Rappern wird ja gerne mal nachgesagt, nicht unbedingt die talentiertesten Vertreter im großen Kosmos der Musikgenres zu sein. Diesem Vorwurf hat Jonas Platin einiges entgegenzusetzen: Schon mit fünf Jahren startete die musikalische Erziehung zum Schlagzeuger, Trompete und Klavier kamen dazu, bis er mit 14 Jahren erste EDM-Tracks produzierte und veröffentlichte. Da ihm diese Art der Musik aber schließlich zu langweilig wurde, wechselte er mit 18 Jahren, inspiriert von Künstlern wie Money Boy oder LGoony, zum Rap – allerdings ohne sich von irgendwelchen Genrekonventionen eingrenzen zu lassen. Kann sich der junge Rapper und Produzent vorstellen, noch mal in ein komplett anderes Genre zu wechseln? Was hält er von politischem Rap? Und was braucht es eigentlich, um einen musikalischen Klassiker zu erschaffen? Zu diesen sowie vielen weiteren Fragen stabd uns Jonas Platin im Interview Rede und Antwort.
MZEE.com: Anfang 2018 gehst du auf deutschlandweite "Drogen"-Tour. Bist du schon sehr aufgeregt? Oder freust du dich einfach nur, deine Tracks mal einem größeren Publikum präsentieren zu können?
Jonas Platin: Ich hab' natürlich Bock. Aufgeregt bin ich tatsächlich nicht so sehr. Es sind zwar schon die ersten großen Rap-Konzerte, die ich spiele, aber ich hab' in der Vergangenheit viel Bühnenerfahrung gesammelt. Als Schlagzeuger hab' ich schon in relativ jungem Alter Konzerte gegeben, extrem viel in Orchestern und vor größerem Publikum gespielt, zum Beispiel in der Oetker-Halle in Bielefeld. Will heißen: Die Masse an Menschen beeinträchtigt jetzt nicht meine Show.
MZEE.com: Als Schlagzeuger steht man aber doch eher im Hintergrund. Jetzt nimmst du natürlich eine ganz andere Rolle ein.
Jonas Platin: Das wäre an sich richtig, wenn ich nicht immer der Jüngste gewesen wäre. (grinst) Ich musste beim Konzert immer aufstehen und wurde vorgestellt. Natürlich ist es als Rapper etwas ganz anderes, aber ich bin ja auch älter geworden. Und ich kann mir mal einen Fehler erlauben, weil die Fans einem das sowieso verzeihen. Das ist bei klassischen Konzerten etwas anders.
MZEE.com: Wie kam es denn dazu, dass du immer der Jüngste im Orchester warst?
Jonas Platin: Das war irgendwie schon immer so. Ich hab' mal drei Arbeitsphasen bei den Jungen Symphonikern in Bielefeld mitgemacht, da war ich so zwischen 13 und 15 … Normalerweise machen da Studenten mit. In der Schulband war ich auch immer der Jüngste, weil ich halt ein Jahr früher eingeschult wurde.
MZEE.com: Du hast bei Twitter angekündigt, live alles alleine zu machen. Um dich zu zitieren: "Voraussichtlich werd' ich live übrigens alles im Alleingang machen. Mein DJ heißt DJP und sieht so aus wie ich – nur mit Kopfhörern!" Wie genau wird deine Liveshow denn aussehen?
Jonas Platin: Also, es wird natürlich ein paar Special Guests geben und beim Aufbau werd' ich wohl auch nicht one-man-mäßig da hingehen und alles machen. Aber die Show an sich kann man sich so vorstellen: Ich hab' ein DJ-Pult und einen Laptop dabei. Die meisten Rapper haben ja irgendeinen DJ, aber ich kenn' einfach überhaupt keinen persönlich – außer mich selbst. Da dachte ich mir halt, das einfach selber zu machen. Vielleicht spiel' ich auch ein paar andere Tracks, die gar nicht von mir sind, so als kleinen Mix. Und ansonsten misch' ich die Songs halt so ineinander, dass ich immer mal wieder Zeit hab', ans Pult zu gehen.
MZEE.com: Diese Rolle gefällt dir auch ganz gut, oder? Es klingt jetzt nicht so, als sei es nur eine Notlösung, weil du keinen DJ kennst.
Jonas Platin: Ja, auf jeden Fall. Ich hätte natürlich auch keinen Bock, bei irgendwelchen fremden Leuten rumzufragen. Aber ich find' die Idee auch ganz cool. Ich kenne bisher keinen Rapper, der das so macht.
MZEE.com: Dein letztes Release "Drogen" bestach unter anderem dadurch, dass du dich stilistisch nicht beschränken wolltest und gefühlt "von allem ein wenig" gezeigt hast. Willst du das in Zukunft beibehalten oder irgendwann bei einem Style bleiben?
