Kategorien
Plattenkiste

LinusPlusMinus – Rush Hour EP

Egal, ob Album, Gratis-​Mixtape oder Lieb­lings­song – in unse­rer "Plat­ten­kis­te" stel­len wir Euch regel­mä­ßig die Per­len unse­rer redak­ti­ons­in­ter­nen Samm­lun­gen vor. Die­ses Mal: Linus­Plus­Mi­nus mit "Rush Hour EP".

"Was?! Du kennst das nicht? Sekun­de, ich such' dir das mal raus." Und schon öff­net sich die Plat­ten­kis­te. Wer kennt die­sen Moment nicht? Man redet über Musik und auf ein­mal fällt ein Name – egal ob von einem Song, einem:einer Künstler:in oder einem Album – mit dem man nicht so recht etwas anzu­fan­gen weiß. Und plötz­lich hagelt es Lob­prei­sun­gen, Hass­ti­ra­den oder Anek­do­ten. Gera­de dann, wenn der:die Gesprächspartner:in ins Schwär­men ver­fällt und offen zeigt, dass ihm:ihr das The­ma wich­tig ist, bit­tet man nicht all­zu sel­ten um eine Kost­pro­be. Die Musik setzt ein und es beginnt, was der Per­son so sehr am Her­zen zu lie­gen scheint. In die­sem Fall – was uns so sehr am Her­zen liegt: Ein Aus­zug aus der Musik, mit der wir etwas ver­bin­den, die wir fei­ern, die uns berührt. Ein Griff in unse­re Plat­ten­kis­te eben.

 

Wir schrei­ben den Monat Mai im Jahr 2020. Shirin David, Capi­tal Bra und Lore­da­na sowie Apa­che 207 ste­hen in die­sem Monat auf Platz eins der Deut­schen Sin­gle Charts. Deutschrap ist im Main­stream fest eta­bliert. Doch auch im Unter­grund bro­delt eini­ges. Unter ande­rem ver­öf­fent­li­chen Kwam.E & Tom Hengst ihr Album "Con­cre­te Cow­boys". Und auch in deren Umfeld pas­siert Span­nen­des – wie etwa die "Rush Hour EP" des Rap­pers Linus­Plus­Mi­nus.

Auf ihn auf­merk­sam gewor­den bin ich durch sei­ne Fea­tures mit oben genann­ten Rap­per­kol­le­gen. Dass er, wie er es selbst auf der EP betont, viel unbe­kann­ter ist als sie, kann ich nicht ver­ste­hen, denn er ist genau­so talen­tiert und hat einen fres­hen, eige­nen Style. Zudem gefal­len mir sei­ne rotz­fre­chen, poin­tier­ten Lyrics genau­so sehr wie die simp­len, ent­spann­ten und atmo­sphä­ri­schen Beats, die Linus­Plus­Mi­nus gepickt hat. Bei­gesteu­ert wur­den die­se von lobi9, Ger­do G und Lou­is Kreye. Letz­te­rer, eigent­lich eher aus der Ham­bur­ger Elektro-​Szene bekannt, zeich­net außer­dem haupt­ver­ant­wort­lich für die Pro­duk­ti­on. Inhalt­lich geht es auf der Plat­te haupt­säch­lich um das Rum­lun­gern auf der Stra­ße, Sprü­hen und die Fol­ge von letz­te­rem, näm­lich Clinch mit den Cops. Locker flo­ckig erzählt der jun­ge Künst­ler, was ihn umtreibt. Dabei wird viel auf alt­be­kann­te Kli­schees gesetzt – immer mit einem Augen­zwin­kern. Linus­Plus­Mi­nus kom­bi­niert bewähr­te Kon­zep­te wie das Ver­spot­ten der Poli­zei mit neu­en, lus­ti­gen Per­spek­ti­ven in Lines wie "Die Poli­zis­tin will mich daten wegen mei­ner schar­fen Schrift". Dadurch ist die EP ange­nehm erfri­schend. Auch sei­ne Wort­wahl ist eine Mischung aus alt­ver­trau­tem, boden­stän­di­gem Nord­deutsch mit einem moder­nen Take.

Wer auf rum­pe­li­ge Beats und klas­si­schen Boom bap steht, dem wird der Sound des Ham­bur­gers gefal­len. Die EP macht Lust auf mehr und man kann nur hof­fen, dass das Debüt­al­bum von Linus­Plus­Mi­nus irgend­wann fol­gen wird. Denn er hat sicher noch eini­ges an Geschich­ten für uns in petto.

(Malin Tee­gen)