Rap und Theater – wie geht das eigentlich zusammen? So recht kann man sich das nicht vorstellen, doch genau das hat CONNY in seinem Stück "Lieder über Lara" vereint. Eigentlich wollten wir uns mit dem Mitglied von Der Plot über seinen Bühnenwechsel und den Unterschied zwischen dem Verfassen eines Songtextes und eines Theaterstücks unterhalten – 30 Minuten waren angedacht. Am Ende schweiften wir völlig ab und unterhielten uns gut eine Stunde über sein erstes Stück als Autor, Feminismus, Romeo und Julia als schlechtes Beispiel für Romantik und seine musikalische Zukunft.
MZEE.com: Gemeinsam mit dem metropol Theater Köln ist "Lieder über Lara" im Stile eines Theaterstücks entstanden, das dort auch auf die Bühne gebracht wird. Hat dich das Theater schon länger gereizt? Was macht die Arbeit dort für dich aus?
CONNY: Ich habe vorher nicht fürs Theater geschrieben, aber es hat mich schon immer fasziniert. Ich mag am Theater diese Unmittelbarkeit – dass du dem Schauspieler direkt in die Augen schaust und seine Emotion siehst. Seine Emotion muss so echt sein, dass er sie in dem Moment, in dem er sie für dich spielt und das vielleicht auch schon zum zehnten oder zwölften Mal, wirklich fühlt, damit es funktioniert. Das hat immer eine große Faszination für mich ausgemacht. Vor allem, wenn man mal gute und weniger gute Stücke gesehen hat und den Unterschied erfährt. Mein Vater hat mich oft ins Theater mitgenommen und jetzt auch, seitdem ich eher alleine gehe, habe ich einfach viel Spaß daran. Als ich diese Idee für eine Geschichte hatte, wollte ich das direkt als Theaterstück umsetzen.
MZEE.com: Inwieweit warst du in die Umsetzung des Stücks involviert?
CONNY: Total stark. Ich war von Anfang an bei allen Proben dabei. Also, das Ganze ist in etwa so entstanden: Ich hatte die grundsätzliche Idee für das Theaterstück, als ich mit Elmäx eigentlich für Textideen gebrainstormt habe. Und dabei kam die Idee von einem Typen auf, der eine Party veranstaltet hat, auf der alle viel Spaß haben. Aber er wartet eigentlich nur auf eine Frau, die er wiedersehen möchte. Und das ist ja im Endeffekt die Story von "The Great Gatsby". Das war mir beim Brainstormen tatsächlich gar nicht so klar, aber je länger ich am Stoff gearbeitet habe, desto deutlicher ist mir das geworden. Die Idee hat mich dann sofort gepackt und ich habe zu Max gesagt, dass ich da mehr draus machen möchte als nur einen Song. Dann habe ich so ein bisschen diese Idee entwickelt und hab' Mareike Marx, der Leiterin vom metropol Theater, davon erzählt und ihr gesagt, dass ich Lust hätte, ein Theaterstück zu machen. Sie sagte dann, dass sie auch Lust hätte, dieses Projekt mit mir zusammen zu entwickeln. Ich habe daraufhin das Stück richtig wie ein Drehbuch geschrieben. Wir haben uns zwischendurch immer wieder getroffen und sie hat mir Feedback gegeben. Als dann das fertige Drehbuch stand, haben wir uns einen Regisseur und Schauspieler gesucht und haben dann angefangen, die Szenen, die ich geschrieben habe, auf die Bühne zu bringen. Das war dann auch der Punkt, an dem ich meinen eigentlichen Job gekündigt habe, weil ich gemerkt habe, dass das schon ein ganzes Stück Arbeit werden würde. Das wäre ansonsten auch in der Form nicht möglich gewesen. Ich hätte es nicht betreuen können. Und dann war ich zwei bis drei Mal die Woche von 10 bis 16 Uhr da und habe die ganzen Szenen begleitet. Der Regisseur hat die Szenen inszeniert und wir haben gemerkt, an welchen Stellen was fehlt oder wo man etwas nachjustieren muss. Also, letzten Endes, wenn du das Stück besuchst, dann siehst du zwar eine Entwicklung im Vergleich zu dem, was ich ursprünglich geschrieben habe, aber dennoch ist der Großteil der Texte von mir.
