Deutscher Rap ist kommerziell bekanntlich so erfolgreich wie noch nie. Während einige Rapper dabei für ihre Top 10-Alben und Goldenen Schallplatten ihren Stil wechseln und sich zeitweise auch der Pop-Musik annähern, fahren andere weiterhin überzeugt ihren Oldschool-Film. Einer von ihnen ist der Stuttgarter Marz, der nach einigen Mixtapes mit "I Love 2 Hate" Ende September sein erstes Soloalbum veröffentlichte. Und nicht nur der Sound, sondern auch die Strategie, die hinter dem Release steckt, hebt sich von großen Teilen der Rapszene ab. So wurde beispielsweise auf den Verkauf von CDs verzichtet, um das Album in digitaler Form und auf Vinyl ausschließlich über das eigene Label wirscheissengold zu vertreiben. Im Interview wollten wir von Marz wissen, wie es zu dieser Entscheidung gekommen ist, welche Risiken es zu berücksichtigen gab und ob ein möglicher Misserfolg den Rapper ebenfalls zu einem Stilwechsel bewegen könnte. Außerdem stellte sich uns bei dem provokanten Albumtitel die Frage, woher Marz' Liebe zum Hass überhaupt herrührt und welche Dinge es in Deutschland seiner Meinung nach aktuell zu hassen gibt. Dabei fiel das Gespräch auf eine weitere Leidenschaft des WSG-Signings: Fußball. Neben dem neuen Hassobjekt der Bundesliga, dem RB Leipzig, sprachen wir dabei aber auch über lustige Sportler-Anekdoten sowie Marz' Lieblingsverein, den VfB Stuttgart …
MZEE.com: Mit "In einer Zeit, in der jeder Deutschrapper sein' Stil switchte, war ich der einzige mit eigenem Sound, wie witzig", kritisierte Lance Butters kürzlich die Stilwechsel einiger Rapper. Nun hat dein Album viel Oldschool-Charme. Gab es bei dir vor der Albumproduktion die Überlegung, den Stil zu wechseln, um das Ganze massentauglicher zu gestalten und kommerziell erfolgreicher zu sein?
Marz: Boah, ich glaub', davon kann man kommerziellen Erfolg nicht abhängig machen. Wenn man das Ganze eine Weile macht, hat man immer so seine Zweifel, ob das jetzt cool ist, weil andere Leute das voll cool machen und krass erfolgreich sind. Aber ich kann nur sagen: Macht das, was sich gut anfühlt. Und das mit den Bixtie Boys und allem fühlt sich für mich sehr gut an. Viele machen sich darüber gar nicht die Gedanken, wenn sie Mucke machen. Ich picke Beats und was ich gut finde, nehme ich. Es ist mir egal, wie viel BPM das Ganze hat, auch wenn man da seine Komfortzone hat – ähnlich wie beim Sound. Aber das ist das Schöne. Ich finde es gut, wenn die Leute ihre Sounds fahren und für etwas stehen.
MZEE.com: Nehmen wir mal an, es würde nicht so gut laufen – käme es für dich dann in Frage, den Stil zu wechseln? Zum Beispiel in eine poppigere Richtung zu gehen oder den Trap-Film zu fahren?
Marz: Mir ist am Ende wichtig, dass es gut ist. Ich habe für das nächste Mixtape zum Beispiel einen Trap-Track geplant – einfach, weil es sich bei der Thematik anbietet. Aber ich mache mir da ehrlich gesagt keine Gedanken drüber. Wenn mir jemand über den Weg stolpert, der eine krasse Pop-Hook einsingt, die ich feiere, dann nehmen wir das. Wenn das nicht so ist, dann ist es eben nicht so. Ich gehe da relativ pragmatisch ran, echt unspektakulär.
MZEE.com: Über die Arbeiten an deinem Album hast du mal gesagt: "Das Grundgerüst des Albums ist vor vier Jahren in Zusammenarbeit mit dem Produzenten Kova aus Berlin entstanden. Allerdings habe ich nicht konstant nur daran gearbeitet. Es waren kreative Schaffenspausen dabei." – Gab es in diesem Prozess ein Ereignis, das dir besonders positiv oder negativ in Erinnerung geblieben ist?
