Contests gibt es hierzulande einige, doch wenige bringen vielversprechende Künstler hervor. Eine der Ausnahmen ist Infinit, der 2016 das Format "Raptags" gewann und damit einen Vertrag beim Universal-Ableger Chapter One bekam. Sein Debütalbum "Aus Prinzip" ließ schon erkennen, dass dem Rapper die Musik sehr ernst ist und er beachtliche Skills vorzuweisen hat. Zeit, sich mit Infinit zusammenzusetzen und die letzten zwei Jahre Revue passieren zu lassen. Was hat sich seitdem getan? Wie steht er zu Battlerap-Formaten in Deutschland? Und wie sieht er seine eigene Zukunft? Nebenbei konnten wir uns noch über andere Themen wie sein Verhältnis zu Politik, seinen roten Faden in der eigenen Musik und die gemeinsame Liebe zu Eminem sprechen.
MZEE.com: Es gibt vielleicht ein paar Leute, die dich noch nicht auf dem Schirm haben, auch wenn du schon seit zwei Jahren in der Szene angekommen bist. Kannst du zu Beginn des Interviews kurz deine wichtigsten Karriere-Schritte bis heute zusammenfassen?
Infinit: Die hab' ich noch gar nicht gemacht. Es gibt natürlich die ersten Schritte – zum Beispiel, dass ich einen Deal unterschrieben habe und beim Major bin. Das sind natürlich große, aber so wirkliche Karriere-Schritte stehen mir, glaub' ich, noch bevor.
MZEE.com: Als du angefangen hast zu rappen, warst du 14 Jahre alt. Gab es ein Ziel, das du dir damals schon in den Kopf gesetzt hast?
Infinit: Boah! (überlegt) So viele Leute wie möglich mit der Musik ansprechen zu können. Natürlich würd' ich jetzt lügen, wenn ich sage, dass ich kein Geld verdienen will. Im besten Fall viel Geld verdienen mit dem, worauf ich Bock hab'.
MZEE.com: Du hast damals durch deinen Sieg bei Raptags recht schnell einen großen Schritt gemacht. Was war das für ein Gefühl zu dem Zeitpunkt? War es das Größte, was du erreichen konntest?
Infinit: In dem Moment wahrscheinlich schon. Aber ich hab' mich dann recht schnell wieder auf die Musik konzentriert und versucht, den Deal als Sprungbrett zu nutzen.
MZEE.com: Gab es auch Leute, die dich dafür kritisiert haben?
Infinit: Ich blende solche Sachen immer aus. Es gibt wahrscheinlich jede Menge Leute, die missgünstig sind oder Abfucks auf mich schieben. Aber da hör' ich gekonnt weg, weil es einfach eh nicht juckt.
MZEE.com: Bist du denn jemand, der im Internet die Kommentare über sich liest?
Infinit: Nee, gar nicht. Ich guck' am Anfang immer durch, wie viele überhaupt kommentieren. Wie viele gut, wie viele schlecht. Aber ich schaue jetzt nicht im Detail drauf. Das ist mir eigentlich egal.
MZEE.com: Ich glaube, mich würde das schon jucken, wenn jemand negative Sachen sagt … (lacht)
Infinit: Klar juckt's irgendwie. Aber es ist schon ein bisschen peinlich, mit seinem offiziellen Account zu kommentieren. Das ist ja wie schlecht zu verlieren. Soll der haten, der haten will. Und jeder, der Bock drauf hat, kann seinen positiven Kommentar abgeben.
MZEE.com: Die Strukturen vom Homestudio hin zu einem Major-Deal sind ja völlig verschiedene. Hat sich deine Herangehensweise an Musik in den letzten Jahren denn irgendwie verändert?
