"Was?! Du kennst das nicht? Sekunde, ich such' dir das mal raus." Und schon öffnet sich die Plattenkiste. Wer kennt diesen Moment nicht? Man redet über Musik und auf einmal fällt ein Name – egal ob von einem Song, einem Künstler oder einem Album – mit dem man nicht so recht etwas anzufangen weiß. Und plötzlich hagelt es Lobpreisungen, Hasstiraden oder Anekdoten. Gerade dann, wenn der Gesprächspartner ins Schwärmen verfällt und offen zeigt, dass ihm das Thema wichtig ist, bittet man nicht allzu selten um eine Kostprobe. Die Musik setzt ein und es beginnt, was der Person so sehr am Herzen zu liegen scheint. In diesem Fall – was uns so sehr am Herzen liegt: Ein Auszug aus der Musik, mit der wir etwas verbinden, die wir feiern, die uns berührt. Ein Griff in unsere Plattenkiste eben.
Auf den Ost-Berliner Liquit Walker bin ich 2012 aufmerksam geworden, als man ihn als neues Freunde von Niemand-Signing vorstellte. Nach der Trennung vom Label im Jahr 2013 verfolgte ich seine Musik lange nicht mehr, bis er sich 2017 mit seiner zweiten Platte "Trümmerkönig" zurück auf mein Radar rappte.
An der Musik von Liquit Walker schätze ich vor allem die Kombination aus ehrlichen Texten und authentischer sowie anspruchsvoller Vortragsweise mit rougher Stimme. Wo mich sein erstes Album "Unter Wölfen" nur in Ansätzen überzeugen konnte, trifft er mit "Trümmerkönig" ins Schwarze und spielt seine Stärken voll aus. Zeilen wie "Es ist einfach: Halt' dein Wort oder halt' die Fresse!" und "Ich war mein Leben lang nur so Straße, wie die Augen meiner Mutter es erlaubt haben." sind genau das, was ich hören möchte und womit ich mich identifizieren kann. Liq überzeugt mit einer Deepness, die den Pathos-Hahn gerade weit genug aufdreht, dass es nicht übertrieben wirkt, mich aber trotzdem mitreißt. Diese Tiefgründigkeit wird auf 15 Tracks mit einem gesunden Humor gepaart. So zeigt der Berliner auf "Tam Alman", dass man sich und insbesondere seine eigene Herkunft nicht immer so ernst nehmen muss – "wir sind alle dies und das, mach' mal halblang!". Außerdem gelingt ihm damit ein Song über das Deutschsein, für den man sich nicht schämen muss. Liquit Walker präsentiert sich mir insgesamt als greifbarer Mensch, dem ich vom ersten bis zum letzten Song abnehme, dass er seine Message an den Hörer bringen will. Diese Message ist gespickt mit Werten wie Ehrlichkeit, Geradlinigkeit und Offenheit – dahinter kann ich stehen.
"Trümmerkönig" ist ein Album, das in meiner Plattenkiste zwar nicht ganz oben liegt, aber auch nie den Weg bis ganz nach unten findet, da ich es in regelmäßigen Abständen immer wieder gerne herauskrame. Ich finde darauf Songs für jede Stimmung, weshalb es sich für mich um einen zeitlosen – und vor allem unterschätzten – Klassiker handelt.
(Michael Collins)