von "Bang Bang" war ich beson­ders geflasht, da ich noch nie so einen knall­hart ehr­li­chen und unbe­schö­ni­gen­den Track über das The­ma Sex gehört habe. Vie­le wür­den sich trau­ri­ger­wei­se gar nicht trau­en, so etwas zu schreiben.

Kol­jah: Ich hab' das ja grad' schon ange­ris­sen. Das war wirk­lich so. Wir waren zusam­men in einem grie­chi­schen Imbiss essen und haben uns eigent­lich nur unter­hal­ten. Irgend­wie ging's dann auf ein­mal um das ers­te Mal und wie das halt war. Wir haben uns unter­ein­an­der aus­ge­tauscht und sind anschlie­ßend zurück ins Stu­dio. Dan­ger Dan, der eh schon immer dafür war, dass wir mal ein Lied über Sex machen, mein­te: "Ey, lass uns ein­fach einen Song über genau das machen, wor­über wir gera­de gere­det haben." Wir dach­ten, das wäre ein Gag. Es war auch schon 23 Uhr und wir woll­ten eigent­lich lang­sam mal Fei­er­abend machen. Wir haben uns jeweils eine hal­be Stun­de Zeit genom­men, um eine Stro­phe zu schrei­ben und zu gucken, was pas­siert. Ich erin­ne­re mich noch gut, dass mir nur noch eine Zei­le fehl­te und Dan­ger Dan neben mir stand und mein­te: "Die hal­be Stun­de ist um. Hör jetzt sofort auf, zu schrei­ben!" Ich durf­te dann die sech­zehn­te Zei­le noch schrei­ben. Danach haben wir es uns gegen­sei­tig vor­ge­rappt und gemerkt: "Oh, Shit … Irgend­wie ist das geil!" Panik Pan­zer war mit sei­ner Stro­phe nicht sehr zufrie­den, weil er auf ein­mal gemerkt hat, dass wir das erns­ter genom­men haben als er. Er hat dann noch mal ein biss­chen was umge­schrie­ben – sogar kom­plett. Wir haben an dem Abend noch auf­ge­nom­men und fan­den den Song ver­dammt gut. Es war ein­fach klar, dass das ein gutes Lied ist. Ich hab' mich zuerst ein biss­chen geschämt. Will man so etwas wirk­lich der Welt zei­gen? Ich wuss­te aber auch, dass man es tun muss. Anschlie­ßend haben wir doch noch Fei­er­abend gemacht, aber hat­ten auf ein­mal die­ses Lied.

Dan­ger Dan: Es war wirk­lich so. Als wir uns gegen­sei­tig die Tex­te vor­ge­rappt haben, waren wir selbst noch ein biss­chen pein­lich berührt. Wir muss­ten einen Umgang damit fin­den und haben gelacht. Dann haben wir es auf­ge­nom­men und das Pro­blem ist ein­fach, dass jeg­li­che Begrün­dung dafür, das nicht zu ver­öf­fent­li­chen, total schwach wäre. Man kommt aus der Num­mer nicht mehr raus. Wir haben die­ses Mons­ter geschaf­fen und jetzt ist es so.

MZEE​.com: Ihr habt da echt Mut bewie­sen. Mit dem Song wer­den sich bestimmt eine Men­ge Leu­te iden­ti­fi­zie­ren kön­nen. Viel mehr als mit dem tau­sends­ten Player-​Track, auf dem irgend­je­mand dar­über rappt, dass er jede Nacht eine neue Frau klarmacht. 

Dan­ger Dan: An der Stel­le willst du viel­leicht auch mal erzäh­len, wie es bei dir war. (Geläch­ter)

Kol­jah: Ist aber echt so. Wir haben rela­tiv schnell gemerkt: Wenn man Leu­ten das Lied vor­spielt, haben vie­le das Bedürf­nis, einem unge­fragt – dich haben wir jetzt gefragt – ihre Geschich­ten zu erzäh­len. Wir wis­sen mitt­ler­wei­le sehr viel. Ich fand die Geschich­te vom ers­ten Mal unse­res Mana­gers zum Bei­spiel nicht unin­ter­es­sant. Ich wer­de sie aber nicht ausführen.

