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Interview

Moses Pelham

"Es war nie mein Ziel, drei­fach Pla­tin zu gehen, eine Mil­li­ar­de Plat­ten zu ver­kau­fen oder einen Echo zu bekom­men." – Moses Pel­ham im Inter­view über die Moti­va­ti­on, Musik zu machen, sei­nen Blick auf die deut­sche Rap­sze­ne und das neue Album "Herz".

Direkt aus Rödel­heim zu drei­zehn­mal Gold, sechs­mal Pla­tin, drei­mal Dreifach-​Gold und zwei­mal Doppel-​Platin. Moses Pel­ham ist eine abso­lu­te Grö­ße der deut­schen Musik­land­schaft und der hie­si­gen Rap-​Szene – auch wenn er sich die­ser gar nicht beson­ders zuge­hö­rig fühlt. Mit dem Rödel­heim Hart­reim Pro­jekt war er vor mehr als zwan­zig Jah­ren Pio­nier für Frank­fur­ter Stra­ßen­rap, Künst­ler wie Cre­di­bil oder Vega bezeich­nen ihn heu­te als Inspi­ra­ti­on für ihr Schaf­fen. Neben der Arbeit als Pro­du­zent und Label­chef mel­de­te sich Moses Pel­ham wäh­rend sei­ner gesam­ten Kar­rie­re auch immer wie­der als Rap­per zu Wort – so auch in die­sem Jahr in Form sei­nes vier­ten Solo­al­bums "Herz". Im Inter­view sprach der 46-​Jährige mit uns über musi­ka­li­sche Zie­le, sei­nen Blick auf die deut­sche Rap-​Landschaft und die Plä­ne nach "Herz".

MZEE​.com: Mit dei­nem letz­ten Rap-​Release "Geteil­tes Leid 3" hast du vor knapp fünf Jah­ren eine Tri­lo­gie abge­schlos­sen. Was war die Moti­va­ti­on für dich, jetzt ein neu­es Album aufzunehmen?

Moses Pel­ham: Ich mach' nur Plat­ten, wenn ich was zu sagen hab' … Und nun hat­te ich was zu sagen. Die Tracks auf der Plat­te sind die­je­ni­gen, aus denen in den ver­gan­ge­nen Jah­ren wirk­lich etwas gewor­den ist. Das sind ja nicht die zwölf Songs, die ich in den letz­ten fünf Jah­ren gemacht hab', son­dern die, die ich für die bes­ten halte.

MZEE​.com: Vie­le Rap­per in Deutsch­land brin­gen ihre Alben ja in kür­ze­ren Abstän­den her­aus. Du sagst, du machst nur Plat­ten, wenn du etwas zu sagen hast – heißt das, dass du die­ses Bedürf­nis in den Zei­ten zwi­schen dei­nen Alben nicht verspürst?

Moses Pel­ham: Nee, so ist es nicht. Ich hab' tat­säch­lich nach der Tour zu "Geteil­tes Leid 3" wie­der ange­fan­gen, an Tracks für das Album zu bas­teln. Ich arbei­te so seit 2013 an die­ser Plat­te. Das ist für einen jün­ge­ren Men­schen viel­leicht unvor­stell­bar. Dazu muss man aber auch sagen, dass ich ja nicht nur an einer Plat­te arbei­te, son­dern auch an ande­ren. Und ich mache eben nur Musik, wenn ich dar­auf Bock habe und es sich rich­tig anfühlt. Die­se lan­gen Abstän­de zwi­schen den Alben haben natür­lich auch gewis­se Vor­tei­le. Wenn du dir die "Geteil­tes Leid"-Trilogie anhörst, kannst du hören, wie ich erwach­sen wer­de. Das ist, glau­be ich, schwie­ri­ger, wenn du jedes Jahr 'ne Plat­te machst.

MZEE​.com: Gab es für dich bestimm­te The­men oder Umstän­de, zu denen du dich auf dem neu­en Album unbe­dingt äußern wolltest?

Moses Pel­ham: So geh' ich eigent­lich nicht an Musik ran. Es steht sel­ten ein The­ma oder so am Anfang. Wir arbei­ten ja dau­ernd an Musik und das tun wir tat­säch­lich sehr kind­lich, naiv und frei. Wir pro­bie­ren aus, bas­teln und schau­en, was pas­siert. Dann kommst du mit einem rela­tiv rudi­men­tä­ren Play­back nach Hau­se und lässt es auf dich wir­ken. Manch­mal erwischt es dich halt – und wenn das pas­siert, weiß ich noch nicht, wor­um es in dem Stück geht. Ich schreib' mir dann Noti­zen auf, Zei­len, Wor­te, Asso­zia­tio­nen. Oft auch noch nicht gereimt, manch­mal schon. Ich sing' ein biss­chen dazu, mach' und tu' … Und in dem Moment ent­schei­det der Track, was er wird. Auch inhalt­lich. Dadurch, was er in mir bewegt. Das ist kei­ne intel­lek­tu­el­le Ent­schei­dung. Das hat bestimmt etwas mit Akkor­den zu tun, mit Sachen, die mich unter­be­wusst beschäf­ti­gen, ich weiß es nicht. Ich lern' dabei auch etwas über mich selbst und da kom­men natür­lich auch Sachen bei rum, die ich nicht ver­öf­fent­li­chen will. Das ist viel­leicht auch ein Grund für die gro­ßen Abstän­de zwi­schen den Alben. (lacht) Erst viel spä­ter fängt man an, das alles irgend­wie zu ord­nen und schal­tet den Kopf wie­der ein.