Marz: Es gab so Phasen … Ich persönlich hatte immer Angst, ob ich das Ding dann noch gut finde, wenn ich es mal ruhen gelassen habe. Das war für mich der Test, ob es sich lohnt, an dem Album über Jahre weiterzuarbeiten und es irgendwann rauszubringen. Ich fand es aber immer echt krass und hab' mir gesagt: "Haste richtig gemacht." – Auch an den größten Zweifelstagen. Wer mir vor allem in der Anfangsphase weitergeholfen hat, ist DJ Emilio von der Kolchose. Er war mal bei mir – ich glaube, zu einem Fußballspiel – und ich habe ihm vier Tracks gezeigt. Ich war gar nicht so überzeugt, daraus etwas zu machen. Aber er hat mir hart ins Gewissen geredet, das doch zu tun und weiter zu arbeiten. Daran denke ich gerne zurück, denn er hat mir viele Dinge gesagt. "Qualität setzt sich durch", war so der Tenor des Gesprächs.
MZEE.com: Nun trägt dein neues Album den Titel "I Love 2 Hate". Steckt dahinter mehr oder willst du damit tatsächlich einfach deine Liebe zum Haten ausdrücken?
Marz: Man stört sich natürlich gerne an Sachen. Ich muss allerdings sagen, dass der Titel in der Anfangsphase der Tracks entstanden ist. Also in einer Zeit, in der die politische Lage nicht so war, wie sie heute ist. Und Worte wie "Hass" häufiger auftauchen als damals, als der Titel entstanden ist. Das war allerdings kein Grund für mich, den Titel zu ändern. Wer mich kennt oder sieht, weiß schon, in welche Richtung das geht und vor allem nicht geht. Und der Anglizismus "haten" wird ja vor allem im Rap verwendet. Deswegen "I Love 2 Hate", weil man eben gerne mal ein bisschen hatet und rumnörgelt. Natürlich auch auf Rap bezogen, aber auch auf andere Dinge.
MZEE.com: Gibt es konkrete Beispiele, woran du dich in letzter Zeit besonders gestört hast?
Marz: Na klar! Es ist nicht zu verleugnen, dass wir einen Rechtsstrom in Europa und jetzt leider auch sehr hart in Deutschland haben. Was nicht sein kann, weil da Dinge ganz einfach verallgemeinert werden. Das ist sowieso eine große Spezialität der Menschheit … Alles über einen Kamm zu scheren und dann Schuldzuweisungen an eine Gruppe von sich zu geben – das zieht sich ja so durch die Geschichte. Das ist sehr bedenklich und schade. Man weiß nicht, wo das Ganze noch hingehen soll. Und dieses stückweise "Rumgerechtle" in den Medien, sage ich mal, animiert viele Leute dazu, eine beschissene Meinung zu haben. Vor ein paar Jahren wurde man viel härter kritisiert, wenn man rechte Dinge von sich gegeben hat. Je mehr sich die Leute aber dran gewöhnen, desto eher rutscht man in eine Grauzone rein und mehr Leute denken sich: "Das, was ich von mir gebe, ist ja legitim." Das stört mich an der heutigen Zeit … Und dass der VfB in der zweiten Liga spielt. (lacht)
MZEE.com: In deinem Pressetext steht, dass du "ein reflektiertes und dennoch kritisches Bild der gegenwärtigen Gesellschaft" zeichnen möchtest. Nun war dein gerade genanntes Beispiel ja sehr negativ. Gibt es parallel dazu auch etwas Positives, das du auf dem Album reflektierst?
Marz: Das Simpelste ist eigentlich der Umkehrschluss … Dass wir ein multikulturelles Land sind oder sein wollen und deswegen unfassbar viele Einflüsse haben. Und man könnte den Leuten, die das nicht gut finden, die guten Seiten zeigen, die es mit sich bringt, wenn Leute hierherkommen und das Leben bereichern. Das ist für mich eine positive Sache der letzten Jahre. Auch wenn es in Europa nicht glattlief, wurden Grenzen abgebaut – das finde ich beispielsweise gut. Ganz simpel auf die Mucke bezogen, finde ich es positiv, was im deutschen Rap so abgeht. Dass sich Nischen nicht nur gebildet, sondern auch gefestigt haben und dass Künstler daraus entstanden sind, die qualitativ super sind und die Anerkennung verdienen. Zum Beispiel Fatoni – der tourt mit Dexter und hat ein erfolgreiches Album. Das finde ich sehr positiv.