MZEE​.com: Lasst uns noch über "2013" spre­chen. Der Track han­delt von den Erfah­run­gen in die­sem für euch sehr spe­zi­el­len Jahr. Gab es einen bestimm­ten Aus­lö­ser oder Beweg­grund dafür, dass ihr gera­de jetzt die­sen Song gemacht habt? Den hät­tet ihr ja theo­re­tisch schon vor ein paar Jah­ren machen können.

Dan­ger Dan: Nee, das hät­ten wir nicht. Ich glau­be näm­lich, wir brauch­ten eine gewis­se zeit­li­che Distanz, um die­ses Jahr reflek­tie­ren und uns auch noch mal neu auf die­ses für uns sehr schwie­ri­ge The­ma ein­las­sen zu kön­nen. Ich kann mir vor­stel­len, dass Leu­te, die das von außen ver­fol­gen, viel­leicht den­ken: "Ach, das hätt' ich vor drei Jah­ren auch schon ger­ne gehört." Uns erneut so tief in die Trau­er hin­ein­zu­be­ge­ben, stand aber ganz lan­ge gar nicht zur Debat­te. Mit ein biss­chen zeit­li­cher Distanz kann man noch mal etwas nüch­ter­ner gucken, was da genau pas­siert ist und wie sich das wei­ter­ent­wi­ckelt hat. Für uns alle gibt es eine Zeit in unse­rem Leben vor und nach 2013. Das Jahr mar­kiert für uns einen Wen­de­punkt. Das zu erken­nen, geht nur, wenn man ein paar Schrit­te Abstand gewin­nen kann.

MZEE​.com: Hat es den­noch viel Über­win­dung gekos­tet, den Track zu schreiben?

Dan­ger Dan: Der war ziem­lich schnell da. Ich weiß noch, dass Kol­jah und Panik Pan­zer ihre Stro­phen in Düs­sel­dorf auf­ge­nom­men haben und mich dar­um baten, die noch feh­len­de Stro­phe zu schrei­ben. Ich habe zwei Stun­den spä­ter bereits den recor­de­ten 16er zurück­ge­schickt, weil es der rich­ti­ge Moment war und ein­fach gef­luppt hat. Es gab natür­lich vor­her auch mal Ver­su­che und irgend­wie brann­te es auf dem Her­zen, aber die Zeit war noch nicht reif. Als es soweit war, hat es zack gemacht und der Track war da. Es war letzt­end­lich gar kei­ne so gro­ße Überwindung.

MZEE​.com: Auf dem Song stellt ihr außer­dem fest, dass ihr damals ein kom­plett ande­res Leben geführt habt als heu­te. Wie blickt ihr auf das ver­gan­ge­ne Jahr­zehnt zurück und was nehmt ihr mit in die kom­men­de Dekade?

Kol­jah: Jeder von uns hat ja sei­ne eige­ne Bio­gra­phie. Ich hab' zu Beginn des Jahr­zehnts noch stu­diert und wuss­te nicht rich­tig, was pas­sie­ren soll. Es gab zwar schon die Anti­lo­pen Gang, aber das war eher ein Frei­zeit­spaß, der sich per­spek­tiv­los ange­fühlt hat – und auch war. Dann ist eben das Jahr 2013 gekom­men. Ich war kein Stu­dent mehr, son­dern hab' Hartz IV bekom­men und wuss­te immer noch nicht, was ich mit mei­nem Leben machen soll. Am Ende des Jahr­zehnts bli­cken wir, wenn man "Abwas­ser" mit­zählt, auf drei Alben zurück und gera­de befin­den wir uns in den Start­lö­chern für das vier­te. Auf ein­mal sind wir also doch noch Berufs­mu­si­ker gewor­den und haben zwar kei­ne lang­fris­ti­ge, aber zumin­dest eine kurz­fris­ti­ge Per­spek­ti­ve, was mit unse­ren Leben pas­siert. Das sah natür­lich vor zehn Jah­ren kom­plett anders aus.

MZEE​.com: Ihr sagt auch, dass ihr euch geschwo­ren habt, die Gang groß­zu­ma­chen. Ist euch das eurer Ansicht nach gelun­gen? Habt ihr mit dem Erfolg, den ihr über die Jah­re erfah­ren habt, gerechnet?