MZEE.com: Es muss ja total spannend für dich gewesen sein, komplett neu in diese Welt einzusteigen.
CONNY: Absolut, das ist eine ganz besondere Erfahrung für mich gewesen. Allein zu sehen, wie ein Regisseur arbeitet und wie er die Schauspieler inszeniert. Als jemand, der Spaß an Theater, Film oder generell an darstellender Kunst hat, mitzubekommen, wie Emotionen inszeniert werden, wie Sprache inszeniert wird … Ich bin ja selber darstellender Künstler. Was ich auf der Bühne mache, hat ja auch was damit zu tun. Im Rap gibt es immer diese Authentizitätsdebatte und es geht immer darum, deinen Text auch zu fühlen. Aber ich habe für mich immer schon dieses theatermäßige Gefühl auf der Bühne erlebt, weil ich ja letzten Endes trotzdem meine Gefühle häufig übertreibe, um sie poetisch darzustellen. Das ist ja der poetische Moment, wenn Sachen mit Metaphern ausgeschmückt werden, wenn ein bisschen Pathos dazukommt und Gefühle noch mal intensiver und krasser ausgelebt werden. Und das ist auch das, was im Theater passiert ist. Das war sowohl für mein eigenes Darstellen auf der Bühne interessant als auch als Fan dieses Theaterformats.
MZEE.com: Welche Leute besuchen das Theaterstück? Sind das teilweise auch Plot-Fans, die extra wegen dir hinkommen?
CONNY: Ja, da gab es schon ein paar außergewöhnliche Momente, wo Leute extra aus Hamburg oder Stuttgart gekommen sind, sich ein Hotel nehmen, das Stück anschauen und am nächsten Tag wieder nach Hause fahren. Das ist schon krass und da bin ich auch super happy, dass wir so Hardcore-Fans haben. Auf der anderen Seite haben wir aus Köln sehr gemischtes Publikum. In Köln gibt es sehr viele kleine, freie Theater, wodurch es auch ein großes Publikum mittleren Alters, so will ich es mal nennen, gibt. Es sind aber auch junge, unter 20-jährige Leute da, die einfach von der Thematik angetan sind, weil es ja auch viel um Online-Dating und Tinder – also moderne Romantik – geht. Dann hat man mit deutschem HipHop natürlich eine der angesagtesten Musikrichtungen überhaupt, was für junge Leute natürlich auch superinteressant ist. Wir haben bisher neun Vorstellungen gespielt und ich kann echt nicht sagen, dass es eine Hauptzielgruppe gibt.
MZEE.com: Hat sich deine Herangehensweise an die Songs geändert? Gerade im Hinblick darauf, dass ja nicht nur Rap-affine Leute im Publikum sitzen.
