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Soundcheck

Meister Lampe

In der aktu­el­len Aus­ga­be unse­res Sound­checks stel­len wir Euch Meis­ter Lam­pe aus der Schweiz mit Kurz­in­ter­view und Steck­brief vor.

Kaum eine Sze­ne hier­zu­lande scheint so facet­ten­reich zu sein wie die Deutschrap­szene. Wäh­rend es bereits jetzt schon fast unmög­lich erscheint, jeden ein­zel­nen, eta­blier­ten Ver­tre­ter zu ken­nen, steigt die Zahl neu­er, noch unbe­kann­ter Künst­ler expo­nen­ti­ell wei­ter an. Den Über­blick zu behal­ten, gleicht einer Her­ku­les­auf­gabe: Hat man sich ein Gesicht der HipHop-​Hydra gemerkt, tau­chen schon wie­der min­des­tens zwei neue auf. Gleich­zei­tig ist es für unbe­kannte, jun­ge Talen­te über­aus schwer, aus der über­wäl­ti­gen­den Mas­se an Musi­kern her­aus­zu­tre­ten und sich einen Namen zu machen.

Bei­den Sei­ten soll unser Sound­check eine Hil­fe­stel­lung bie­ten. Pro­du­cern, die bis­her noch in den Tie­fen des Unter­grunds unter­ge­gan­gen sind, eine Platt­form geben, auf der sie sich kurz, aber prä­gnant prä­sen­tie­ren kön­nen. Und Hörern und Fans ermög­li­chen, sich einen schnel­len Über­blick über nen­nens­werte Künst­ler zu ver­schaf­fen, die sie bis­her viel­leicht noch gar nicht auf dem Schirm hatten.

 

MZEE​.com: Dein Solo-​Debüt "Orb" ist frisch auf Vinyl gepresst – denkst du, dass ein Producer-​Album den­sel­ben Stel­len­wert haben soll­te wie das Album eines Rappers?

Meis­ter Lam­pe: Sind wohl zwei Paar Schu­he, ein Rap-​Album höre ich mir sicher anders an. Wenn die Rap-​Fraktion gute Arbeit leis­tet, reicht da auch was ganz Rudi­men­tä­res im Hin­ter­grund. Bei 'nem Producer-​Album muss auf der Ebe­ne schon etwas mehr Fleisch am Kno­chen sein. Da habe ich sicher­lich auch 'nen sehr sub­jek­ti­ven Geschmack als Beatma­ker, was das angeht. Grund­sätz­lich höre ich mir bei­de Vari­an­ten ernst­haft und auf­merk­sam an, Stel­len­wert hin oder her. Da du dich als Tex­ter schnel­ler mal in die Nes­seln set­zen kannst, hast du als Beat­bau­er weni­ger Angriffs­flä­che. Ob das des­we­gen mehr oder weni­ger Stel­len­wert ver­dient hat, muss von der Com­mu­ni­ty ent­schie­den werden.

MZEE​.com: "Orb" ist eine musi­ka­li­sche Rei­se um den Glo­bus. Wovon hast du dich dabei inspi­rie­ren las­sen bezie­hungs­wei­se lässt du dich beim Bau­en dei­ner Beats ganz gene­rell inspirieren?

Meis­ter Lam­pe: Zu einem gro­ßen Teil gehört sicher ein eige­nes, etwas romantisch-​verklärtes Fern­weh dazu, wel­ches mich zu dem Sound zieht. Ich habe bereits als Kind und Jugend­li­cher süd­ame­ri­ka­ni­sche, spa­ni­sche, spä­ter auch ost­eu­ro­päi­sche Folk­lo­re auf der Gitar­re gelernt und mich dar­in ver­tieft. Die Inspi­ra­ti­on beim Bau­en der Beats selbst ist ziem­lich sim­pel: Kaf­fee – all black – rea­dy, irgend 'ne Plat­te aus dem Regal zie­hen und dar­auf war­ten, ob etwas hän­gen bleibt. Ich ver­su­che, bei den Samples mög­lichst den Vibe des Ori­gi­nals mit­ein­zu­be­zie­hen – immer­hin bedie­ne ich mich ja an jemand ande­res Genie­streich. Die eige­nen Emo­tio­nen, die bei mir aus­ge­löst wer­den, will ich so auch bes­ser fest­hal­ten kön­nen. Ich kann nur Sachen sam­peln, die ich auch hart abfeie­re. Da lan­de ich immer bei den "Orga­nic Groo­ves" bezie­hungs­wei­se "World Music" oder wie auch immer man das alles am bes­ten in einem Begriff zusam­men­fas­sen kann.

