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High Five

High Five: 12 /​ 19 – mit u.a. sookee, Disarstar & Credibil

"High Five" prä­sen­tiert Euch anhand der Kate­go­rien State­ment, Video, Song, Instru­men­tal und Line, was die MZEE​.com Redak­ti­on im letz­ten Monat in Sachen Deutschrap beson­ders gefei­ert hat. Die­ses Mal u.a. mit soo­kee, Dis­ar­star & Credibil.

Der Deutschrap­zir­kus ist ein umtrie­bi­ger Schau­platz. Zwi­schen all den Pro­mo­pha­sen und Album­ver­öf­fent­li­chun­gen kann man schon ein­mal den Blick fürs Detail ver­lie­ren. Des­halb stel­len wir jeden Monat an die­ser Stel­le die klei­nen, fei­nen High­lights vor, die abseits des Album-​Korsetts Beach­tung ver­die­nen. In den Kate­go­rien State­ment, Video, Song, Instru­men­tal und Line prä­sen­tie­ren unse­re Redak­teu­re hand­ver­le­se­ne Schmuck­stü­cke. Egal, ob nun ein beson­ders per­sön­li­cher Bezug, eine wich­ti­ge Mes­sa­ge oder ein run­des musi­ka­li­sches Gesamt­pa­ket den Anlass bie­ten. Hier wird ein tie­fer Ein­blick in ein­zel­ne Facet­ten der Rap­welt gebo­ten. Fünf Höhe­punk­te – klatscht in die Hän­de für unse­re "High Five"!

 

State­ment: sookee

Deut­scher Rap kann schön sein, span­nend, auf­re­gend und viel­fäl­tig. Das Gen­re – bezie­hungs­wei­se der gan­ze Zir­kus drum­her­um – kann aber genau­so ner­vig, unan­ge­nehm oder ein­fach nur ätzend sein. Und das nicht zuletzt für die Künst­ler selbst. soo­kee jeden­falls hat die Schnau­ze voll und das Ende ihrer Rap-​Karriere ver­kün­det. Ihr State­ment auf Face­book wirft ein­mal mehr ein Schlag­licht dar­auf, was schief läuft in der Musik­in­dus­trie, in der es "um Zah­len und Quan­ti­fi­zie­rung […] geht". Ihren Schluss­strich zieht sie aber nicht nur, um sich die­sen kapi­ta­lis­ti­schen Ten­den­zen zu ent­zie­hen. Sie tut es wegen ihrer geis­ti­gen Gesund­heit, "um in die­sem Busi­ness nicht am Ende des Tages viel­leicht für die gute Sache, aber gegen mich selbst zu arbei­ten". Die Rap­pe­rin spricht in ihrem State­ment offen über Depres­sio­nen, die sie im nie enden wol­len­den Kampf gegen das Unrecht immer stär­ker belas­tet haben. Sie gibt zu: "Unterm Strich ist es bei mir so, dass jeder Kampf im Außen zu Ter­ror im Innen führt." soo­kees Abschied ist ein muti­ger und zugleich trau­ri­ger Schritt. Mutig, weil sie offen mit ihrer geis­ti­gen Gesund­heit umgeht und den Schritt wagt, den Stress und Druck, der ihr ent­ge­gen­schlägt, eigen­mäch­tig zu been­den. Trau­rig, weil es zeigt, wie sub­ver­si­ve Künst­ler in der deut­schen Rap­sze­ne zer­mürbt wer­den. Und das, weil noch immer ein erschre­ckend lau­ter Anteil von Rap-​Hörern und Internet-​Usern auf sexis­ti­schen Rol­len­bil­dern beharrt und die­se auf toxischs­te Wei­se zu ver­tei­di­gen sucht.