MZEE.com: Uns ist aufgefallen, dass das neue Album in digitaler Form, als Tape und auf Vinyl, aber nicht auf CD erhältlich ist. Was genau hat dich dazu bewegt? Es ist doch eigentlich das üblichste Format …
Marz: Finde ich gar nicht mal. Vor allem, weil Rap und Vinyl ja eigentlich Hand in Hand gehen. Grundlegend war das schon in meinen Anfangstagen so. Damals hatte ich eine EP und dachte mir: Bringen wir das Ganze doch nur auf Vinyl und digital raus. Da war es noch eine Wunschvorstellung, weil der Markt noch nicht so krass war, wie er in den letzten zwei bis drei Jahren wieder geworden ist. So, dass man wieder pressen kann und wir Mixtapes und sogar eine Maxi mit Lakmann machen konnten. Die Sachen sind jetzt alle weg. Und dass sich das so entwickelt hat, hängt sicher auch mit Kosten zusammen. Ganz ehrlich, wir fahren das selber mit wirscheissengold. Und da spielt man wochen- und monatelang mit Kostenbergen rum und überlegt sich: Was ist rentabel? Also, ist es rentabel, 8.000 Euro für ein Video auszugeben oder eher 3.000 für drei? Und am Ende sind wir zu dem Entschluss gekommen, dass es nicht so rentabel ist, CDs zu machen, sondern vielleicht ein paar CD-Käufer dazu zu bewegen, die Vinyl zu kaufen, weil der Downloadcode dabei ist.
MZEE.com: Hat man nicht Angst, deswegen Käufer zu verlieren?
Marz: Sagen wir mal, wir hätten es ja auch darauf anlegen können, zu charten. Wir hätten die Boxen an Amazon gegeben und eine CD dazugepackt. Was wir gemacht haben, ist die andere Richtung – im eigenen Shop mit viel Handarbeit. Hätten wir das anders gemacht, wäre das viel aufwendiger gewesen von der Produktionszeit, wir hätten noch viel früher anfangen und es rausgeben müssen, um zu charten. Ich glaube, wenn wir das gemacht hätten, dann wäre die Angst da, weil man andere Erwartungen gehabt hätte. Und jetzt feiern wir es, wenn die Auflage weg ist und wir nachpressen können. Wenn die Nachfrage mal so groß sein sollte – aber da sprechen wir von anderen Dimensionen –, dann kann man auch mal eine CD nachpressen. Aber für das erste Release finde ich es eine sehr gute Herangehensweise.
MZEE.com: Also kann man das als Startschuss bezeichnen? Der nächste Schritt wäre dann mit Boxen und Charts …
Marz: Ja, wir lernen natürlich auch daraus. Das neu aufzulegen, wenn die Vinyls weg sind, ist ja ein normaler Schritt. Wir haben nicht gesagt, dass wir wie bei den Colour-Vinyls nur dreihundert bis fünfhundert Stück machen. Deswegen wird auf jeden Fall nachproduziert, wenn die Nachfrage da ist. Nur Boxen werden wir nicht mehr machen. Davon gibt es hundert Stück und die Leute sollen sich wirklich darüber freuen, dass sie eine von ihnen bekommen haben. Aber man weiß nie, was passiert. Als ich damals die Mixtapes zum Download rausgebracht hab', habe ich auch nicht gedacht, dass es die zwei Jahre später als Colour-Vinyl gibt. Wenn wir jetzt aber sehen, dass wir damit schiefgelaufen sind, kann man bei Sickless' nächstem Album oder meinem Mixtape die richtigen Schlüsse daraus ziehen. Deswegen machen wir das mit WSG selbst.
MZEE.com: Nun ist in der Box ja ein Tape dabei – hast du das mehr als Gimmick gesehen?
Marz: Ja, auf jeden Fall. Bei Tapes bist du ja auch viel eingeschränkter und am Ende war die Produktion nicht so teuer. Es ist halt schön, ein anderes Medium mitreinzunehmen – vor allem für den Oldschool-Charme.
MZEE.com: Hast du denn noch selbst ein Tapedeck?
Marz: Ich bekomme eins! Tapes waren ein Thema im Freundeskreis und mir wurde gestern ein Tapedeck von dem befreundeten DJ Diversion angeboten. Er hat noch zwei und fragte mich, ob ich eins will. Will ich, will ich! Ich hab' noch Eimsbush-Tapes und solche Sachen. Ich finde es schön, sich auch die Zeit nehmen zu müssen, nicht skippen zu können und mal sechzig Minuten durchzuhören.