Infinit: Zum jetzigen Zeitpunkt mache ich mir, glaub' ich, mehr Druck als vorher. Früher hab' ich einfach gemacht, wenn ich Bock hatte. Heute muss ich auch mal machen, wenn ich nicht so die Lust oder den Kopf dafür hab'. Ich muss trotzdem durchziehen, weil es ja auch irgendwie der Beruf ist. Und wenn du nicht genug Gas gibst oder arbeitest, gibt es halt nichts zu essen.
MZEE.com: Früher beim VBT gab es die Vorwürfe, dass Künstler sich ihre Fanbase nicht organisch aufbauen, sondern sie auf einmal da ist und die Fans nach dem Wettbewerb wieder verschwinden. Wie war das bei dir und wie siehst du das?
Infinit: Also, ich bin froh, dass ich kein VBT-Künstler war, weil ich diesen Shitstorm auch mitbekommen habe. Ich seh' das nicht ganz so. Für mich ist das VBT-Rapper-Ding anders als das normale Rapper-Ding. Ich sehe auch keinen VBT-Künstler als normalen Musiker an. Für mich ist das eine eigene Sparte. Die hat aber natürlich ihre Daseinsberechtigung und ich finde es nicht verwerflich, wenn jemand durch das VBT an Bekanntheit gewonnen hat.
MZEE.com: Hat es dich damals gejuckt, da mitzumachen?
Infinit: Nein. Ich hab' damals ein paar Freestyle-Battles gemacht. Ich hab' diese Konfrontation – das Auge-vor-Auge-Stehen – geliebt, aber diese VBT-Sachen überhaupt nicht. Ich find' es auch oft hart unter der Gürtellinie. Ich weiß nicht, ob ich damit so sportlich umgehen könnte wie manch anderer, weil die sich ja schon bis aufs Letzte beleidigen. Respekt an die, die das sportlich sehen können. Ich glaube, ich wäre da nicht der Typ für.
MZEE.com: Die Künstler waren teilweise auch miteinander befreundet.
Infinit: Ja, genau. Vorne wird die Mutter gefickt und hinten geben sie sich die Hand. Meiner Meinung nach ist das ekelhaft, aber wie gesagt – wer will, der kann.
MZEE.com: Verfolgst du denn die Acapella-Battlerap-Szene? Don't Let The Lable Lable You oder Rap am Mittwoch?
Infinit: Ich habe anfangs Rap am Mittwoch verfolgt, aber als die Sache anfing, gekauft zu sein, war ich raus. Man hat halt gemerkt, dass es unecht ist, und ich finde auch nicht, dass da derzeit jemand überkrass ist. Das sind für mich auch alles keine Rapper. Dieses ganze VBT-, Acapella-Rapper-Ding ist mehr Comedy für mich und hat nicht viel mit Musik zu tun.
MZEE.com: Stellen wir uns mal vor, du hättest nicht bei Raptags mitgemacht und keinen Major-Deal bekommen. Was würdest du wohl gerade tun?
Infinit: Wer weiß. Kann ich gar nicht sagen. Kann natürlich sein, dass ich einen anderen Weg eingeschlagen hätte und am Arbeiten wäre. Ich weiß es aber wirklich nicht.
MZEE.com: Hättest du trotzdem weiter Musik gemacht?
Infinit: Ja, safe. Ich hab' ja auch acht Jahre vorher durchgezogen.
MZEE.com: Das hätte ja sein können. Es gibt viele Künstler, die bei 1 000 Likes auf Facebook stagnieren und dann das Handtuch werfen.
Infinit: Ja, aber das wäre voll bescheuert. Wenn du von etwas träumst, so viel Kraft und Zeit investierst und dann keinen Bock mehr bei 1 000 Likes hast, ist das doch behindert. Dann kämpf und mach auch so lange, bis du dein Ziel erreicht hast. Irgendwo hat jeder für sich ein Ziel gesetzt.
MZEE.com: Stell dir mal vor, du müsstest jemandem, der deine Musik noch nie gehört hat, drei Tracks von dir empfehlen, die genau aussagen, was du machst. Welche würdest du da nennen?