CONNY: Es war ganz anders, diese Songs zu schreiben, als in meinem normalen Prozess, aber ich muss ganz ehrlich sagen, dass ich nicht wirklich auf die Zielgruppe geachtet habe. Ich glaube, dass wir mit dem Plot auch schon immer Songs gemacht haben, die Wert auf Sprache und Themen gelegt haben. Ich hatte nicht das Gefühl, dass ich mich jetzt irgendwie mit meinen Schimpfwörtern zurückhalten muss, weil das eh nie Teil meiner Musik war. Es ist aber so anders, wenn man aus einer anderen Persona, einem Alter Ego einen Text schreibt, als wenn ich mich hinsetze und aus meinen eigenen Gefühlen und Erfahrungen versuche, einen Song zu machen. Als ich die Songs geschrieben habe, hatte ich schon zu 60 bis 70 Prozent des Stücks geschrieben und wusste, in welcher Szene Louis (Anm. d. Red.: der Protagonist des Stücks) welche Gefühle empfindet. In einer Szene kommt er gerade aus einer Situation, in der er sich gestritten hat, in einer anderen Szene ist er verzweifelt … Und dann habe ich gesagt: Er hat dieses Gefühl, er ist diese Person und würde jetzt das und das sagen. Sonst, wenn ich einen Song mache, der von mir privat kommt, dann denke ich auch noch mal ganz anders über die Aussagen nach. Möchte ich diese private Aussage auf YouTube stellen oder möchte ich sie nach außen tragen? Kann ich das sagen? Ist das vielleicht peinlich? Würde ich das vielleicht zu meiner Freundin abends im Bett sagen, aber auf keinen Fall auf einer Bühne? Diese Fragen stellen sich eben nicht, weil diese Person komplett meinem Kopf entsprungen und fiktiv ist. Das hat mir an vielen Stellen einen großen Freiraum gegeben. Ich hatte auch das Gefühl, dass die Songs schneller entstehen konnten, weil ich nicht das Paket meines Privatlebens mitgezogen habe.
MZEE.com: Und an welcher Stelle hast du gemerkt, dass dort besser ein Song passt, anstatt die selbe Thematik schauspielerisch darzustellen?
CONNY: Das ist eine gute Frage. (überlegt) Also, an manchen Stellen war es sehr praktisch gedacht. Manchmal gab es tatsächlich einen Sprung, der in meinem Kopf schlüssig war, weil ich wusste, wo sich der Charakter befindet. Zwischen Akt zwei und Akt drei gibt es einen größeren emotionalen Sprung. Mein Protagonist ist am Anfang ganz euphorisch und glaubt, dass er diese Lara-Person finden kann. Die EP fängt ja mit dem Song "Gatsby" an und er ist so ein überheblicher Typ, der sehr von sich überzeugt ist. Er glaubt halt: "Mir gehört die Welt, ich kann diese Liebe zu meiner eigenen machen." Das Ganze wird aber über das Stück verteilt immer weniger und er erkennt, dass er das Ganze doch nicht so in der Hand hat. Und ich hab' gemerkt, dass es an manchen Stellen so einen Sprung in der Emotionalität gibt – von selbstbewusst wird es zu unsicher, wird es zu Zweifeln, wird es zu verzweifelt. Die Songs haben im Stück eine helfende Rolle für den Zuschauer, die emotionale Transformation besser nachvollziehen zu können. Das hilft total, weil ich in meinen Augen in einem Song viel emotionale Transformation vermitteln kann, für die ich vielleicht zehn Minuten spielen müsste. Klar kann man das auch alles darstellen, aber das ist einfach eine andere Art und Weise. Und ich finde es sehr erfrischend, mitzubekommen, wie man so eine Stimmung plötzlich pflanzen kann. Mal ein konkretes Beispiel: Es gibt nach 45 Minuten eine Pause im Stück und der erste Teil endet, wenn sich Louis und Lara wirklich nahekommen. Der zweite Teil beginnt dann mit dem Song "Vom Vergessen", der eine sehr melancholische Stimmung hat. Am Ende des ersten Teils ist eine richtig gute Stimmung im Saal, weil wir vorher auch ein paar Lacher drin haben. Die Zuschauer gehen gut gelaunt in die Pause, trinken sich ihren Rotwein und setzen sich dann wieder hin. Es ist schwarz und dann fängt dieses Klavier-Intro von "Vom Vergessen" an, ich performe den Song und man merkt, wie die Leute ihren Atem anhalten, weil sie sich denken: "Okay, was ist passiert?" Die Stimmung kippt innerhalb von drei Minuten und das finde ich immer wieder sehr beeindruckend, wie dieses Element der Musik an dieser Stelle die Stimmung des Zuschauers auch komplett mitnehmen kann. Das finde ich dramaturgisch superinteressant und das ist auch die Rolle, die die Songs so einnehmen.
