"Okay – was habe ich verpasst?" Eine Frage, der wohl jeder von uns schon einmal begegnet ist. Egal, ob man sie selbst gestellt hat oder mit ihr konfrontiert wurde. Manchmal kommt einfach der Zeitpunkt, an dem man sich vor allem eines wünscht: "Bringt mich doch mal auf den neuesten Stand!" Doch wie antwortet man darauf? Was hält man für besonders erwähnenswert? Es ist schwer, eine kurze, aber vollständige Antwort darauf zu finden. Wie misst man überhaupt Relevanz? An medialem Hype? Am Überraschungsfaktor? Oder doch an dem musikalischen Anspruch? In "Hört, hört!" geht es um das alles, reduziert auf zwei Veröffentlichungen. Ein Release, das vor allem im Untergrund auf Zuspruch gestoßen ist, und eines, das in der breiten Öffentlichkeit wahrgenommen wurde. Zwei Werke, die wir nicht unbedingt gut finden müssen, aber eine gewisse Relevanz oder eine Bedeutung jeglicher Art für die hiesige Raplandschaft besitzen. Zwei Werke, die am Ende des Monats vor allem eines aussagen: "Hört, hört! Genau das habt ihr verpasst!"
MC Bomber & MecsTreem – Storch oder Affen EP
"MCB wurde geboren, rappte und starb" – die wohl kürzeste Facebook-Biografie eines Rappers, der definitiv seinesgleichen sucht. Doch mit dem Produzenten MecsTreem scheint er sein Pendant im August gefunden zu haben. Die logische Konsequenz also: Die "Storch oder Affen EP".
Der Berliner ist ein Phänomen für sich und das ist wohl unbestreitbar. Genauso wenig wie die Tatsache, dass er mehr als nur ein klein wenig verrückt ist. Wer sonst wirft Fragen auf wie: "Was willst du darstellen? Ein' Storch oder Affen?" Für all diejenigen, die diese Frage auch erst einmal verwirrt, erklärte MC Bomber bereits: "Ist halt die Frage – willst du ein Idiot sein oder willst du ein Vollhorst sein?" MCB zeigt keinerlei Respekt für nichts und niemanden und wirkt am Ende des Tages oftmals einfach wütend. Das zeigt sich auch in der Art und Weise, wie er rappt. Alles erinnert an nicht ganz so makellosen Rap, wie er noch vor zehn Jahren war, ohne dabei veraltet oder gar eingestaubt zu wirken. In gewisser Weise ist dieser Bruch von der aktuellen Norm sogar mehr als erfrischend und durchaus unterhaltsam.
Mit MC Bombers eigenwilligem Humor bietet die "Storch oder Affen EP" ein Werk, an dem sich definitiv die Geister scheiden werden. Entweder lässt man sich darauf ein und kann gnadenlos mitfeiern oder man wird völlig kalt gelassen. Nichtsdestotrotz bietet gerade diese spezielle Eigenart einen mehr als deftigen Grund dafür, der EP eine Chance zu geben.
(Lukas Maier)
Chefket – Nachtmensch
Wir erleben derzeit eine Hochphase von deutschem Rap. Sprechgesangsartisten sind mit ihrer Musik erfolgreich wie nie und setzen sich fast im Wochentakt auf den oberen Plätzen der Charts fest. Doch in gewisser Weise ist der Mainstream auch der Feind der Kunst: Viele veröffentlichte Alben wirken wie lieblos zusammengewürfelte Produkte für den Massenmarkt.
Nicht so "Nachtmensch" von Chefket. Der Wahlberliner liebt und lebt die Musik – und das ist auf seinem aktuellen Album kaum zu überhören. Beeinflusst von Jazz, Neo-Soul und Rap webt er zusammen mit seinem Produzenten Farhot einen stimmigen Klangteppich, der sich konsequent durch die zwölf Songs zieht. Hierbei ist das Talent des Rappers scheinbar grenzenlos: Astreine Rapskills, clevere und mitreißende Lyrics und eine tolle Gesangsstimme – ein derart rundes Gesamtpaket wie das von Chefket hat der deutsche Rap selten gesehen. Doch ist es nicht nur das Skillset des Musikers, das "Nachtmensch" so besonders macht. Es ist die sympathische Verträumtheit, mit welcher der "glücklichste Rapper" seine Weltansicht präsentiert und die einen in ruhigen Momenten tatsächlich "fliegen" lässt.
Nachdenklich, schlau, dann wieder wunderschön und beinahe kitschig: Chefket ist zwar ein "Nachtmensch", seine Denkweise ist aber alles andere als finster. Er präsentiert facettenreich die ganze Palette an menschlichen Emotionen und gibt Denkanstöße – immer mit einem hoffnungsvollen Lächeln auf den Lippen. Das – und die dichte Atmosphäre der durchgehend stimmigen Produktionen – macht die Platte zu einem liebevollen Projekt, das man gehört haben sollte.
(Florian Peking)