Infinit: Einmal "Anderes Kaliber", um den Lifestyle erklären zu können. Dann einen technisch versierten Track, damit derjenige auch weiß, dass ich nicht nur Scheiße labern kann, sondern auch gut verpacke. Und dann gibt es Tracks von mir wie "Tausend Mal", die ein bisschen tiefer in die Materie gehen und bei denen man mich privater kennenlernen kann. Ich kann zwar auf die Fresse hauen, aber auch deepe Sachen schreiben, wenn ich es fühl'.
MZEE.com: Gibt es grundsätzlich eine Kernaussage, die du vermitteln willst?
Infinit: Polizistenhass! Das zieht sich wie ein roter Faden durch alles, was ich bisher gemacht habe.
MZEE.com: Woher kommt das?
Infinit: Ich denk' einfach, dass man nie ein positives Aufeinandertreffen hatte. Bisher waren die Begegnungen mit der Polizei oder dem Gesetz eher negativ. Das liegt natürlich nicht nur am Staat und Gesetz, sondern auch an unserem Verhalten. Aber trotzdem – irgendwann wirst du nur noch schikaniert und bist genervt. Meiner Meinung nach verwechseln solche Leute ihre Berufe oft mit Macht und das ist ein Fehler. Das ist ein Beruf wie jeder andere auch. Nur weil du eine Marke trägst, bist du nicht in einer höheren Position als ein anderer Mensch.
MZEE.com: Ab welchem Alter kam diese Erkenntnis?
Infinit: Ich glaube, so in der Pubertät. Als man öfter draußen abgehangen und den ersten Alkohol getrunken hat. Das sind wahrscheinlich die ersten Negativkontakte gewesen.
MZEE.com: Und je öfter man Berührungspunkte hatte, desto schlimmer wurde es?
Infinit: Genau. Es gab natürlich schlimmere Zeiten als jetzt. Aber so mit 15, 16 hat das Ganze angefangen.
MZEE.com: Da du schon die Polizei thematisierst: Bist du jemand, der sich auch mit Politik beschäftigt?
Infinit: Nee, gar nicht. Ich finde, dass sich viel zu viele Leute mit dem Thema "Politik" beschäftigen, obwohl sie davon gar keine Ahnung haben. Dadurch entsteht dann auch so viel Hass gegeneinander. Jemand, der keine Ahnung hat, unterhält sich mit jemandem, der auch keine Ahnung hat, der es dann an jemanden weitergibt, der keine Ahnung hat, und der gibt es dann auch wieder falsch weiter … Wenn man sich mit dem Thema befasst und darüber reden will, soll man das auch richtig machen. Ansonsten einfach die Fresse halten.
MZEE.com: Gehst du trotzdem wählen?
Infinit: Nee.
MZEE.com: Noch nie?
Infinit: Ja, doch, irgendwann mal zu Schulzeiten, als man das erste Mal wählen durfte. Aber ansonsten bin ich noch nie sonntags aufgestanden und in die Stadt zum Wählen gefahren. Natürlich juckt es, aber im Endeffekt kann jeder seine Stimme abgeben, wie er will. Und die da oben machen es eh, wie sie wollen. Du kannst es voll vergessen, dass jemand gewählt wird, weil ich meine Stimme dafür abgegeben habe. Das ist Schwachsinn. Ganz Deutschland regt sich über Angela Merkel auf und trotzdem wird sie jedes Mal wiedergewählt – komisch.
MZEE.com: Hast du denn das Gefühl, dass sich die Stimmung im Land verändert hat? Auch dir gegenüber?
Infinit: Klar. Mir gegenüber wahrscheinlich aufgrund meines Äußeren. Politisch gesehen hat sich durch diese ganze Flüchtlingssache natürlich was geändert. Die Leute sind ängstlich. Zum großen Teil unbegründet, aber die Medien verbreiten dann Sachen, die wahrscheinlich nicht so stimmen, wie sie es sagen. Ich glaube, deswegen sind die Leute in Deutschland ein bisschen vorsichtiger und ängstlicher geworden.