Jonas Platin: Das ist immer 'ne schwierige Frage. Im Musikbusiness wird einem ja generell geraten, sich ein festes Branding zu verpassen. Im Electro gilt das für das Sound-Design, bei einem Rapper sind es die Thematiken und die Beats, die er pickt. Bei mir ist es einfach variabler, weil ich die Möglichkeit hab', alles selbst zu produzieren. Ich bin auch kein monotoner Typ, was die Musikstile angeht, die ich privat höre. Ich find' das anstrengend, 14 Tracks im gleichen Stil zu machen. Eine EP in einem einzelnen Style könnte ich mir schon vorstellen. Bei "Future Vibes" hab' ich zum Beispiel versucht, alles in so einem futuristischen Stil zu halten. Aber bei einem Album kann schon immer mindestens ein Ausreißer dabei sein …
MZEE.com: In einer gewissen Rapsparte kann man dich dennoch ungefähr verorten. Denkst du, dass du dabei bleibst? Oder machst du irgendwann Metal?
Jonas Platin: Metal ist eher unwahrscheinlich. (lacht) Es kommt einfach immer darauf an, was einen inspiriert. Bei Rap und Gesang sind die Übergänge ja fließend. Cro macht das sehr ähnlich, auch wenn es thematisch natürlich etwas ganz anderes ist. Aber du merkst, dass der nicht wirklich einen Fick darauf gibt, ob etwas gerappt oder gesungen wird. Und genauso kannst du verschiedene Musikstile verbinden. Das werd' ich auf den Alben schon beibehalten.
MZEE.com: Du veröffentlichst schon Musik, seit du 13 Jahre alt bist, und hast früher EDM produziert. Gerade vor dem Hintergrund, dass du immer wieder verschiedene Ansätze ausprobierst: Wie blickst du mittlerweile auf deine älteren Sachen zurück?
Jonas Platin: Man lernt natürlich aus allem. Klar, wenn ich jetzt die ganz alten Sachen höre, denke ich mir, was ich denn da bitte gemacht habe. (grinst) Andererseits haben alte Sachen auch gute Seiten. Vielleicht hattest du 'ne coole Komposition oder Idee. Ich finde, das zählt in der Musik viel mehr als die technische Seite, was den Mix oder das Mikrofon und so weiter angeht. Ich versuch' dann eher, aus den musikalischen Elementen etwas mitzunehmen. Teilweise übernehm' ich aus alten Songs auch Teile für neue. Das hab' ich zum Beispiel mit einer Melodie für "Future Vibes" gemacht.
MZEE.com: Du wohnst aktuell noch in einer beschaulichen Stadt in Ostwestfalen. Denkst du, dass ein anderes Umfeld wie eine größere Stadt Einfluss auf deine Musik hätte?
Jonas Platin: Ich glaube tatsächlich, dass die Mucke besser wird, wenn man mehr in anderen Städten unterwegs ist. Aber ich bin studiomäßig eher der introvertierte Typ und lad' auch nicht so viele Leute zu mir ein. Von daher wäre eine Großstadt wie Berlin nicht so ein Vorteil für mich. Klar gibt's da Szene-Bezug und Kontakte, aber ich bin, was Musik angeht, einfach nicht der kontaktfreudigste Mensch und wenig kompromissbereit. Ich mach' Mucke mit ein paar Homies und natürlich auch mal mit Leuten, die man kennenlernt. Von daher bin ich in der Kleinstadt ganz zufrieden. Ich würd's aber auch nicht ausschließen, irgendwann mal umzuziehen.
MZEE.com: Im Track "Wir bleiben hier" greifst du die Flüchtlingsthematik satirisch auf. In einem Interview hast du gesagt, dass andere Rapper sich das nicht trauen würden. Gibt es eine Grenze, an die du dich nicht rantraust?
Jonas Platin: Boah, das ist schwer. Theoretisch würd' ich erst mal nichts ausschließen. Das müssten schon Sachen sein, die so uncool sind … Klar, satirisch irgendwelche rechtsradikalen Sachen darzustellen, wäre mir wohl ein bisschen too much. Es muss einfach cool sein. Wenn eine Thematik noch von niemandem aufgegriffen worden ist, hab' ich da keine Grenze.
MZEE.com: Der angesprochene Song hat auch eine politische Ebene. Du hast allerdings schon mal gesagt, dass du nicht als politischer Rapper wahrgenommen werden willst. Wäre es schlimm, wenn Leute dich dennoch in dieser Sparte verordnen würden?
Jonas Platin: Na ja, es wäre dann schlimm, wenn ich mich selbst damit nicht identifizieren kann. Das Problem ist einfach, dass ich ja noch relativ jung und politisch nicht wirklich gefestigt bin. Ich hoffe auch, dass das so bleibt. Jede Meinung ist ja irgendwie berechtigt. Ich würd' mich schwer damit tun, jetzt so studentenmäßig irgendwie ein bisschen links was daherzuerzählen. Ich kann ja nicht ausschließen, irgendwann etwas liberaler eingestellt zu sein oder was weiß ich. Deshalb fänd' ich es problematisch, in irgendeiner Ecke zu landen. Aber im Endeffekt können die Leute ja reden, was sie wollen. Für mich ist politischer Rap so ein bisschen das, was MC Smook macht. Der würde sich auch, glaube ich, selbst so einordnen. Der greift politische Themen direkt und indirekt in Texten auf. Unser Track ist textlich jetzt nicht so wahnsinnig politisch, da ist auch viel Schwachsinn dabei.