 

Dis­ar­star - All die Jah­re [Prod. by Dasmo&Mania] (Offi­ci­al Video)

Video: Dis­ar­star – All die Jahre

Vor eini­gen Jah­ren war es noch üblich, dass man ein auf­wän­di­ges Musik­vi­deo gedreht hat, um auf einen Song auf­merk­sam zu machen. Wäh­rend in Zei­ten des Strea­mings jedes belie­bi­ge Musik­stück inner­halb von Sekun­den mit weni­gen Klicks abzu­ru­fen ist, nimmt die Moti­va­ti­on ab, das Maxi­mum an Auf­wand in die zuge­hö­ri­gen Ver­fil­mun­gen zu ste­cken. Aus­nah­men bestä­ti­gen jedoch die Regel. Sol­che Aus­nah­men kön­nen ent­we­der auf­wän­dig pro­du­zier­te Clips sein, die durch spek­ta­ku­lä­re Bil­der über­zeu­gen oder eben Kunst­wer­ke, die ande­re Qua­li­tä­ten auf­wei­sen. So zum Bei­spiel das aktu­el­le Musik­vi­deo zu "All die Jah­re" von Dis­ar­star. Der Song ist eine Art Brief des Künst­lers an sich selbst im Kin­des­al­ter. Pas­send zu den ruhi­gen Tönen wer­den in einem lang­sa­men Tem­po Sze­nen aus der ers­ten Stro­phe gezeigt, wie etwa geschil­der­te Panik­at­ta­cken oder das Ein­grei­fen des Jugend­amts in die Situa­ti­on im Eltern­haus. Anschlie­ßend sieht man, wie der Jun­ge die Hook mit­singt und durch Vintage-​Effekte unter­legt ein fil­misch per­fek­ter Über­gang zum heu­ti­gen Mann Dis­ar­star gezeigt wird. Die­ser trägt sei­nem jün­ge­ren Ich die zwei­te Stro­phe vor und besucht die Orte aus der ers­ten Hälf­te des Vide­os. Die so erzeug­ten Bil­der fan­gen die ruhi­ge und nach­denk­li­che Atmo­sphä­re des Songs per­fekt ein und las­sen den Zuschau­er an der Gefühls­welt des Prot­ago­nis­ten teilhaben.

 

Cre­di­bil - HIOB /​/​ prod. by LIA & Foos [Offi­ci­al Credibil]

Song: Cre­di­bil – Hiob

Cred­bil ist mit nach dem 2018 ver­öf­fent­lich­ten Album mit einer neu­en Sin­gle und lie­fert direkt ein ziem­li­ches Brett ab. Auf "Hiob" fun­giert ein ver­träum­ter, ein­gän­gi­ger, fast schon mini­ma­lis­ti­scher Beat als pas­sen­de Grund­la­ge. Der Rap­per setzt sich in den Lyrics dar­auf mit sei­nem Leben aus­ein­an­der und berich­tet davon, wie er immer wie­der aufs Neue vom Leid geprüft wird. Genau­so wie die bibli­sche Figur, die der Namens­ge­ber des Titels ist. Eben­so geht es aber um Hoff­nung und das Durch­hal­te­ver­mö­gen, das er durch sei­nen Glau­ben an Gott gewinnt. Der Song ist geprägt von ein­dring­li­chen Weis­hei­ten und Cre­di­bil reflek­tiert nicht nur sich selbst, son­dern auch die Sze­ne und Mensch­heit. Durch eine leicht melo­diö­se Beto­nung man­cher Rei­me und Flow­va­ria­tio­nen ver­leiht er dem Gan­zen an den pas­sen­den Stel­len Nach­druck. "Hiob" ist vor allem auf­grund der The­ma­tik des Glau­bens an Gott sehr eigen und mutig. Aber ins­ge­samt ist Cre­di­bils neu­es­te Sin­gle ein­fach ein beson­de­rer Song, in dem viel Per­sön­li­ches steckt und der unter die Haut geht.

