Er fragt nach 'nem Selfie, Autogramm auf die Air Max.
Er sagt, Aggro Berlin gefällt ihm, aber der neue Style ist sehr wack.
Sido ist mit seiner Diskografie erwachsen geworden und spätestens seit "30-11-80" bedient er eine komplett andere Klientel als zu Beginn seiner Karriere. Wo es früher darum ging, am Wochenende im Club abzustürzen, stehen nun Vatersorgen im Fokus. In Anbetracht dessen, dass das Debüt "Maske" mittlerweile zehn Jahre auf dem Buckel hat, ist dies auch absolut legitim. Und mal ehrlich, es gibt Schlimmeres: In dieser Dekade hätte Paul Würdig auch zum Pop-Produkt verkommen können, das Hits vorkalkuliert und Alben so lieblos produziert, dass es reichen würde, sie einfach nur noch durchzunummerieren …
"VI" ist das – Überraschung – sechste Album von Sido. Und so uninspiriert wie der Name wirkt leider auch die Platte selbst. Nach dem Vorwort des "lustigen" Teddy Comedy für ein paar Lacher 12-jähriger YouTube-Kids erwartet den Hörer Musik nach Schema F. Auf Hochglanz polierte Popbeats samt eingängigen Hooks lassen Tracks wie "Für ewig", "Löwenzahn" oder "Zu Straße" mal euphorisch, mal nachdenklich, aber letztlich einfach zu monoton wirken. Die Frage, welchen der beiden Garanten für deutsche Kollektiv-Glücksgefühl-Hymnen man für das Album gewinnen sollte, wird mit "Ja" beantwortet und so geben sich sowohl Adel Tawil als auch Andreas Bourani die Ehre. In die Texte sind hierbei butterweiche Moral- und Motivationsstrophen gepackt, damit die geplante Landung in den Charts möglichst sanft verläuft. Gesellschaftskritisch wird gegen überzogenes Konsumverhalten gewettert, denn da sind sich sowieso alle einig. Nur: "Zu wahr" verliert seine Aussage zwischen pathetischen Klaviertönen und der ausdrücklichen Betonung, der Track solle zum Nachdenken anregen.
Dass ein 34-Jähriger nicht mehr den Mittelfinger gegen die Obrigkeit, sondern lieber den moralischen Zeigefinger in Richtung Jugend erhebt, ist verständlich. Doch scheint auf Sidos Weg von "Maske" zu "VI", vom rappenden Straßenjungen zum Berufsmusiker und von Rap zu Pop leider auch viel vom einstigen Charme und Feuer verloren gegangen zu sein.
(Daniel Fersch)
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