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Westside Gunn – Pray For Paris

Egal, ob Album, Gratis-​Mixtape oder Lieb­lings­song – in unse­rer "Plat­ten­kis­te" stel­len wir Euch regel­mä­ßig die Per­len unse­rer redak­ti­ons­in­ter­nen Samm­lun­gen vor. Die­ses Mal: West­side Gunn mit "Pray for Paris".

"Was?! Du kennst das nicht? Sekun­de, ich such' dir das mal raus." Und schon öff­net sich die Plat­ten­kis­te. Wer kennt die­sen Moment nicht? Man redet über Musik und auf ein­mal fällt ein Name – egal ob von einem Song, einem:einer Künstler:in oder einem Album – mit dem man nicht so recht etwas anzu­fan­gen weiß. Und plötz­lich hagelt es Lob­prei­sun­gen, Hass­ti­ra­den oder Anek­do­ten. Gera­de dann, wenn der:die Gesprächspartner:in ins Schwär­men ver­fällt und offen zeigt, dass ihm:ihr das The­ma wich­tig ist, bit­tet man nicht all­zu sel­ten um eine Kost­pro­be. Die Musik setzt ein und es beginnt, was der Per­son so sehr am Her­zen zu lie­gen scheint. In die­sem Fall – was uns so sehr am Her­zen liegt: Ein Aus­zug aus der Musik, mit der wir etwas ver­bin­den, die wir fei­ern, die uns berührt. Ein Griff in unse­re Plat­ten­kis­te eben.

 

Der Rap­per West­side Gunn aus Buf­fa­lo war lan­ge Zeit ein Geheim­tipp inner­halb der US-​amerikanischen HipHop-​Szene. Dies änder­te sich aller­dings im Jahr 2020 mit dem Release sei­nes drit­ten Stu­dio­al­bums "Pray for Paris", das ihm den inter­na­tio­na­len Durch­bruch bescher­te. Auch für mich war es das ers­te Mal, dass ich den Gri­sel­da Records-​Leader zu hören bekam. Und ich wuss­te gleich, dass mich die­ses Album nach­hal­tig musi­ka­lisch prä­gen wird.

"Pray for Paris" wirkt wie aus einem Guss – vom Cover über den Sound bis hin zum Inhalt passt ein­fach alles per­fekt zusam­men. Unzäh­li­ge Kunst- und Fashion-​Referenzen tref­fen auf bru­ta­le Street Tales. So zeich­net West­side Gunn die absur­de Welt eines Drogen-​Millionärs, der sich Kokain-​Blöcke von Vir­gil Abloh signie­ren lässt. Sei­ne Geschich­ten trägt er mit lei­ern­der Stim­me und Laid Back-​Flow vor, der vor Igno­ranz nur so strotzt. Die Feature-​Parts von unter ande­rem Fred­die Gibbs, Tyler, The Crea­tor und Joey Bada$$ fügen sich per­fekt in die Songs ein und sor­gen für Abwechs­lung in dem ansons­ten sehr homo­ge­nen Album. Aller­dings sind es dann doch die Beats, die die­ses Album so beson­ders für mich machen. Der Sound der Plat­te ist maß­geb­lich vom Boom bap der 90er Jah­re inspi­riert, ohne dabei alt­ba­cken zu klin­gen. Gefil­ter­te Drums und per­fekt gepick­te Samples machen aus dem alten Klang ein völ­lig neu­es Erleb­nis. Die über­ra­gen­den Instru­men­tals auf dem Pro­jekt stam­men von den Gri­sel­da Records-​Hausproduzenten Dar­in­ger und Con­duc­tor Wil­liams, aber auch von Producer-​Veteranen wie The Alche­mist und DJ Pre­mier.

"Pray for Paris" von West­side Gunn ist – trotz des klas­si­schen Sounds – ein Meis­ter­werk des moder­nen Raps. Boom bap hat mit die­sem Album ein lan­ge benö­tig­tes Update bekom­men, indem West­side Gunn die Deli­very und Igno­ranz der aktu­el­len Rap-​Generation mit der Ästhe­tik der 90er Jah­re ver­eint. Dar­aus ist eine Plat­te ent­stan­den, die mich seit ihrem Release kon­stant beglei­tet und noch lan­ge beglei­ten wird.

(Nico Maturo)