Panik Pan­zer: Es gab defi­ni­tiv Zei­ten, gera­de vor 2013, in denen wir alles ande­re als opti­mis­tisch waren, was unse­ren Erfolg angeht. Eher im Gegen­teil, wir waren ziem­lich resi­gniert. Ent­spre­chend hat sich unse­re Musik über ein, zwei Jah­re ange­hört. Wir haben uns beim Schrei­ben auch nicht rich­tig Mühe gege­ben. Gera­de aus Kol­jah und Jakob, aber auch aus Dani­el und mir, ist da ein­fach ganz viel Müll raus­ge­kom­men. So abs­trak­ter Scheiß … Davon ist vie­les unver­öf­fent­licht. Ich glau­be, wir waren sehr, sehr des­il­lu­sio­niert. In die­sem Jahr 2013, das einer­seits das beschis­sens­te Jahr über­haupt war, konn­te man ande­rer­seits im Prin­zip trotz­dem den Mut und die Kraft schöp­fen, dass es doch funk­tio­niert. Und es hat halt funk­tio­niert. Dafür, dass die Anti­lo­pen Gang nie als gefäl­li­ges Pop-​Projekt ange­legt war und es in den Ster­nen stand, ob sich dafür über­haupt Leu­te inter­es­sie­ren, sind wir sehr groß gewor­den. Dann ist auch die­ser Schwur, den wir uns angeb­lich geschwo­ren haben … Ehr­lich gesagt haben wir uns gar nichts geschworen.

Kol­jah: (aus dem Hin­ter­grund) Doch!

Panik Pan­zer: Also wir stan­den jetzt nicht im Kreis. Obwohl, viel­leicht wenn wir besof­fen waren … egal. Wir haben die Gang groß­ge­macht. Wir haben es geschafft und ich bin da sehr stolz drauf.

MZEE​.com: Ihr seid also zufrie­den damit, wie es jetzt ist und habt nicht vor, noch zehn Über­hits zu schrei­ben? Ich glau­be, von eurem letz­ten seid ihr ja sowie­so ein biss­chen genervt.

Panik Pan­zer: Wir wür­den es ver­mut­lich zumin­dest nicht noch mal so ange­hen, um dann ein Album spä­ter wie­der zurück­zu­ru­dern. Den Move wol­len wir nicht wie­der­ho­len. Aber ey, wir kön­nen alle davon leben und das ist auf jeden Fall das Bes­te, was pas­sie­ren konn­te. Wir haben kei­nen Mas­ter­plan und kei­ne Stra­te­gie, um es noch grö­ßer wer­den zu las­sen. Soll­te das wider Erwar­ten doch pas­sie­ren und wir spie­len Shows in Sta­di­en, dann fress' ich zwar einen Besen, aber neh­me das ger­ne mit.

MZEE​.com: Ihr habt vor mitt­ler­wei­le sechs Jah­ren "Leben und Stre­ben des Fried­rich Kau­tz" ver­öf­fent­licht. Vor Kur­zem hat Prinz Pi in einer Dis­kus­si­ons­run­de geäu­ßert, Dis­kri­mi­nie­rung in der deut­schen Rap­sze­ne fän­de nicht statt. Fühlt ihr euch bei dem Gegen­wind, der auf sei­ne Aus­sa­ge folg­te, in eurer Kri­tik ihm gegen­über ein Stück weit bestätigt?

Kol­jah: Es ging in unse­rer Kri­tik von damals ja nicht um irgend­wel­che Ras­sis­mus­de­bat­ten, son­dern, wie der Titel schon sagt, um das "Leben und Stre­ben des Fried­rich Kau­tz". Wir haben uns in dem Song über die­se gro­tes­ke Figur amü­siert. Dass die mit­un­ter auch gro­tes­ke The­sen in die Welt posaunt, liegt ja in der Logik der Sache begrün­det. Ich woll­te jetzt nicht sagen "in der Natur der Sache", denn ich glau­be nicht, dass das Natur und damit unver­än­der­lich ist. Ich glau­be, dass auch gro­tes­ke Figu­ren in der Lage sind, zu reflek­tie­ren und ihre Stand­punk­te zu ändern. Das wün­sche ich auch Fried­rich Kautz.