MZEE.com: Wie reagiert dann das Publikum? Wie ich das verstehe, spielen die Schauspieler ihren Part. Dann gibt es einen Break von Schauspiel zu Musik und du kommst auf die Bühne, oder?
CONNY: Während die Schauspieler spielen, bin ich auch teilweise auf der Bühne sichtbar. Ich habe eine kleine, nicht sprechende Rolle in dem Stück – und zwar bin ich der Barkeeper auf den Partys. Das ist eigentlich eine ganz sympathische Möglichkeit, mich als stumme Rolle unterzubringen, ohne dass alle jedes Mal abgehen müssen, wenn ein Song kommt.
MZEE.com: Das hatte ich mir nämlich erst gedacht, dass es da einen radikalen Schnitt gibt. Aber so ist das ja sehr gut gelöst.
CONNY: Total. Am Anfang hat Louis einen Monolog und man weiß noch nicht genau, wo die Reise hingehen wird. Und dann fängt das Vocal-Sample des Songs "Gatsby" an und jemand kommt auf die Bühne, steht 30 Zentimeter vor einem und rappt. Ich glaube, Leute, die nicht wissen, dass in dem Stück gerappt wird, fragen sich erstmal: "Oha, wer ist er jetzt? Was passiert denn hier?" Aber das ist geil. Dieses kurze Irritationsmoment mag ich gerne. Es macht Spaß, in die Gesichter der Leute zu schauen und deren Reaktion zu sehen. Aber spätestens nach dem dritten oder vierten Song wissen sie, dass das ein Stilelement ist und dazugehört.
MZEE.com: Du hast dich ja jetzt auch als Autor selbstständig gemacht. Stehen weitere Projekte an?
CONNY: Genau, ich hab' meine vorherige Arbeit vorerst aufgegeben und ich möchte mich jetzt wirklich mal eine längere Zeit aufs Schreiben konzentrieren. Durchaus auf Musik, aber auch auf andere Sachen. Es ist gar nicht ausschließlich Theater, was ich fokussieren möchte. Ich hab' einfach grundsätzlich Spaß am Textschreiben. Ich hab' tatsächlich auch eine weitere Idee für ein Theaterstück und mit meiner Verbindung zum metropol Theater halt eine sehr gute Plattform. Aber ich hab' auch richtig Bock, mal ein Buch zu schreiben – das kann alles sein. Ein Sachbuch, ein Roman oder auch eine Novelle.
MZEE.com: Gibt es denn sozialkritische oder politische Themen, denen du dich annehmen möchtest?
CONNY: Als ich die Entscheidung getroffen habe, meinen Job aufzugeben und mich der Kunst zu widmen, hatte ich das Gefühl, dass die weiteren Sachen, die ich schreibe, eine politische Komponente haben sollen. Ich merke, dass das in meiner persönlichen Einstellung immer wichtiger wird. Es wurde ja auch in letzter Zeit viel über künstlerische Verantwortung diskutiert. Auch über Kunstfreiheit, vor allem im Rahmen der Geschichte um Kollegah und Farid Bang mit dem Echo. Da habe ich viel drüber nachgedacht und möchte das zumindest für mich persönlich so beantworten, dass ich eine gewisse Verantwortung habe. Ich bin sehr privilegiert, dass ich das machen kann. Es kann sich ja auch nicht jeder leisten, seinen Job in einer deutschen Großstadt zu kündigen, wo die Lebenshaltungskosten nicht unerheblich sind, sich erst mal anderthalb Jahre hinzusetzen und einfach zu schreiben. Was die politische und soziale Schiene angeht, beschäftige ich mich gerade viel mit dem Feminismus. Und ich möchte das sehr gerne thematisieren und noch weiter in meine Kunst einbringen. Ich arbeite auch schon länger an einem Konzept für ein neues musikalisches Release, indem ich mich mit feministischen Themen auseinandersetzen möchte.
MZEE.com: Kannst du schon konkreter etwas darüber sagen, wie du diesen Feminismus einfließen lassen möchtest?