MZEE​.com: Du schreibst nicht nur eige­ne Rap-​Songs, son­dern auch Tracks für Xavier Naidoo oder dei­ne Band GLASHAUS. Gibt es da in der Her­an­ge­hens­wei­se für dich irgend­wel­che Unterschiede?

Moses Pel­ham: Ich glau­be, es gibt kei­ne. Also kei­ne grund­sätz­li­chen. Die ein­zel­nen Tracks sind für mich eigent­lich Fil­me. Jeder Song ist zwar anders, aber den einen gro­ßen Unter­schied gibt es für mich nicht. Natür­lich nutzt man ande­re Mit­tel. Auf mei­ner Plat­te rap­pe ich, auf 'ner Xavier-​Platte singt Xavier. Aber am Ende singt Xavier auch mal auf mei­nem Album oder ich rap­pe auf sei­nem – also ist selbst das nicht der Über­un­ter­schied. Ich kann das echt nicht so kate­go­ri­sie­ren. Es wird jetzt auch nicht zu kom­pli­ziert, so vie­le Pro­jek­te habe ich ja nicht. Man­che Leu­te haben noch ein Punk-​Projekt, ein Schlager-​Projekt und was weiß ich. Ich mach' ja eigent­lich immer die­sel­be Art von Mucke.

MZEE​.com: In der deut­schen Rap-​Szene hast du einen Legen­den­sta­tus. Gibt es etwas, das du musi­ka­lisch noch errei­chen möchtest?

Moses Pel­ham: Es war auf jeden Fall nie mein Ziel, zum Bei­spiel drei­fach Pla­tin zu gehen, eine Mil­li­ar­de Plat­ten zu ver­kau­fen oder einen Echo zu bekom­men. Das ist schön und toll, aber nicht der Grund, war­um ich das mache, son­dern weil es mir unfass­ba­re Freu­de macht. Ich mach' Musik, seit ich zwölf bin, und füh­le mich dabei jetzt noch wie ein Kind. Wie ich gera­de schon beschrieb: Eben nicht die Kon­trol­le zu haben, macht es für mich jedes Mal wie­der zu einem Wun­der, wenn dabei etwas her­aus­kommt. Oft genug kommt ja auch was dabei raus, was mich nicht so turnt. Wenn aber etwas dabei her­aus­kommt, das das, was du emp­fin­dest, bes­ser beschreibt, als du es in einer Unter­hal­tung jemals jeman­dem erklä­ren könn­test: Es gibt nichts ande­res, was mich so fas­zi­niert. Wenn dann noch Brü­der und Schwes­tern zu dir kom­men und sagen, dass ein Lied ihr Leben geret­tet hat … Gut, das mag eine Über­trei­bung sein, aber das ist natür­lich auch sehr schmei­chel­haft. Dazu sen­dest du ja mit jedem Song etwas nach außen und wenn das jemand emp­fängt und sogar dei­ner Mei­nung ist, dann ist das natür­lich eine Form von Kom­mu­ni­ka­ti­on mit Men­schen, die du gar nicht per­sön­lich kennst, mit denen du aber eine Gemein­sam­keit hast. Das ist schon eine bru­ta­le Sache und ich möch­te das ein­fach weitermachen.

MZEE​.com: Kom­men wir mal zu einem ganz ande­ren The­ma: Was war wäh­rend dei­ner lan­gen Kar­rie­re die schlimms­te, fol­gen­reichs­te oder unan­ge­nehms­te Ent­schei­dung, die du je getrof­fen hast?

Moses Pel­ham: (lacht) Da fal­len mir auf Anhieb zwei Ent­schei­dun­gen ein, wenn du mir noch zwei Minu­ten gibst, fal­len mir wahr­schein­lich drei wei­te­re ein. Ich mach' Plat­ten, seit ich 16 bin. Da ist schon viel Zeit für fürch­ter­li­che Fehl­ent­schei­dun­gen. Und wer meint, er tref­fe kei­ne fal­schen Ent­schei­dun­gen, der ist ent­we­der ein unfass­ba­res Genie oder lügt. Also, mir fällt da schon was ein, aber das würd' ich ungern erzählen …

MZEE​.com: Die deut­sche Rap-​Szene hat sich wäh­rend dei­ner Kar­rie­re ja im ste­ti­gen Wan­del befun­den. Was war in dei­nen Augen die bes­te oder schlech­tes­te Ver­än­de­rung, die die Sze­ne in den letz­ten Jah­ren durch­ge­macht hat?

