Wenn es draußen langsam wieder kälter wird und sich das Jahr dem Ende neigt, blickt man selbst ja gerne mal zurück und lässt die vergangenen Tage Revue passieren. Wir möchten mit unserem diesjährigen Adventskalender einen Blick zurückwerfen – von heute bis hin zu den Anfängen von HipHop in Deutschland. Sprich: knapp ein Vierteljahrhundert deutscher Rap. Eine Szene, die Mitte der 90er unter anderem "direkt aus Rödelheim" kam, aus dem "Fenster zum Hof" kletterte, sich "vom Bordstein zur Skyline" aufschwang und "zum Glück in die Zukunft" reiste, um sich letztlich zwischen ein paar "Palmen aus Plastik" niederzulassen. Kein Element der hiesigen HipHop-Kultur dürfte in all den Jahren einen so gewaltigen Wandel, so viele Höhen und Tiefen, so viele Erfolge und Misserfolge durchlebt haben wie Rap. Genau diese Entwicklung innerhalb der letzten 24 Jahre möchten wir nun für Euch skizzieren, indem wir jedes Jahr anhand eines Albums darstellen, welches – unserer Meinung nach – nicht nur das entsprechende Veröffentlichungsjahr, sondern auch die Szene allgemein nachhaltig prägte.
2002: Kool Savas – Der beste Tag meines Lebens
Es ist Zeit, mach ein Kreuz in deinem Kalender.
Denn ich bin bereit, die Welt zu verändern wie der 11. September.
"Der beste Tag meines Lebens" gilt als wohl entscheidender Wegweiser für den musikalischen Werdegang von Kool Savas. Ohne dieses Debütalbum wäre er wahrscheinlich nicht der Künstler, der er heute ist. Den Nährboden dafür bot der zur damaligen Zeit florierende, von KKS und M.O.R. geprägte Berliner Battlerap, der vor allem durch seine harte und direkte Art polarisierte, aber den allgemeinen Durchbruch bis dato nicht eigenständig geschafft hatte.
Allein die Entstehung des Albumtitels wirft heute noch Fragen auf. So besagt der Mythos, dass Savas mit Curse das Kaiser-Wilhelm-Denkmal besuchte und voller Begeisterung den Producer Busy zurückrief, nur um zu sagen, er habe grade zum ersten Mal Glühwürmchen gesehen. Für KKS galt, so munkelt man, dieser Tag als der beste seines Lebens – und sollte deshalb als Fundament für seine gleichnamige Platte dienen. Diese hatte es dann auch akustisch in sich. Kool Savas zeigte schon in seinen jungen Jahren, dass er deutlich mehr Flows als die meisten seiner Kollegen liefern konnte. So spittete der gebürtige Aachener auf fast jedem Track anders, was schon recht einprägsam war. Hinzu kam seine lyrische Stärke, die zwar Anfang der 2000er noch nicht allzu facettenreich war, aber sich dennoch als stichfest und äußerst unterhaltsam behaupten konnte – seine Rhymes waren einfach on point. Es wurde deutlich, dass in SAV viel Potenzial steckte, es bedurfte lediglich noch des passenden Katalysators. Gefunden hat er diesen in der jungen Melbeatz, die gefühlt ihrer Zeit und den Producer-Kollegen um einiges voraus war. Drückende Baselines, klare Höhen und teilweise experimenteller Content vereinte sie zu einem Optik-typischen Soundbild. Mit "Keep it Gangsta" erschuf sie sogar einen G-Funk-Beat, der überzeugend regionale Musik international wirken lassen konnte, ohne dabei gestellt zu erscheinen. International war das Album aber ohnehin, da KKS es nicht nur schaffte, deutsche Größen wie Azad mit ins Boot zu holen, sondern auch Featuregäste wie den damals aufstrebenden Royce da 5'9" aus den USA.
"Der beste Tag meines Lebens" ist ein Monument für deutschsprachigen Rap, weil Savas es damit nicht zuletzt wegen seiner beeindruckenden Technik geschafft hat, Battlerap salonfähig zu machen. Er ebnete den Weg für eine neue Art von kommerziellem Sprechgesang hierzulande und war so auch richtungsweisend für einen Großteil nachfolgender MCs. Man könnte sagen, ab dem 04. November 2002 wollte jeder sein "wie S".
(Jan Menger)
(Grafik von Daniel Fersch)