Wenn es draußen langsam wieder kälter wird und sich das Jahr dem Ende neigt, blickt man selbst ja gerne mal zurück und lässt die vergangenen Tage Revue passieren. Wir möchten mit unserem diesjährigen Adventskalender einen Blick zurückwerfen – von heute bis hin zu den Anfängen von HipHop in Deutschland. Sprich: knapp ein Vierteljahrhundert deutscher Rap. Eine Szene, die Mitte der 90er unter anderem "direkt aus Rödelheim" kam, aus dem "Fenster zum Hof" kletterte, sich "vom Bordstein zur Skyline" aufschwang und "zum Glück in die Zukunft" reiste, um sich letztlich zwischen ein paar "Palmen aus Plastik" niederzulassen. Kein Element der hiesigen HipHop-Kultur dürfte in all den Jahren einen so gewaltigen Wandel, so viele Höhen und Tiefen, so viele Erfolge und Misserfolge durchlebt haben wie Rap. Genau diese Entwicklung innerhalb der letzten 24 Jahre möchten wir nun für Euch skizzieren, indem wir jedes Jahr anhand eines Albums darstellen, welches – unserer Meinung nach – nicht nur das entsprechende Veröffentlichungsjahr, sondern auch die Szene allgemein nachhaltig prägte.
2001: Curse – Von Innen nach Außen
Rap war immer schon tiefste Emotion und der Rest sind Lügen.
Zwischen 2000 und 2001 war deutscher Rap zum ersten Mal im Mainstream angekommen. In der Öffentlichkeit herrschte von diesem Zeitpunkt an jedoch noch lange die weitverbreitete Meinung, dass es sich bei HipHop lediglich um das niveaulose Gestammel der prolligen Unterschicht handele. Curse lieferte mit seinem zweiten Album "Von Innen nach Außen" das "Gegengift" dazu.
Derart tiefsinnige Texte, wie es sie auf dem zweiten Album des Mindeners zu hören gibt, waren für einen Rapper, der es in die Top Ten der Charts schaffte, bis dato ungehört. Curse' lyrische Qualitäten nimmt man nach wie vor auf jedem einzelnen Track wahr. Bereits der Opener "Denk an mich" und das hymnische "Soulmusic" untermauern, mit welchem Selbstverständnis hier Rap gemacht wurde, der weitaus mehr sein will als stumpfes Angeben und Unterhalten. Auf dem über 75 Minuten langen Werk gibt es neben allerlei Nachdenklichem sowie Oden an Frauen, Freunde und Familie auch Storytelling und brachialen Battlerap zu hören. Ob Curse dabei auf butterweichen Beats über seinen persönlichen Struggle rappt oder mit Tone und Azad um die Wette flext – immer stecken die Texte voller Metaphern und wohldurchdachter Bilder. Die Lyrics sind jedoch nur ein Grund, warum das Album bis heute nichts von seiner Faszination eingebüßt hat. Auch die durchwegs großartigen Beats, die unter anderem von Busy und Roey Marquis II. stammen, sind essentiell für den Hörgenuss des Werks. Besonders sei hier Saschliq erwähnt, der, lange bevor es hierzulande eine ausgeprägte Beat-Kultur gab, bereits Instrumentals produzierte, die denen von US-Amerikanischen Legenden wie DJ Premier oder Pete Rock in nichts nachstanden.
"Von Innen nach Außen" etablierte mit seiner inhaltlichen und musikalischen Fülle eine intellektuelle Komponente im deutschen Rap, die in der Öffentlichkeit bis heute schändlich unterrepräsentiert ist. Diesem Klassiker merkt man die Liebe zu und den Respekt vor unserer Kultur jedenfalls zu jeder Sekunde an – und das macht Spaß!
(Steffen Bauer)
(Grafik von Daniel Fersch)