Moses Pel­ham: Das kann ich so gar nicht sagen. Ich sage schon län­ger, als vie­le Rap-​Fans auf der Welt sind, dass ich zu kei­ner Sze­ne gehö­re. (lacht) Das ist echt hart. Ich frag' mich echt immer: Was über­haupt für eine Sze­ne? Es gibt halt Leu­te, die rap­pen, die gucken auch mal nach links und rechts, aber ob das des­we­gen unbe­dingt eine Sze­ne sein muss … Ich seh' mich jeden­falls nicht als Teil davon – aber natür­lich bin ich ein Teil der Men­schen, die sich mit Rap beschäf­ti­gen. Wenn du so drauf­schau­en willst: Als wir anfin­gen, so vor 25 Jah­ren, da gab's ein­fach rela­tiv wenig ernst­haf­ten deut­schen Rap. Das zeigt ja der Name "Rödel­heim Hart­reim Pro­jekt" schon – das war ein Expe­ri­ment. Ich wuss­te, dass Rap, wenn er den Leu­ten um mich rum so viel bedeu­ten soll­te wie mir damals, auf Deutsch sein muss­te. Aber ich war nicht mal sicher, ob das auf Deutsch geht. Mitt­ler­wei­le gibt es da so eine Selbst­ver­ständ­lich­keit. Das tut der Sache sehr gut, fin­de ich. Dabei kom­men natür­lich viel mehr Din­ge ans Tages­licht, die beson­ders sind. Das ist auf jeden Fall eine gute Ent­wick­lung. Auch skill­tech­nisch sind wir natür­lich auf einem ganz ande­ren Level. Damals konn­ten die meis­ten ja kaum gera­de­aus spre­chen. Heu­te hast du Leu­te, von denen du noch nie was gehört hast, die echt gut rap­pen. Je grö­ßer die Mas­se, des­to wahr­schein­li­cher ist es, dass mal ein Micha­el Jor­dan dabei ist. Das ist ein ganz ande­rer Nährboden.

MZEE​.com: Du kannst auf eini­ge Hits zurück­bli­cken. Gibt es für dich auch einen Song von dir, der abso­lut unter­schätzt wurde?

Moses Pel­ham: (über­legt) Es ist immer ein biss­chen unge­recht, das so zu sagen. Also, wenn ich ehr­lich bin, haben mei­ne Tracks eigent­lich alle eine gewis­se Auf­merk­sam­keit bekom­men. Irgend­wo ist immer ein Bru­der oder eine Schwes­ter, die sagen, dass ein Song krass ist. Von daher will ich mich da echt nicht beschwe­ren. Nur, weil ein Lied zum Bei­spiel nicht als Sin­gle raus­kommt, ist es ja nicht unter­schätzt. Wenn du dann ein Kon­zert spielst und die gan­ze Hal­le Trä­nen in den Augen hat … Ich hab' bei der Fra­ge eben kurz an "Him­mel­fahrts­kom­man­do" von "Geteil­tes Leid 3" gedacht, aber das ist aus dem Grund ein­fach total unge­recht. Die Leu­te dre­hen beim Kon­zert ja durch. (lacht)

MZEE​.com: Zum Abschluss noch ein klei­ner Blick in die Zukunft: Was sind nun dei­ne Plä­ne nach der Ver­öf­fent­li­chung von "Herz"?

Moses Pel­ham: Das kann ich im Moment noch über­haupt nicht sagen. Ich hab' in den ver­gan­ge­nen ein­ein­halb Jah­ren mit "Nicht von die­ser Welt 2", "Kraft" und jetzt "Herz" drei Alben ver­öf­fent­licht und noch so ein hal­bes Album für "Sing mei­nen Song" pro­du­ziert. Ich fang' jetzt an, mit mei­ner Band zu pro­ben – nächs­tes Jahr bin ich ein­mal mit denen und dann noch mit GLASHAUS auf Tour. Erst mal kon­zen­trie­re ich mich jetzt etwas aufs Live-​Spielen. Und ich sag's dir ganz ehr­lich: Ich hab' seit 2002 kei­nen Urlaub mehr gemacht – und auch nie gebraucht –, aber ich glau­be, ich bin an einem Punkt, an dem mir drei Wochen Ruhe mal unfass­bar gut tun wür­den. Auch, um mir Gedan­ken dar­über zu machen, was ich als Nächs­tes machen möchte …

(Alex­an­der Hollenhorst)
(Fotos von Kat­ja Kuhl)