MZEE​.com: Das wäre auf jeden Fall schön. Wir kön­nen es ger­ne dabei belas­sen, wir wol­len schließ­lich kein Salz in irgend­wel­che Wun­den streuen.

Kol­jah: (schmun­zelt) Okay, danke.

MZEE​.com: Auf Insta­gram habt ihr neu­lich einen Post zu "Bea­te Zsch­ä­pe hört U2" ver­öf­fent­licht, in dem ihr über die pro­phe­ti­sche Qua­li­tät des Songs redet. Was wäre anders, wenn ihr den Track heu­te schrei­ben würdet?

Kol­jah: Ich glau­be, man kann auf jeden Fall Dan­ger Dans Zei­le heu­te ver­än­dern. Es heißt jetzt nicht mehr: "Heu­te dre­schen sie noch Stamm­tisch­pa­ro­len und mor­gen haben sie Spreng­stoff und schar­fe Pis­to­len." Jetzt wür­de es wahr­schein­lich eher hei­ßen: "Ges­tern dro­schen sie noch Stamm­tisch­pa­ro­len und heu­te haben sie Spreng­stoff und schar­fe Pis­to­len." Das ist ja im End­ef­fekt das, was du wahr­schein­lich mit der pro­phe­ti­schen Qua­li­tät meinst. Es gab in die­sem Jahr den Mord an Wal­ter Lüb­cke und das Atten­tat in Hal­le. (Anm. d. Red.: Das Inter­view wur­de Ende 2019 geführt) Es gibt rechts­ra­di­ka­len Ter­ro­ris­mus in Deutsch­land und das wäre wahr­schein­lich etwas, das man in so einem Song noch viel kon­kre­ter benen­nen könnte.

MZEE​.com: Auf dem neu­en Album gibt es kei­nen Track, der in eine sol­che Rich­tung geht. Liegt das dar­an, dass ihr euch nicht wie­der­ho­len wollt oder hat sich das die­ses Mal ein­fach nicht ange­bo­ten? Man könn­te ja auch einen zwei­ten Teil machen.

Kol­jah: Ja, man könn­te das viel­leicht machen, aber dadurch, dass wir es schon gemacht haben, liegt das für uns jetzt nicht so auf der Hand. Ich glau­be, es gibt eher außen eine Erwar­tungs­hal­tung: "Das sind doch die, die so ein Lied gemacht haben. Wie­so machen die nicht noch mal so eins?" Aber so gehen wir nicht an die Sache ran. Ich fänd' "Bea­te Zsch­ä­pe hört U2 Part 2" irgend­wie ein biss­chen albern. Jeder weiß, wo wir ste­hen. Wir haben in den letz­ten Jah­ren mit unse­ren Posi­tio­nen wirk­lich nicht hin­term Berg gehal­ten. Da gibt es von unse­rer Sei­te jetzt nicht beson­ders viel hin­zu­zu­fü­gen. Wenn es doch so wäre – was ja durch­aus sein kann, dass wir noch mal ein ähn­li­ches Lied schrei­ben – dann wür­den wir das halt machen, weil es sich für uns in dem Moment rich­tig anfühlt und nicht, weil das gera­de zum Zeit­geist passt oder so.

MZEE​.com: Ich neh­me an, man kann in Zukunft den­noch wie­der mit poli­ti­sche­ren Inhal­ten von euch rech­nen. Bis zu einem gewis­sen Grad seid ihr immer poli­tisch. Ich hat­te nur die­ses Mal das Gefühl, dass so etwas Kon­kre­tes nicht dabei ist.