MZEE.com: Kannst du das nachvollziehen?
Infinit: (überlegt) Also, irgendeiner 80-jährigen deutschen Frau, die nicht mehr viel sozialen Kontakt hat, in ihrer Wohnung rumhängt und nur mitkriegt, was im Fernsehen passiert, kann ich es nicht übel nehmen, dass sie Angst hat, abends nach draußen zu gehen. Aber Leute, die sich wirklich draußen und unter Menschen aufhalten und dann solche Ängste haben und Sachen behaupten – das kann ich natürlich nicht nachvollziehen. Wir sitzen doch auch hier und sind nicht alle deutsch.
MZEE.com: Um noch mal auf deine Musik zurückzukommen: Auf was kann man sich freuen?
Infinit: Ich arbeite seit ein paar Wochen intensiv an einem Soloprojekt. Es gibt also noch dieses Jahr ein Album.
MZEE.com: Du hast erzählt, dass du als Kind das erste Eminem-Album rauf und runter gehört hast. Wenn du jetzt an die älteren Werke, vor allem an "Infinite", zurückdenkst: Was macht diese Platte für dich aus – denn sie ist ja schon sehr raw?
Infinit: Wahrscheinlich genau das. Wenn du dir Tracks von Eminem von 97 oder 98 anhörst: Im Vergleich zu denen von 2012 hörst du noch den Hunger, den er hat. Da ist noch richtig Biss dahinter. Er ist jung, hat einfach Bock und das macht die Platte aus. Da ist kein großes Rumgemixe oder Rumgemaster. Man hört Rap auf Beats, wie er sich anhören sollte.
MZEE.com: Hättest du dir denn mehr Platten in dem Stil gewünscht?
Infinit: Na ja, er ist schon ein bisschen mit der Zeit gegangen, nur hat die sich nicht so schnell entwickelt wie jetzt. Heute ist in zwei Wochen irgendwas anderes in. Deswegen find' ich eigentlich, dass es genug von ihm in diesem roughen Rapstil zu hören gibt.
MZEE.com: Also bist du auch dafür, dass sich Künstler weiterentwickeln?
Infinit: Ich finde, man sollte sich immer weiterentwickeln. Auf der Strecke bleiben ist halt scheiße. Das heißt aber nicht, dass man einen Trend mitgehen muss. Man kann sich auch in dem weiterentwickeln, was man selber macht. Es geht immer besser. Ich kenne keinen Künstler, der was erreicht hat und noch immer klingt wie auf seinen ersten Tracks.
MZEE.com: Vom Track "Infinite" haben wir dir folgendes Zitat mitgebracht: "So I'm assumin' all responsibility, 'cause there's a monster will in me that always wants to kill MCs." – Harte Worte, aber er konnte alles einhalten und gilt heute als Rap God. Was stellst du dir für deine musikalische Zukunft vor?
Infinit: Hoffentlich dasselbe. Das mein' ich mit dem Hunger, den ich beschrieben habe. Ich glaube, er hat in dem Moment genau das gesagt, was er denkt. Einfach diesen Hunger und diese Lust beschrieben und gesagt, dass er der Absolute ist. Und er wusste auch, dass er der Absolute ist – von Anfang an.
MZEE.com: Und er hat es durchgezogen bis zum Ende. Gucken wir mal, wann das Ende ist, oder?
Infinit: Hoffentlich nie!
MZEE.com: Zuletzt würden wir noch gerne wissen, welcher dein absoluter Lieblingstrack von ihm ist und warum?
Infinit: "Kill you" von der "Marshall Matters LP". Ist zwar sehr hart und ekelhaft, aber der Song passt einfach.
(Florence Bader und Laila Drewes)
(Fotos von Aljaz Fuis & Louise Amelie)