MZEE.com: Hörst du denn selbst solche Musik oder achtest du eher auf den Sound?
Jonas Platin: Sound ist auf jeden Fall ein gutes Stichwort. Der Sound ist am wichtigsten. Das hab' ich früher schon gemerkt: Wenn du englische Songs hörst und die Sprache nicht so gut kannst, kannst du die Musik ja trotzdem gut finden. Da muss einen die musikalische Ebene überzeugen – auch deshalb leg' ich nicht so viel Wert auf den Text. Politischen Rap hör' ich tatsächlich nicht so gerne. Das ist immer sehr direkt. Man kann sich die Meinung anhören und ich hab' auch nichts dagegen. Aber für mich ist das nicht das Thema Nummer eins als Musiker.
MZEE.com: Machst du dir Gedanken darüber, inwieweit deine Musik zeitlos ist? Sogenannte Klassiker, die auch in Jahren noch gehört werden, sind ja doch oft eher Werke mit starkem Inhalt.
Jonas Platin: Das kommt darauf an. Zum einen stimmt das natürlich. Delivery und Inhalt kann ich noch optimieren, klar. Das Ding ist aber auch: Manche Rapper haben halt einfach so ein Leben. Die können über so viele Dinge erzählen, die dann eben wirklich stimmen. Hut ab, was das angeht. Natürlich gäbe es da bei mir auch ein paar Sachen, aber die sind nicht so weltbewegend, dass sich das 82 Millionen Deutsche in 50 Jahren anhören würden. Ich seh' das Ganze eher auf einer musikalischen Ebene. Wenn du musikalisch coole Motive entwickelst, die echt krass im Ohr hängenbleiben, kannst du auch einen Klassiker erschaffen.
MZEE.com: Du hast mir schon erzählt, dass du dein Studium eher nebenbei laufen lässt und bewusst auf Musik als erstes Standbein setzt. Kannst du von dem, was reinkommt, schon leben?
Jonas Platin: Na ja, theoretisch. Rein von den Musikeinnahmen natürlich nicht, ich mach' schon Nebenjobs und hab' hier und da Unterstützung. Die ganzen Musikstudiengänge in Deutschland sind sehr klassisch gehalten. In Mannheim gibt es einen coolen, da hab' ich mich auch mit einem Dozenten getroffen, der mich kennenlernen wollte und auch eigentlich recht begeistert war … Aber ich wurde dann nicht mal zum Vorspielen zugelassen. Das hat mich so ein bisschen getriggert und dann dachte ich mir: "Scheiß auf die Uni!" (lacht) Jetzt mach' ich halt mein eigenes Ding.
MZEE.com: Wo soll es für dich mit der Musik noch hingehen? Hast du bestimmte Ziele inner- und außerhalb der Rapszene?
Jonas Platin: Rapszene würde implizieren, Connections in irgendwelche Richtungen aufzubauen oder labelmäßig etwas zu machen. Das möchte ich gar nicht unbedingt. Ich werd' einfach weiter an Mucke schrauben und mit anderen Leuten Tracks machen, wenn es passt. Man kann auf jeden Fall nicht von mir erwarten, dass ich in irgendwelche Teams hoppe oder mich irgendwo total anschließe. Da bin ich einfach eher Alleingänger. Ich hätte allerdings auf jeden Fall Bock darauf, Leute mit Instrumentals und Stilen zusammenzubringen, die auf den ersten Blick überhaupt nicht zu ihnen passen. Als Beispiel, auch wenn ich das nicht machen wollen würde: Bushido auf so einem Future Bass-Beat. Kann man natürlich auch mit anderen Künstlern machen. Einfach mal die Leute aus ihrem Sound rausholen.
MZEE.com: Damit sind wir schon bei der letzten Frage. Du versuchst dich mittlerweile auch als Twitch-Streamer. Was ist ausgeprägter: deine Rap- oder deine "Super Mario"-Skills?
Jonas Platin: Boah, das ist schwer, ich rappe ja auch noch nicht so lange. (lacht) Ich würde sagen, die "Mario"-Skills. Von früher einfach. Die Faszination dafür hat bei mir tatsächlich auch mit der Musik zu tun: Ich hab' eben Nintendo gespielt und bin damit aufgewachsen. Und egal, welche Videospiel-Entwickler du dir heute anhörst, was die Komposition, die Leitmotive und das ganze Arrangement angeht – da hatte Nintendo einfach die besten Leute. Das hört man, wenn man sich wirklich drauf fokussiert, wie sie die Musik geschrieben haben und wie die zum Geschehen und der Szenerie passt. Das ist echt unvergleichlich.
(Alexander Hollenhorst)
(Fotos von Sebastian Igel)