Kaum eine Szene hierzulande scheint so facettenreich zu sein wie die Deutschrapszene. Während es bereits jetzt schon fast unmöglich erscheint, jeden einzelnen, etablierten Vertreter zu kennen, steigt die Zahl neuer, noch unbekannter Künstler exponentiell weiter an. Den Überblick zu behalten, gleicht einer Herkulesaufgabe: Hat man sich ein Gesicht der HipHop-Hydra gemerkt, tauchen schon wieder mindestens zwei neue auf. Gleichzeitig ist es für unbekannte, junge Talente überaus schwer, aus der überwältigenden Masse an Musikern herauszutreten und sich einen Namen zu machen.
Beiden Seiten soll unser Mic Check eine Hilfestellung bieten. Rappern, die bisher noch in den Tiefen des Untergrunds untergegangen sind, eine Plattform geben, auf der sie sich kurz, aber prägnant präsentieren können. Und Hörern und Fans ermöglichen, sich einen schnellen Überblick über nennenswerte Künstler zu verschaffen, die sie bisher vielleicht noch gar nicht auf dem Schirm hatten.
MZEE.com: Du bist schon relativ lange als Künstler aktiv und rappst seit mindestens acht Jahren – aber wie und wann bist du HipHop erstmals begegnet?
BOYKOTTone: Tatsächlich fällt es mir schwer, das heute noch zu rekonstruieren. Ich bin mir aber sicher, dass es als Kind war. Damals war mir das Rapding ziemlich suspekt. Ich habe früher viel Punkrock gehört und fand die coolen HipHop-Typen ganz schön albern. Heute ist das zum Teil immer noch so, nur nicht mehr so ausgeprägt. (lacht)
MZEE.com: Wenn du aus all den Jahren einen einzigen Track wählen müsstest, um jemandem deine Musik zu präsentieren, welcher wäre das?
BOYKOTTone: Schwierig. Mir würden da eine Handvoll einfallen, die in Frage kämen. Einige Songs, die mir besonders viel bedeuten, sind nicht unbedingt die, welche auch besonders viel über mich aussagen. Oder sie zeigen nur eine bestimmte Facette. Manch ein Track ist superpersönlich und fällt voll raus aus dem, was ich sonst so gemacht habe. Auf seine Art ist er sehr besonders und steht für sich, repräsentiert mich aber eher weniger als Künstler. Der Faktor Zeit spielt sicher auch noch eine große Rolle und die Entwicklungsprozesse, die man in den Jahren durchlaufen hat. Vor sieben Jahren hätte ich die Frage deutlich einfacher beantworten können. Und mit Sicherheit hätte ich einen anderen Song genannt als heute. Mittlerweile würde ich "Kreidezeit" vom aktuellen Album "Kargland" wählen. Zum einen verrät er viel über meine Haltung und meinen Standpunkt. Er verrät, wo ich mich innerhalb der Rapszene verorte und wovon ich mich eher distanziere. Zudem macht er mir live total Spaß und ich bin mit der gesamten Umsetzung vom Text über die Produktion bis hin zum Video sehr zufrieden. Wenn Menschen neue Künstler kennenlernen, wollen sie gerne möglichst schnell kategorisieren, was ich prinzipiell schon mal kritisch sehe. Ich erwische mich aber auch regelmäßig dabei, wie ich in ein von Schubladen geprägtes Denkmuster verfalle. Aber wenn ich schon in einer Schublade landen muss, dann bitte in einer, die frei ist von homophoben und unreflektierten Typen, die meinen, es wäre ja nur Rap.
MZEE.com: Erst vor Kurzem hast du auf Facebook einen Track von dir gepostet, der jetzt schon sieben Jahre alt ist. Stehst du nach wie vor zu jedem Lied, das du je gemacht hast, oder gibt es einen Track beziehungsweise eine Zeile von dir, die dir mittlerweile unangenehm ist?
BOYKOTTone: Glücklicherweise entwickeln sich ja die meisten Menschen im Laufe ihres Lebens. Solche Entwicklungsprozesse gehen natürlich auch an mir nicht vorüber. Gerade auf meinem ersten Album "Angriff – die beste Verteidigung" waren einige Zeilen, die ich heute mit dem gewissen Abstand nicht mehr so sagen würde. An der Haltung im Wesentlichen hat sich nichts geändert. Sicherlich gibt es da den ein oder anderen Song, der mir mittlerweile etwas unangenehm ist. Aber das ist auch voll okay. Ohne diese Tracks würde es andere heute eventuell gar nicht geben.
MZEE.com: Deine Texte sind ja immer recht persönlich, nachdenklich und mit klarer politischer Haltung. Ist es auch diese, die du vermitteln willst, oder hat deine Musik eine andere Botschaft?
BOYKOTTone: Ich habe mit meiner Musik auf jeden Fall keinen Missionierungsanspruch. Auch wenn es für den ein oder anderen ein bisschen zeigefingermäßig rüberkommen mag. Ich behandle in meinen Songs in erster Linie Themen, die mich beschäftigen. Wir leben in einer Welt, die ungerechter und barbarischer kaum sein könnte. Ich mache nicht Musik, um die Welt zu verändern. Ich bin aber überzeugt davon, dass Musik Vieles schaffen und in Menschen etwas auslösen kann, was zumindest Reflexionsprozesse in Gang bringt. Doch auch das ist nicht ausschließlich der Motivationsmotor für mein Schaffen. Oft spielen autobiografische Zusammenhänge eine Rolle oder ich nutze diese Kunstform schlicht und ergreifend, um mich auszudrücken und nicht zuletzt natürlich, weil es mich erfüllt.
MZEE.com: Zum Schluss ganz generell: Was sind deine Ziele mit der Musik?
BOYKOTTone: Nach oben gibt es sicherlich keine Grenzen. Zum aktuellen Zeitpunkt bin ich, so pathetisch es auch klingt, glücklich damit, wenn ich den Menschen mit meinen Songs etwas geben kann. Wenn ich ein paar ausgefüllte Lebensjahre an vielen verschiedenen Orten verbringen kann. Und unterm Strich eventuell noch so viel hängen bleibt, dass ich es mir leisten kann, zumindest noch einige Zeit am Start zu bleiben.
Ein Exclusive von BOYKOTTone könnt Ihr Euch ab sofort auf dem YouTube-Channel von MZEE.com anhören:
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(Daniel Fersch & Lukas Päckert)
(Grafiken von Puffy Punchlines, Logo von KL52)
(Fotos von Batek 127)
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