MZEE.com: Mit Lakmann und Kamp hast du dir in letzter Zeit bereits zwei Featureträume erfüllen können. Gibt es weitere Namen, mit denen du in den nächsten Jahren gerne zusammenarbeiten würdest?
Marz: Ja, klar. Aber die sind alle tot. (lacht) Nee, nee, Spaß beiseite. Es gibt in Deutschland immer noch Leute, international auch. Aber das ist uninteressant – außer wir haben Geld. Dendemann ist ganz vorne dabei. Da habe ich insgeheim gehofft, dass er noch mit aufs Album kommt, aber das hat leider nicht geklappt. Er hat aber genug mit Böhmermann und der wiederum mit türkischen Anklagen zu tun. Daher glaube ich, dass er nicht wirklich die Zeit hat. Und man kennt sich auch nicht so. Rakete hat Kontakt zu ihm, macht auch, glaube ich, was mit ihm. Und ich vielleicht auch irgendwann.
MZEE.com: Bei solchen Features gibt es immer mal die Kritik, dass man sich an großen Namen hochziehen will. Wie würdest du einer solchen Kritik entgegnen?
Marz: Boah … Keine Ahnung, ehrlich gesagt. Mich hat es gewundert, dass die Vorwürfe nicht so krass kamen. Ich hatte früher schon mal eine Band, Black n Proud hieß die. Da haben wir mit Franky Kubrick gearbeitet. Danach waren die Vorwürfe krass und es hieß: "Ihr zieht euch ja hoch." Aber man hat sich halt gekannt, gechillt – und dann ist es logisch, dass man mal einen Track zusammen macht. Bei der "Hoes. Flows. Kollabos."-Platte aber gar nicht, weil da eben ein Konzept hinter war. Ich glaube auch nicht, dass man sich anhören muss, warum das so gemacht wurde, wenn man ein solches Konzeptalbum macht. Und gerade auf diesem Album sind die Features mit Bedacht gewählt. Wer Kamp kennt und das eine Lied … Da war klar, dass er die Hook machen muss und es ist ja – in Anführungszeichen – nur eine Hook. Und bei Laki war die Herangehensweise so, dass wir nach "Wer Aaaahh sagt" einen livetauglichen Track machen wollten, getrennt voneinander und mit Hook in der Mitte. Und Rakete ist so dazugestolpert. Der war einfach mal da und ist darauf gelandet. Er hat bei vorherigen Tracks hier und da schon mal Adlibs oder mal eine Line gemacht. Und so war das dann … Die Leute sollen schon Bock haben, denn ich habe keine Lust, den Leuten hinterherzurennen und achtundzwanzig E-Mails zu schreiben – außer bei Kamp. Es ist nichts Eingekauftes – nicht umsonst heißt auf "Hoes. Flows. Kollabos." der erste Track "Ich bezahl niemanden dafür". Wir haben einmal Geld ausgegeben für Rise aus den USA – ein paar hundert Dollar. Wir haben ihn damals zu Black n Proud-Zeiten gesehen. Das war einfach so ein Fan-Ding und ein paar hundert Dollar sind ja nicht viel, wenn man zusammenlegt. Aber ansonsten soll es auf gegenseitigem Respekt und Feierei basieren, dass man wirklich Musik macht. Sonst hört man das vielleicht auch.
MZEE.com: Als "Team Popbizenemy" bist du 2008 gemeinsam mit Juse Ju und Bonzi Stolle bei "Feuer über Deutschland" angetreten. Die Serie legte den Grundstein für die heute florierende Live Battle-Szene in Deutschland. Hast du schon mal daran gedacht, wieder bei einem dieser Formate teilzunehmen?
Marz: Da muss das Format schon sehr reizvoll sein. Sickless hat vor zwei Jahren beim #MOT mitgemacht. Ich bin ein Jahr später gefragt worden, aber hatte einfach nicht die Zeit. Ich weiß, wie viel Zeit das in Anspruch nimmt – das ist echt Hektik. Gut, bei "Feuer über Deutschland" ist es ja so, dass du zwei bis drei Parts schreibst und einen Tag hingehst. Aber wenn das Format cool ist, dann bin ich jedem Schwachsinn gegenüber offen.
MZEE.com: Gibt es in dieser heutigen Szene ein Battle, das dich besonders fasziniert hat?
