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Plattenkiste

Amewu – 2009-2013

Egal, ob Album, Gratis-​Mixtape oder Lieb­lings­song – in unse­rer "Plat­ten­kis­te" stel­len wir Euch regel­mä­ßig die Per­len unse­rer redak­ti­ons­in­ter­nen Samm­lun­gen vor. Die­ses Mal: Ame­wu mit "2009-​2013".

"Was?! Du kennst das nicht? Sekun­de, ich such' dir das mal raus." Und schon öff­net sich die Plat­ten­kis­te. Wer kennt die­sen Moment nicht? Man redet über Musik und auf ein­mal fällt ein Name – egal ob von einem Song, einem:einer Künstler:in oder einem Album – mit dem man nicht so recht etwas anzu­fan­gen weiß. Und plötz­lich hagelt es Lob­prei­sun­gen, Hass­ti­ra­den oder Anek­do­ten. Gera­de dann, wenn der:die Gesprächspartner:in ins Schwär­men ver­fällt und offen zeigt, dass ihm:ihr das The­ma wich­tig ist, bit­tet man nicht all­zu sel­ten um eine Kost­pro­be. Die Musik setzt ein und es beginnt, was der Per­son so sehr am Her­zen zu lie­gen scheint. In die­sem Fall – was uns so sehr am Her­zen liegt: Ein Aus­zug aus der Musik, mit der wir etwas ver­bin­den, die wir fei­ern, die uns berührt. Ein Griff in unse­re Plat­ten­kis­te eben.

 

Ame­wu berich­te­te in der Ver­gan­gen­heit immer wie­der davon, dass er sich aus ver­schie­dens­ten Grün­den schwer damit tut, Musik zu ver­öf­fent­li­chen. Sein jüngs­tes Album "Haben oder Sein" erschien gan­ze zehn Jah­re nach sei­nem letz­ten Album im Jahr 2012. Davor ver­öf­fent­lich­te der Rap­per 2020 jedoch enorm spon­tan "2009-​2013".

Wie der Titel schon ver­mu­ten lässt, han­delt es sich bei dem Release um eine Art Lost Tape bestehend aus zehn Songs aus den Jah­ren 2009 bis 2013. Im Gegen­satz zu vie­len ande­ren Releases die­ser Art hören sich die Songs in Ame­wus Ver­si­on aber weder unfer­tig noch zusam­men­hangs­los an. Sowohl Sound als auch Inhalt fol­gen einem kla­ren roten Faden. Gesell­schafts­kri­tik, per­sön­li­che Gedan­ken über die eige­ne men­ta­le Ver­fas­sung und poli­ti­sche State­ments wir­ken nicht alt­ba­cken oder aus der Zeit gefal­len, obwohl die Tracks bei Erschei­nen teil­wei­se über zehn Jah­re alt sind. Das Album besticht beson­ders durch eine Ehr­lich­keit, die mich immer wie­der berührt. Das Intro "Demo­cra­zy", das der Rap­per selbst pro­du­zier­te, und das Out­ro "Aus­ein­an­der­wei­nen" bil­den dafür die per­fek­te Klam­mer. Zei­len wie "Ver­ste­cke mich in einer Traum­welt vor dem, was drau­ßen so war­tet. Lese Zah­len und Berich­te der Gegen­wart und Geschich­te, um zu ver­ste­hen, wer wen wes­we­gen gra­de ver­nich­tet" cat­chen mich emo­tio­nal, weil auch ich ger­ne mal ver­su­che, men­tal zu flüch­ten und par­al­lel trotz­dem mit rea­len Pro­ble­men kon­fron­tiert bin. Der Ber­li­ner behan­delt aber nicht immer nur die ganz tief­grün­di­gen The­men. Dies bewei­sen Songs wie "Lang­sa­mer" oder "Ber­lin e São-​Paulo" feat. Emici­da, auf denen er sei­ne unnach­ahm­ba­ren Rap-​Skills präsentiert.

Obwohl ein Teil der Tracks bereits län­ger auf You­Tube ver­füg­bar oder Teil von Com­pi­la­ti­ons bezie­hungs­wei­se gebrann­ten CDs war, bin ich Ame­wu dank­bar, dass er die­se Samm­lung als geschlos­se­nes Werk ver­öf­fent­licht hat. Es wäre eine Schan­de, Hits wie "Lang­sa­mer" nur live hören zu kön­nen. Zum Glück ist das seit Mit­te 2020 nicht mehr der Fall. Ich wür­de Ame­wu ger­ne dazu ermu­ti­gen, mehr sei­ner Musik mit uns zu tei­len. Denn die­se ist unglaub­lich wert­voll, unab­hän­gig davon wie alt sie ist.

(Alec Weber)