CONNY: Beim Feminismus denken eigentlich immer alle, dass es ausschließlich um Frauen und Frauenrechte geht. Für mich ist aber die wichtigste Erkenntnis aus meiner Auseinandersetzung damit, dass es darum geht, grundsätzlich von Geschlechterrollen wegzukommen. Also, erst mal von Geschlechterrollen, aber grundsätzlich davon, dass Menschen Rollen aufgrund ihrer Sexualität, ihrer sozialen oder geografischen Herkunft und ihrer körperlichen Dispositionen annehmen. Ob behindert oder nicht behindert, ob sie groß oder klein sind – wie auch immer. Da wird superviel soziale Rolle auf Menschen aufgedrückt und der Feminismus kämpft dafür, dass wir uns von diesen Rollen freimachen. Ich möchte versuchen, in meiner Musik diese Rollen und die ganz klassischen Ideen, die wir in der Gesellschaft mit uns bringen und mit denen wir sozial interagieren, aufzubrechen. Musik zum Beispiel ist extrem gegendert und funktioniert komplett in Geschlechterrollen. Die meiste Musik, die ich so mitbekomme, ist immer heterosexuell. Liebe funktioniert in Popsongs meistens auf diesem "Starker Mann, schwache Frau"-Prinzip. Der Mann hat diese "Tut mir leid, aber ich bin so"-Attitüde und es wird das Argument bemüht, dass es in der Biologie des Mannes oder der Frau liegt, sich auf eine bestimmte Art und Weise zu verhalten. Ich hab' das Gefühl, dass sich gerade total viel bewegt. Feministische Bewegungen wie zum Beispiel #metoo werden sehr stark thematisiert, aber auch im Kleinen passiert viel. Ich denke da an Sachen wie die Art und Weise, wie wir schreiben. Du hast ja bestimmt schonmal von Gender-Sternchen oder Gender-Unterstrich gehört. Diese Sachen passieren alle und es wird viel darüber diskutiert. Manche sagen, es sei unnötig, die anderen sagen, dass sowas wirklich ein tiefergehendes Denken und Denkstrukturen repräsentiert. Ich möchte versuchen, sowas langsam mal in der Popmusik unterzubringen, weil ich finde, dass Popmusik manchmal extrem mittelalterlich ist, was solche Ideen angeht. Wir konsumieren das aber so viel, dass es uns notwendigerweise prägen muss. Ich habe in Songs auch ganz lange diese Art von Bestätigung gesucht, sodass ich es selber total romantisch fand, so einen Song zu schreiben, der eben aussagt: "Babygirl, du bist die Frau für mich, weil du zu Hause sitzt, während ich, der nie zufriedene Künstler, im Regen um die Häuser ziehe und über dich nachdenke." Ich hab' für mich gemerkt: Letzten Endes reproduzieren wir immer nur die Rolle. Aber was kann ich als Künstler machen, wenn ich da ausbrechen will? Wie kann ich das ändern? Ich hab' ein paar Ideen, die ich machen will, und bin gespannt, wie das funktioniert.
MZEE.com: Wer da zurzeit total mit bricht, ist Sam Vance Law. Er ist zwar kein Rapper, hat aber ein Album rausgebracht, das "Homotopia" heißt und auf dem er Liebeslieder aus einer homosexuellen Sicht schreibt. Kennst du ihn?
CONNY: Nee, bisher noch nicht. Aber es gibt zum Beispiel auch von Frank Ocean im Zuge seines Outings einen Song, der "Forrest Gump" heißt. Vorher hat Frank Ocean ja auch Songs als männlicher Protagonist über Frauen gemacht – in dem Song singt er dann aber als Mann über einen Mann. Und das sind auch Sachen, mit denen ich mich beschäftige. Wie kann ich mich als heterosexuelle Person damit auseinandersetzen? Welche Möglichkeiten habe ich als Künstler, das zu brechen? Ich könnte natürlich einen homosexuellen Protagonisten für meinen Song schreiben, der diese Worte sagt, aber das müsste ich für mich auch erst einmal bauen. Das habe ich halt noch nie gemacht. Ich würde jetzt kein ganzes Album daraus machen, aber das sind so Fragen, mit denen ich mich beschäftige.