Marz: Ja, ich fand Laas Unltd. ganz gut. Aber ich bin da nicht ganz so hinterher. Es gibt bestimmt extrem viele Leute, die auch extrem gut abgehen, die mir aber gar nichts sagen. Das ist mehr so ein Zeit-Ding, keine Ignoranz. Aber was die Leute von DLTLLY machen, finde ich geil. Auch, dass sie überall hingehen und jedem – von ganz neuen Leuten, die noch nie auf einer Bühne gestanden haben, bis hin zu etablierten – eine Plattform geben. Aber wie gesagt: Laas ist für mich mit dem, was er gegen Drob Dynamic gemacht hat, rausgestochen. Was ich aber sehr, sehr lustig fand – um auch den Bogen zu "Feuer über Deutschland" zu spannen –, war dieses Team-Battle von Gregpipe, das er mit Basic zusammen gemacht hat. Weil Gregpipe dort aus seiner, ich sag' mal, aalglatten Fassade ausgebrochen ist und mal ein bisschen Humor gezeigt hat. Das war sehr lustig und ist mir positiv in Erinnerung geblieben. Und was ich vergessen habe: Dieses Compliments-Battle von Johnny Rakete und Kex Kuhl bei DLTLLY fand' ich sehr, sehr unterhaltsam. Das ist, glaube ich, auch das neueste von denen. Ist auf jeden Fall cool, mal jemandem zu schmeicheln, statt zu fronten.
MZEE.com: Würden wir mal davon ausgehen, dass du mitmachst: Wer wäre dir als Gegner denn lieber – ein Newcomer oder ein gestandener Künstler?
Marz: Ganz klar lieber ein gestandener Künstler, weil ich mich selbst dazuzähl', auch nach Jahren. Da wird ja sogar noch ein Fatoni als Newcomer bezeichnet. (lacht) Ich bin halt ein fauler Mensch, ich will nicht so viel recherchieren. (lacht) Man hat nicht immer das Glück wie Eminem bei "8 Mile", dass man von einer Ollen mitkriegt, dass der Clarence auf einer Private School war.
MZEE.com: Verfolgt man dich bei Facebook, sieht man, dass du glühender Fußball-Fan bist. Du hast dir zudem mit dem VfB Stuttgart einen großen Traditionsverein ausgesucht. Nun gibt es mit Rasenballsport Leipzig ein neues Feindbild in der Szene. Ein großer Investor hat aus dem Nichts einen Verein übernommen, viele Millionen investiert und schon in der zweiten Liga teure Spieler gekauft. Wie kritisch siehst du dieses Konstrukt?
Marz: Man kann kein Fan von RB Leipzig sein. Da geht es um die Art und Weise. Wie eingeigelt und lobbyistisch ist so ein Verein aufgebaut, der gefühlt zwanzig Mitglieder hat … Verarschen lassen muss ich mich nicht, das ist zu übertrieben. Aber das ist es in jeder anderen Form auch und Politik ist auch immer ein bisschen Verarsche. Zumal man ja nicht sagen kann, dass Leipzig mit Bedacht ausgewählt wurde und er sich gesagt hat: "Hey, da passiert nichts. Wir mögen die Leipziger so arg und wir wollen denen jetzt einen Fußballverein geben." Sondern da war halt nichts und er hat kaufen können. Hätte er in Buxtehude einen Fußballverein kaufen können, hätte er es auch da gemacht. Und das in der Öffentlichkeit umzudrehen, ist Heuchelei – das erweckt keine Sympathien.
MZEE.com: Dazu passend steht in Deutschland immer wieder die 50+1-Regel in der Kritik. Demnach dürfen in Deutschland keine Investoren einen Verein komplett übernehmen, die Mehrheit muss dem Verein selbst gehören. Es heißt, dass deutsche Vereine dadurch nicht wettbewerbsfähig seien. Würdest du den Fall dieser Regelung begrüßen, um den Weg für Investoren freizumachen?
Marz: Das ist immer ein zweischneidiges Schwert. Ein großer Fan wäre ich von der Aufhebung nicht, weil dann alles so wild durchgemischt wird. Am Ende gibt es Leute, die nah am Geldtopf sind – und andere nicht. Und es tut dem Fußball im Allgemeinen nicht so gut, wenn weniger Traditionsvereine in den oberen Ligen spielen, weil du dann einfach viel weniger Gift und Reibungsfläche in den Duellen hast. Genau davon lebt aber der Fußball. Weil das eben nicht vorhersehbarer Sport ist. Andere Shows kann man sicher hochpushen, weil es eben auch Shows sind. Aber im Fußball geht das nicht.
