"Was?! Du kennst das nicht? Sekunde, ich such' dir das mal raus." Und schon öffnet sich die Plattenkiste. Wer kennt diesen Moment nicht? Man redet über Musik und auf einmal fällt ein Name – egal ob von einem Song, einem Künstler oder einem Album – mit dem man nicht so recht etwas anzufangen weiß. Und plötzlich hagelt es Lobpreisungen, Hasstiraden oder Anekdoten. Gerade dann, wenn der Gesprächspartner ins Schwärmen verfällt und offen zeigt, dass ihm das Thema wichtig ist, bittet man nicht allzu selten um eine Kostprobe. Die Musik setzt ein und es beginnt, was der Person so sehr am Herzen zu liegen scheint. In diesem Fall – was uns so sehr am Herzen liegt: Ein Auszug aus der Musik, mit der wir etwas verbinden, die wir feiern, die uns berührt. Ein Griff in unsere Plattenkiste eben.
"Warum rappst du?" – Diese Frage, die mehrere Künstler auf dem Remix von PA Sports & Kianush für sich beantworten, führte mich zum ebenfalls daran beteiligten Cr7z. So kam ich schließlich – nach einiger Recherche – auch zu seinem großen Debütalbum "An7ma", das erstmals nach mehreren Free-Releases zum Kauf angeboten wurde.
Kein Rapper schaffte es zuvor, mich direkt mit den ersten Sätzen eines Werks in den Bann zu ziehen und diesen dann auch weiterhin aufrechtzuerhalten. Anstatt dass mir eine Kunstfigur einen Actionfilm erzählt, habe ich hier das Gefühl, in die Welt des Menschen hinter Cr7z einzutauchen. Der Schmerz, der auf "Tageslicht" mit dem damaligen Labelkollegen Jinx oder "Drei Schwerter" beschrieben wird, ist für mich greifbar, da er nicht nur oberflächlich, sondern sehr tiefgreifend bearbeitet wird. Die Ehrlichkeit, mit der verschiedene Szenarien geschildert werden, ist kompromiss- und schonungslos: "Ich denke so oft an euch, dass ich vergesse, mich zu melden. Das glaubt mir doch niemand, erst mal wieder Bier und Zigaretten." Der Künstler räumt dem Hörer gegenüber Dinge ein, die ich mir selbst womöglich nicht eingestehen würde. Auf diese Weise erhalte ich das Gefühl, eine Nähe zur Person Cr7z aufzubauen, wie ich sie bisher beim Hören von Musik nicht kannte. Andere Themen des Albums, zum Beispiel der typische Rap über Rap oder der Wandel der Zwischenmenschlichkeit durch das Internet, unterhalten zwischendurch oder regen zum Nachdenken an. Jedoch sind es die persönlichen Geschichten, die mich bei der Stange halten und weiter teilhaben lassen wollen.
Nach – wahrscheinlich nicht nur – gefühlt 300 online veröffentlichten Tracks hat Cr7z mit "An7ma" den Schritt an die Öffentlichkeit gewagt. Gewiss kein Schritt in die Massentauglichkeit, was dieser Musik wohl auch nicht gut täte. Aber hinaus aus dem tiefsten Untergrund. Es liegt hier dementsprechend ein Einzelstück mit Seele vor. Die Frage "Warum rappst du?" ist damit für mich beantwortet.
(Michael Collins)