MZEE.com: Hierzulande hat da Juicy Gay natürlich einen Stein ins Rollen gebracht.
CONNY: Ja, das ist sehr interessant und super, dass diese Sachen passieren. Man merkt natürlich, dass es einen nicht unerheblichen Backlash gibt. Im Feminismus wird häufig gesagt, dass wenn der Backlash stark ist, es nur zeigt, wie tief verwurzelt diese Gefühle sind, wenn man plötzlich anfängt, damit zu brechen. Das heißt also, je stärker der Hass ist, den du dafür bekommst, desto mehr Bestätigung hast du, wie wichtig es ist oder was für ein grundsätzliches Thema du angesprochen hast. Das find' ich auch ziemlich krass. Mit meinem Projekt will ich hinterfragen, wie man über Sachen spricht – also, nicht nur den Inhalt, sondern vor allem die Sprache. Ich hab' letztens einen Text geschrieben und eine Zeile reingeschrieben, die ungefähr sowas sagte wie: "Alle wollen in der Kirche, aber wir heiraten an einem anderen Ort." Und plötzlich war dieses Heiraten in meinem Text drin. Und das sind so Dinge, die ich eigentlich nicht mehr haben möchte. Das ist zwar seit Neuestem gleichgeschlechtlich möglich, aber mit der kirchlichen Heirat ist ja impliziert, dass es eine heterosexuelle Verbindung ist, weil Schwule oder Lesben nicht in Kirchen heiraten können. Eigentlich versuche ich eine Sprache zu finden, die sowas nicht transportiert, aber plötzlich hatte ich das im Text. Das ist einfach so im Kopf drin. Das finde ich total interessant zu merken, wenn ich einen Text schreibe: An welcher Stelle wird es überhaupt offensichtlich, um was für eine Beziehung es sich hier handelt? Also, wann wird deutlich, dass ein Mann mit einer Frau redet, und kann ich das auch irgendwie rauslassen? Kann ich sozusagen genderneutral schreiben?
MZEE.com: Das ist natürlich schon spannend, weil es ein total schmaler Grat ist, den du da betrittst.
CONNY: Absolut. Und es ist auch ziemlich schwierig. Wenn ich jemandem diese Zeile zeigen würde, würde der sich vermutlich auch nicht mal an den Worten Trauung, Kirche und Heirat stören, sondern vielleicht an ganz anderen Stellen. Guck mal – Ali As und MoTrip haben mit "Ja" gerade einen ganzen Song darüber gemacht. Ich bin halt gerade in so einem Moment, in dem ich mich mit sowas beschäftige – und dann fällt einem sowas natürlich noch viel deutlicher auf. Ich störe mich quasi an einer Zeile und jemand hat einen kompletten Song darüber. Es ist halt da. Die meinen das ja auch nicht böse – die denken da einfach nicht dran. Es ist ja auch unsere Realität in einer gewissen Art und Weise. Das ist für mich auch eine interessante Sache am Feminismus: Versuche zu hinterfragen, was für dich alltäglich ist. Was du jeden Tag machst, wie du jeden Tag mit deinem Partner oder deiner Partnerin redest, wie du dich verhältst oder wie du dich anziehst. Und wenn man sich dann selbst anfängt zu hinterfragen, dann wird es für mich interessant. Das finde ich für mich persönlich einfach spannend, mich selbst zu beobachten. Was ich für einen Song schreibe, um zwei Tage später wieder drüberzulesen und zu sehen: "Ah ok, hier bist du ein Macho, da willst du sie so und so rumkriegen und da sagst du Floskeln, die man eben so sagt." Die passen auch alle in den Song, aber will ich die da überhaupt haben? Brauche ich die überhaupt?