MZEE.com: Ich finde, in Sachen Stimmung ist Stuttgart mit 30 000 Fans oder selbst Kaiserslautern mit einem halbleeren Stadion eine ganz andere Liga im Vergleich zu Ingolstadt, Leipzig oder Hoffenheim. Da steckt eine ganz andere Emotion drin. Nichtsdestotrotz gibt es ja den Vergleich zum englischen Fußball, wo man finanziell nicht hinterherkommt …
Marz: Fußballvereine sind ja nur so groß geworden, weil sie eine gewisse Region vertreten und so ein gewisses Einzugsgebiet haben, in dem sie Leute begeistern können. Vereine leben dadurch weiter, denn: Wie viele Vereine sind durch Faninitiativen in den letzten Jahren gerettet worden … Bei einem Investor ist das viel grundlegender. Wenn beispielsweise Kaiserslautern über Jahre scheiße spielt, ist der Betze (Anm. d. Red.: Betzenberg, Heimspielstätte des 1. FC Kaiserslautern) trotzdem voll und es kommt Geld rein, es gibt Arbeitsplätze und man hat etwas davon. Hat aber der Investor irgendwann keinen Bock mehr, dann ist beispielsweise Ingolstadt gefickt. Dann werden sie durchgereicht, weil das Geld nicht mehr da ist. Das beschreibt es ganz gut. Sonst können wir auch aufhören, die Vereine nach Städten zu benennen und stattdessen Konzerne nehmen, wie es Red Bull macht. Dann wären wir bei der NBA. Wobei die Vereine da einen Salary Cap haben, an den sie sich halten müssen. So hast du jedes Jahr einen neuen Wettbewerb, woran man hier auch mal denken könnte – Stichwort TV-Geld und England. Was aber natürlich nicht passiert, denn wenn die Leute mal in den Töpfen sitzen, gehen sie auch nicht mehr raus.
MZEE.com: Wenn Fußballer, Trainer oder Verantwortliche nach dem Spiel interviewt werden, kommen am Ende oft lustige Zitate dabei heraus. Berti Vogts hat beispielsweise mal etwas bezüglich Hass gesagt: "Hass gehört nicht ins Stadion. Solche Gefühle soll man gemeinsam mit seiner Frau daheim im Wohnzimmer ausleben." – Dein Verein hat mittlerweile Kevin Großkreutz im Team – ich kann mir vorstellen, dass es für dich auch ein Lieblingszitat, eine Aussage oder Anekdote rund um den Fußball gibt …
Marz: Boah, schwierig. Da greifst du in eine riesige Kiste an Erinnerungen, die alle mit Alkohol getränkt sind. (lacht) Nee, schwierig … Aber wenn du schon Großkreutz sagst: Wir haben die Wasen, also ein Oktoberfest in klein, aber nicht minder eklig. Da gibt's normalerweise einen großen Mannschaftsausflug und alle trinken Apfelschorle und grinsen in die Kameras. Aber der Großkreutz muss in der Woche allein über die Wasen gelaufen sein und hat sich mit Schaustellern über das Schaustellerdasein unterhalten und darüber, dass beide ja irgendwie Entertainer seien. Das ist vielleicht eine Anekdote, um zu sagen: Mehr Leute wie Kevin Großkreutz und weniger wie Martin Kind.
MZEE.com: In eine ähnliche Kerbe schlägt Zlatan Ibrahimović. Er wird geliebt und gehasst, haut permanent große Sprüche raus, verbietet seiner Mannschaft, Interviews zu geben – und sein Team sagt am Ende: "Zlatan hat uns verboten, mit euch zu sprechen."
Marz: Ja, voll gut! Bester Mann! Der hat auf jeden Fall verstanden, wie das ganze Ding funktioniert. Er hat ja auch einen ausgeprägten Humor. Bei ihm zu Hause wird es wahrscheinlich ähnlich zugehen. Da weiß ja auch jeder, wie er das meint. Für mich ganz persönlich ein Riesentyp. Er soll von mir aus noch zehn Jahre spielen. Wenn er irgendwann Trainer wird, haben wir eine tolle Fußball-Zukunft vor uns. Boah, hoffentlich wird der Trainer … (lacht)
(Fabian Thomas & Lukas Rauer)
(Fotos von FOTONOID)