 

Instru­men­tal: Oskar Hahn & Frank Schöp­ke – shades of summer

Oskar Hahn & Frank Schöp­ke haben es schon wie­der getan. Vater und Sohn ver­ei­nen ein wei­te­res Mal ihre Lie­be zum Jazz für ein Beat­tape. Und wie schon der Vor­gän­ger zeigt auch "Vater & Sohn 2", dass sich Oskars Lie­be zu Samples und das Saxophon-​Spiel sei­nes Vaters per­fekt ergän­zen. Ein pas­sen­des Bei­spiel dafür ist "shades of sum­mer": Der Beat beginnt sanft – mit einem lang­sa­men, hyp­no­ti­sie­ren­den Vocal-​Sample, bevor die Drums ein­set­zen. Nach die­sem Ein­stieg stei­gert sich das Gan­ze dann rela­tiv schnell, mehr Ele­men­te kom­men hin­zu. Ab und an hört man Frank eini­ge Töne auf dem Saxo­phon spie­len. Bis die Vocals wei­chen und das Gan­ze im letz­ten Drit­tel in einem furio­sen Fina­le mün­det: Das umfang­rei­che Saxo­phon­spiel und der Beat ver­schmel­zen zu einer star­ken Sym­bio­se, die ihres­glei­chen sucht. Und bevor das den bei­den jemand nach­macht, kann man sich hof­fent­lich auf vie­le wei­te­re "Vater & Sohn"-Platten freuen.

 

Pri­va­te Paul - Sta­tus­be­richt 2019

Line: Pri­va­te Paul – Sta­tus­be­richt 2019

Ist es zu viel ver­langt, auf Insta­gram, Face­book und Twitter …
In Foren und auf You­Tube unter Video­sin­gles vom ein­zi­gen Album
Nach fünf ver­fick­ten Jah­ren nicht nach 'Sta­tus­be­richt' zu fragen?

Zunächst mal: Die Iro­nie dahin­ter, aus­ge­rech­net dem Lied Auf­merk­sam­keit zu schen­ken, auf dem Pri­va­te Paul sich dar­über beschwert, dass eben­die­ses Lied Auf­merk­sam­keit bekom­men wird, ist mir durch­aus bewusst. Den­noch – oder gera­de des­halb – ist das wich­tig. Denn was der Emo­pun­krap­per mit die­ser Zei­le beschreibt, dürf­te jedem Künst­ler aus der See­le spre­chen, der nur auf ein bestimm­tes Lied, einen Style oder sonst ein Gim­mick redu­ziert wird. So dreht sich der Groß­teil von "Sta­tus­be­richt 2019" um das Gefühl, das sein gesam­tes Jahr und alle damit ver­bun­de­nen künst­le­ri­schen Ambi­tio­nen über­schat­tet. Das Gefühl, dass die Erwar­tungs­hal­tung der Fans zum sti­lis­ti­schen Kor­sett wird und man gefan­gen ist im Zwie­spalt, Sup­port­er nicht ent­täu­schen, sich gleich­zei­tig aber künst­le­risch ent­fal­ten zu wol­len. Aus­ge­rech­net jemand wie Pri­va­te Paul, des­sen Musik schon immer abseits der Norm und dem Vor­her­seh­ba­ren statt­fand, fin­det sich in genau die­ser Zwick­müh­le wie­der. Und dadurch wird demons­triert, dass das Pro­blem einer engstirnig-​konservativen Hal­tung gegen­über Kunst selbst in den ver­meint­lich auf­ge­schlos­sens­ten Sub­gen­res unse­rer Sze­ne besteht. Wol­len wir hof­fen, dass 2020 für Paul bes­ser läuft als in den fins­te­ren Momen­ten, die er auf "Sta­tus­be­richt 2019" beschreibt. R.I.P. an sei­ne Kat­ze an der Stelle.

(Flo­ri­an Peking, Micha­el Coll­ins, Dzer­ma­na Schön­ha­ber, Lukas Päck­ert, Dani­el Fersch)
(Gra­fik von Puffy Punchlines)
(Foto von Eylül Aslan)