MZEE.com: Aber du hast sie ja in "Lieder über Lara" absolut verarbeitet. Da geht es ja um Louis und Lara – du reproduzierst diese Rollen also auch …
CONNY: Das ist korrekt. Was das Thema "Heterosexualität" angeht, bin ich bei dem Stück erst mal absolut schuldig. Ich würde gerne sagen, dass es ein feministisches Stück ist, weil ich gerade voll auf dem Trip bin, aber das kann ich gerade nicht behaupten. Es gibt aber ein paar Aspekte im Stück, die mir auch sehr wichtig waren. Lara lässt Louis zum Beispiel auflaufen. Dafür müsste man aber das Stück sehen. Auf der EP ist es nur seine Perspektive, die der Zuhörer mitbekommt – und das ist die, dass sie sich nicht mit ihm treffen will und er nicht an sie rankommt. Aber wenn man das Stück sieht, sieht man auch ihre Perspektive und es ist von ihrer Seite eine ganz bewusste Entscheidung gegen ihn. Das ist auch einer meiner Lieblingsmomente im Stück, wenn sie den Monolog auf der Bühne hält, in dem sie sich von diesem übergriffigen "Ich will, dass du mir gehörst" freimacht. Und ich finde, das hat durchaus einen feministischen Aspekt. Und wenn du mal die Songs hörst, dann achte bei "Pflaster" drauf, ob du dabei sagen könntest, dass ein Mann mit einer Frau spricht oder es vielleicht gar nicht so deutlich ist. In dem Kontext der EP stellt sich die Frage natürlich nicht und es gibt auch Songs auf der EP, in denen ganz deutlich ist, welches Geschlecht gerade Subjekt ist und welches Objekt, weil ich es da nicht so konsequent durchgezogen habe. Da war das nicht der Fokus. Aber bei "Pflaster" ist das Geschlecht irrelevant. Und das ist dir nicht mal aufgefallen – voll geil!
MZEE.com: Ich habe ein kurzes Zitat für dich, um noch mal auf das Theater zurückzukommen: "Ein Dramatiker stirbt heute nicht einmal, sondern mehrmals, umgebracht von den Regisseuren seiner Stücke." Konntest du dich zu hundert Prozent in der Arbeit entfalten oder gab es Einschnitte, die du dulden musstest?
CONNY: Also, da rennst du bei mir offene Türen ein. Eine Sache, an die ich häufig denken muss … Mit einer der Schauspielerinnen saß ich mal nach einer Probe in der Bahn und ich meinte zu ihr: "Oh nein, jetzt hat der mir auch noch diese Stelle gestrichen." Und sie meinte darauf so: "Kill your darlings." Sie meinte das, glaube ich, so, dass du, wenn du etwas rausgibst, mit Kritik konfrontiert wirst und nicht alle das so feiern, wie du es dir in deinem stillen Kämmerlein ausgedacht hast. Ich musste schon einige Stellen gehen lassen, aber ich glaube, dass du, wenn du keine One-Man-Show machen willst, damit klarkommen musst, dass sich Sachen auch verändern. Und ich kenne das aus dem Bandgefüge. In der Band waren wir ja immer zu fünft und wenn ich meinen 16er präsentiert hab', dann war da nicht nur der Max, sondern auch die anderen Jungs. Unser Drummer Dominic ist da das beste Beispiel, da er extrem auf den Flow achtet und weniger auf den Text. Andere Leute achten auf andere Dinge und ich finde, auch wenn es im ersten Moment total weh tut und man einen kleinen Tod stirbt – um da dein Zitat zu nehmen –, dass es am Ende immer produktiv ist. Mir hat bei der Arbeit nie jemand versucht, einen Stein in den Weg zu legen.
MZEE.com: Auf der EP beschreibst du auch den Zustand vom Verliebtsein in das Verliebtsein. Was, denkst du, ist das Schwierigste daran, sich das selbst einzugestehen? Ist es überhaupt nötig, dass man das tut?
