"Was?! Du kennst das nicht? Sekunde, ich such' dir das mal raus." Und schon öffnet sich die Plattenkiste. Wer kennt diesen Moment nicht? Man redet über Musik und auf einmal fällt ein Name – egal ob von einem Song, einem Künstler oder einem Album – mit dem man nicht so recht etwas anzufangen weiß. Und plötzlich hagelt es Lobpreisungen, Hasstiraden oder Anekdoten. Gerade dann, wenn der Gesprächspartner ins Schwärmen verfällt und offen zeigt, dass ihm das Thema wichtig ist, bittet man nicht allzu selten um eine Kostprobe. Die Musik setzt ein und es beginnt, was der Person so sehr am Herzen zu liegen scheint. In diesem Fall – was uns so sehr am Herzen liegt: Ein Auszug aus der Musik, mit der wir etwas verbinden, die wir feiern, die uns berührt. Ein Griff in unsere Plattenkiste eben.
Nach vergangenen Ausflügen in Richtung Belgien und in die Niederlande machen wir in der heutigen Plattenkiste mal wieder einen Abstecher Richtung Deutschland. Genauer gesagt nach München, wo die Crew Primatune – bestehend aus Fid Rizz, Pat Riot und DJ Judgement Ape – viele Jahre lang im Untergrund äußerst aktiv und quasi der Grund für den Kauf meiner ersten CD war. Denn vieles konnte man zwar schon damals streamen, aber deutsche Untergrund-Mucke war nur käuflich zu erwerben …
"Primatune. In your fucking face!" rappt Fid Rizz bereits auf dem ersten Track energiegeladen ins Mic. Genau das gibt es auf dem gesamten Debütalbum der drei: 100 Prozent rohen, vielseitigen Primatune-Rap direkt ins Gesicht. Sowohl Pat als auch Fid überzeugen mich noch heute mit ihren einzigartigen Flows und prägnanten Stimmen. So werden selbst die Representer- und Battletracks trotz ihrer Fülle nicht langweilig. Und dass sie auch außerhalb des Battleraps äußerst überzeugend sind, beweisen Primatune, wenn es um Tiefgründigeres geht. Wenn Songs etwa davon handeln, was den Protagonisten nicht alles für Gedanken auf dem Klo kommen oder wenn auf "Gift" Süchte besprochen werden. Klar, bei über 75 Minuten Spielzeit und der Vielfalt der Themen ist hier nicht immer alles inhaltlich hervorragend. Aber selbst, wenn es mal so obskur wie auf "Geheimnis" wird und Featuregast Duzoe die wohl verstörendste Hook bringt, die ich je von ihm gehört habe, stimmt eines immer: der Sound. Fid Rizz baut Beats, die abwechslungsreicher nicht sein könnten, aber dennoch stets eingängig und im Gesamtbild stimmig sind.
Wenn die drei Münchner im Pressetext von sich behaupten, sie machen "todernste Comedy", trifft es das ziemlich gut. "Primat City Music" begeistert mich mit seiner Vielseitigkeit und der nötigen Prise Primaten-Humor noch heute, selbst wenn es um ernstere Themen geht. Aber noch viel wichtiger: Egal, wie oft ich die CD in mein Autoradio lege, die Musik klingt stets zeitlos und bringt mich zum Kopfnicken.
(Lukas Päckert)