"Was?! Du kennst das nicht? Sekunde, ich such' dir das mal raus." Und schon öffnet sich die Plattenkiste. Wer kennt diesen Moment nicht? Man redet über Musik und auf einmal fällt ein Name – egal ob von einem Song, einem:einer Künstler:in oder einem Album – mit dem man nicht so recht etwas anzufangen weiß. Und plötzlich hagelt es Lobpreisungen, Hasstiraden oder Anekdoten. Gerade dann, wenn der:die Gesprächspartner:in ins Schwärmen verfällt und offen zeigt, dass ihm:ihr das Thema wichtig ist, bittet man nicht allzu selten um eine Kostprobe. Die Musik setzt ein und es beginnt, was der Person so sehr am Herzen zu liegen scheint. In diesem Fall – was uns so sehr am Herzen liegt: Ein Auszug aus der Musik, mit der wir etwas verbinden, die wir feiern, die uns berührt. Ein Griff in unsere Plattenkiste eben.
Bevor die Antilopen Gang ihre großen Erfolge erzielt hat, veröffentlichte die damals vierköpfige Rap-Crew ihre Musik über die eigene Website zum kostenlosen Download. Im Zuge dieser zahlreichen Releases bleibt mir besonders die "Aschenbecher EP" von NMZS und Danger Dan noch bis heute im Gedächtnis.
Die komplette EP ist an einem einzigen Tag im Herbst 2012 geschrieben worden – das schreiben die beiden zumindest in der zugehörigen Textdatei. Es wirkt so, als hätten sie ihre damalige Lebensphase vollständig in Form von Musik konserviert: Die verdichtete Atmosphäre der elf Songs weiß mich auch nach zehn Jahren noch in ihren Bann zu ziehen. Nachdem sich Daniel und Jakob auf "Kontaktanzeige" selbstironisch von ihrer schlechtesten Seite zeigen, wird mehr als deutlich, dass es beim "Aschenbecher" natürlich nicht um Beschönigungen geht. Sie sprechen radikal ehrlich über ihre Schwächen und nutzen den Aschenbecher als übergeordnete Metapher für ihr damaliges Leben. Zu dieser Zeit gehört ein stetiges Abgrenzen, denn sie haben mit anderen "nichts gemeinsam" und bilden geschlossen ihre "Schwarze-Lunge-Bruderschaft". Die "fleischfarbenen Greifarme", die NMZS in "Lebensmotto Tarnkappe" zu Brei schlagen, sind ein Musterbeispiel für die kafkaesken Züge der Songs. Zwischen pointierter Sozialkritik auf Augenhöhe wie auf "So ungefähr" und dem konzeptuell besonderen "Tapetenwechsel", auf dem die Grenzen zwischen Erzählung und Rap verschwimmen, beweisen sie ihre lyrische Vielfalt.
Mir spricht es aus der Seele, wie Danger Dan und NMZS den Verfall romantisieren: Im "Aschenbecher" glorifizieren sie zwar das unangepasste Leben, stellen aber dennoch fest, dass sie nie wieder in ihre "Aschenbecher-Lebensphase" zurückkehren wollen.
(Jens Paepke)