CONNY: Vielleicht liegt das an meinem Umfeld – ich bin ja mittlerweile auch schon 31 –, aber in meinem Freundeskreis hatte ich oft das Gefühl, dass viele jetzt auch dringend diese Beziehung haben wollen, die es dann auch wird. Die haben dann so alle zwei Wochen neue Personen angeschleppt, sodass ich mir dann gedacht habe: "Ey, du willst es einfach nur so dringend. Man merkt so krass, dass du da einfach was forcieren willst." Und dann ist da immer diese Idee, dass man einen Partner braucht, um komplett zu sein. Leute haben mir tatsächlich eine Checkliste gezeigt, von der sie immer gesprochen haben. Da steht drauf, wie der Partner sein muss. Dieses Verliebtsein ins Verliebtsein ist halt auch oft aus so einem unbedingten Willen heraus. Eigentlich will ich verliebt sein und gar nicht diese andere Person. Ich will ein Bild sein, dieses #couplegoals auf Instagram. Und ich glaube, es ist total schwierig, sich einzugestehen, weil es einfach Arbeit ist, mit einem Menschen zusammen zu sein und eine Beziehung zu führen. Zusammen wohnen und ständig miteinander zum Beispiel über die Gefühle zu reden, ist halt Arbeit und oft auch unangenehm. Für viele Menschen ist das, glaube ich, der schwierigste Moment, einzusehen, dass Liebe kein Ding ist, das von alleine funktioniert. So nach dem Motto: "Wenn wir uns lieben, dann ist auch alles andere einfach." Das ist eine Sache, die häufig kolportiert wird, aber meiner Meinung nach ist das nicht so. Ich will gar nicht sagen, dass Liebe nur negativ ist, aber es ist eben mit superviel Arbeit verbunden. Und ich habe das Gefühl, dass man das bei diesen ganzen Bildern nicht sieht. Oder man sieht mal eine RomCom, die zum Ende hin noch kurz einen Konflikt darstellt, den die beiden dann auf magische Weise doch lösen, und dann sind sie für den Rest des Lebens glücklich. Nur weil du glauben kannst, dass du verliebt bist, heißt das ja noch lange nicht, dass es am Ende "Romeo und Julia"-mäßig wird. Romeo und Julia ist der größte Fake, den es gibt. Die kommen ja gar nicht zusammen. Romeo und Julia unterhalten sich einmal am Balkon und bringen sich dann beide um. Wie ist es eigentlich gekommen, dass dieses Paar das Wahrzeichen der Romantik geworden ist, obwohl die nicht mal länger als 15 Minuten zusammen waren?
MZEE.com: Jetzt hast du oft gesagt, dass du wieder eigene Musik machen willst. "Interrobang" mit dem Plot ist auch schon drei Jahre her und es wurde sehr ruhig um euch. Habt ihr in der Zwischenzeit an neuer Musik gearbeitet?
CONNY: Wir haben tatsächlich voll viel Musik gemacht. Ich habe letztens mal nachgezählt und wir haben rund 30 Skizzen angefangen. Was uns ganz stark gefehlt hat, war eine Richtung. Nach jedem Album hat man uns vorgeworfen, dass kein roter Faden da ist – und das war auch nach "Interrobang" mal wieder der Fall. Daraufhin haben wir einfach angefangen, Musik zu machen, und gehofft, dass sich dieser rote Faden einfach ergeben wird, aber das hat er nicht. Dadurch haben wir viel Musik gemacht, aber wussten nicht, in welchem Rahmen wir das rausbringen. Wir hätten Singles machen können, aber früher wären die halt einfach verpufft. Wir haben jetzt aber tatsächlich einen Rahmen gefunden und einen Arbeitstitel für ein neues Release. Vor Kurzem haben wir den ersten Song dafür aufgenommen. Und ich bin auch nach wie vor sehr überzeugt davon. Wir wollen auch politischer werden, weil wir vorher auch immer recht unpolitisch waren. Gerade sieht es jedenfalls besser denn je aus, dass demnächst wieder ein paar Plot-Sachen rauskommen.
(Sam Levin)
(Fotos von Christian Wasenmüller)