MZEE​.com: Die Samples der neu­es­ten Plat­te sind aus der gan­zen Welt zusam­men­ge­tra­gen. Suchst du dei­ne Samples denn lie­ber auf Plat­ten oder im Internet?

Meis­ter Lam­pe: Es kommt oft vor, dass ich mich zu wenig aus­ken­ne und mich des­halb erst mal ein paar Stun­den auf Rei­sen durch die Wir­ren des Inter­nets bege­be. Mir fehlt da noch 'ne gan­ze Men­ge Know-​How, was die Musik­tra­di­tio­nen rund um die Welt betrifft, das macht es gleich­zei­tig umso reiz­vol­ler, genau­er nach­zu­for­schen. Auf "Orb" sind schluss­end­lich aber doch Songs gelan­det, die ich aus mei­ner Samm­lung gegrif­fen habe. Die Plat­ten sind teil­wei­se Reis­sues, oft aber ein­fach pure Glücks­grif­fe von Plat­ten­bör­sen, Second Hand Stores et cete­ra. Dane­ben gibt's ein paar sehr inter­es­san­te Plat­ten­händ­ler, die ich im Ver­lauf der letz­ten zwei, drei Jah­re per­sön­lich ken­nen­ge­lernt habe. Am Bas­ler Floh­markt zum Bei­spiel habe ich schon so man­chen Hun­ni lie­gen las­sen für Bollywood-​Platten eines Spe­zia­lis­ten, den ich zuvor jah­re­lang über­se­hen hat­te. Mitt­ler­wei­le ver­such­te ich mich sogar in "R.D. Bur­man vs. Bap­pi Lahiri"-Komponisten-Diskussionen mit dem Typen … Fel­low Beatma­ker Fun­ky Notes lag trä­nen­la­chend auf dem Boden – true sto­ry. Ich hof­fe schwer, dass ich mir eines Tages auch die Zeit neh­men kann, in den ver­schie­de­nen Län­dern vor Ort zu dig­gen – das wäre ein Träumchen.

MZEE​.com: Die Namen dei­ner neu­es­ten Instru­men­tals lau­ten etwa "Huang Shan", "Zéro Neuf" oder "Üsküdar". Wie kommst du auf die Namen für dei­ne Beats?

Meis­ter Lam­pe: In den meis­ten Fäl­len habe ich ver­sucht, ein Merk­mal der Kom­po­nis­ten des Ori­gi­nals mit­ein­zu­bau­en und so fest­zu­hal­ten. Das pass­te natür­lich auch zum Kon­zept des Albums. Huang Shan ist eine wun­der­schö­ne Gebirgs­land­schaft in Chi­na – der gesam­pel­te Song wur­de aber kaum dort auf 3 000 Metern Höhe auf­ge­nom­men. Da wuss­te ich schlicht nicht, wel­che Künst­le­rin ich gesam­plet hat­te – ist alles chi­ne­sisch beschrif­tet auf dem Vinyl. "Zéro Neuf" ist auch 'ne Aus­nah­me: Über den Beat habe ich mal "Null­kom­ma­neun" von SSIO gelegt und den Remix auf Sound­Cloud hoch­ge­la­den – das habe ich so bei­be­hal­ten. Fun Fact: Das Ori­gi­nal ist aus Afgha­ni­stan und SSIO afgha­ni­scher Abstam­mung. Geeky! "Üsküdar" steht stell­ver­tre­tend für das, was ich am Anfang erwähnt habe: Der Musi­ker auf dem Sam­ple ist aus Istan­bul, Üsküdar ein Stadtteil.

MZEE​.com: Gibt es eine Kern­aus­sa­ge oder eine Bot­schaft, die du mit dei­ner Musik ver­mit­teln willst?

Meis­ter Lam­pe: In ers­ter Linie ging's ganz prag­ma­tisch dar­um, zu zei­gen, was ich am liebs­ten sam­ple, bezie­hungs­wei­se was ich musi­ka­lisch mache und da end­lich mal was zu releasen – das Album ist des­halb auch sehr authen­tisch raus­ge­kom­men. Ande­rer­seits wird der vor­gän­gig erwähn­te Umstand Ein­fluss haben und wohl spür­bar sein, dass mir der Sound außer­halb unse­rer Brei­ten­gra­de unglaub­lich gut gefällt. Damit ver­bun­den sicher auch die Mes­sa­ge: Hör dich mal über den Tel­ler­rand dei­ner Kom­fort­zo­ne, da ist 'ne gan­ze Band­brei­te von wun­der­vol­ler Musik und Leu­ten auf der Welt. Unbe­kann­tes ist eine Berei­che­rung und kei­ne Bedrohung.

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(Dani­el Fersch & Lukas Päckert)
(Gra­fi­ken von Puffy Pun­ch­li­nes, Logo von KL52)

 

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