Dan­ger Dan: Es stimmt, dass wir die­ses Mal nicht mit dem Vor­schlag­ham­mer die "Atom­bom­be auf Deutsch­land" gefor­dert haben. Ich weiß auch nicht, was man dem noch hin­zu­fü­gen soll­te … (über­legt) Den Che­mie­bio­waf­fen­an­griff auf Deutsch­land oder so. Aber irgend­wann wird es dann lächer­lich. Ich fin­de aber schon, dass es ein sehr poli­ti­sches Album gewor­den ist, weil ganz vie­le Lie­der in ihrem Sub­text poli­tisch sind. Es gibt immer eine poli­ti­sche Ebe­ne. Lie­der wie "Abra­xas" haben zum Bei­spiel etwas mit Gen­tri­fi­zie­rung zu tun. Ein Lied wie "Kluk", bei dem es um die Fra­gen geht, ob wir nur Glück hat­ten oder uns etwas erkämpft haben und wie so etwas wie Chan­cen­gleich­heit funk­tio­niert, stellt viel­leicht sogar die Klas­sen­fra­ge. Es gibt Lie­der wie "Bang Bang", die sich mit toxi­scher Mas­ku­li­ni­tät aus­ein­an­der­set­zen. (kichert) Toxi­sche Mas­ku­li­ni­tät ist ein­fach ein wich­ti­ger Bau­stein in Nazizusammenhängen.

Panik Pan­zer: Für mich hat "Bang Bang" einen anti­fa­schis­ti­schen Unter­ton. (Geläch­ter)

Dan­ger Dan: Für mich ist die­se Plat­te eigent­lich ein anti­fa­schis­ti­sches Pam­phlet. (lacht) Nur, dass wir eben nicht furcht­bar paro­len­haft und klug sind, son­dern ein­fach, wie immer, sehr prä­zi­se und sehr geni­al. Und, wie heißt das noch mal? (über­legt) Wir gehen ins Detail! Und was ich auch noch sagen woll­te, ist, dass wir sehr beschei­den sind.

Kol­jah: Man kann sagen, wir sind in allem sehr gut. Aber unse­re größ­te Stär­ke, in der wir unschlag­bar sind, wirk­lich sehr gut: Das ist die Bescheidenheit.

MZEE​.com: Ich wür­de zum Abschluss ger­ne noch etwas Wich­ti­ges von euch wis­sen. Dan­ger Dan, auf "Wünsch dir nix" rappst du: "Wär' ich Möbel­stück, wär' ich ein Kel­ler­re­gal." – Wel­che Par­al­le­len siehst du zwi­schen dir und die­sem Möbel­stück? Und an Panik und Kol­jah: Mit wel­chen Möbel­stü­cken könnt ihr euch iden­ti­fi­zie­ren und warum?

Dan­ger Dan: Im Kel­ler­re­gal sind eigent­lich die wich­ti­gen Din­ge des Lebens drin, die man nicht weg­schmei­ßen kann, die einem wich­tig geblie­ben sind, die man aber auch nicht im Wohn­zim­mer haben will. Und ich muss sagen: Ich bin zwar beson­ders schön, aber trotz­dem nicht das größ­te Schmuck­stück. Mich hat noch nie jemand mit­ge­nom­men – zur 1LIVE Kro­ne. Außer­dem bin ich ein biss­chen ver­staubt und trei­be mich des Nachts oft in irgend­wel­chen dunk­len Kel­lern rum.

Kol­jah: Also, ich kann mich sehr gut mit einem Sche­mel iden­ti­fi­zie­ren. Ein Sche­mel ist halt irgend­wie da und kei­ner weiß ganz genau, wofür eigent­lich. Er steht rum, ver­lässt die Woh­nung nie und hat auch ein biss­chen 'was Alt­mo­di­sches. Aber sei­ne Rol­le ist unklar. Vie­le wis­sen gar nicht, was ein Sche­mel über­haupt sein soll. (lacht)

Panik Pan­zer: Ich, Panik Pan­zer, sehe mich eigent­lich als ein refur­bisht 60er Jahre-​Teakholz-​Sideboard, wie es sicher­lich auch Prinz Pi – und das muss man ihm las­sen, wirk­lich ganz ohne iro­ni­schen Unter­ton – in sei­ner sehr geschmack­voll ein­ge­rich­te­ten Woh­nung auf­stel­len würde.

Dan­ger Dan: Ich wäre aber übri­gens auch ger­ne ein 14.000 Euro-​Gasherd, falls ich zwi­schen­durch swit­chen dürfte.

MZEE​.com: Okay, gibt es dafür eine Begründung? 

Dan­ger Dan: Rein intui­tiv, aus dem Bauch her­aus. Deutsch­land soll­te eh auf mein Bauch­ge­fühl vertrauen.

(Stef­fen Bauer)
(Fotos von Kat­ja Runge)