"Was?! Du kennst das nicht? Sekunde, ich such' dir das mal raus." Und schon öffnet sich die Plattenkiste. Wer kennt diesen Moment nicht? Man redet über Musik und auf einmal fällt ein Name – egal ob von einem Song, einem:einer Künstler:in oder einem Album – mit dem man nicht so recht etwas anzufangen weiß. Und plötzlich hagelt es Lobpreisungen, Hasstiraden oder Anekdoten. Gerade dann, wenn der:die Gesprächspartner:in ins Schwärmen verfällt und offen zeigt, dass ihm:ihr das Thema wichtig ist, bittet man nicht allzu selten um eine Kostprobe. Die Musik setzt ein und es beginnt, was der Person so sehr am Herzen zu liegen scheint. In diesem Fall – was uns so sehr am Herzen liegt: Ein Auszug aus der Musik, mit der wir etwas verbinden, die wir feiern, die uns berührt. Ein Griff in unsere Plattenkiste eben.
Für viele HipHop-Fans ist die Erinnerung an das erste selbst gekaufte Deutschrap-Album sicher etwas besonderes – mir geht es auf jeden Fall so. In meiner Geschichte als Hörer des Genres war es "Meisterstück 2 (Rock 'n' Roll)" vom Berliner Mach One. Schuld daran hatte ein Battle-Format auf YouTube.
Nachdem ich als Jugendlicher meine Chartmusik- und Dubstep-Phase durchlebt hatte, wie es damals üblich war, entdeckte ich deutschen Rap für mich. Mein Interesse dafür weckte damals das gute alte Rap am Mittwoch, dessen Kanal mir 2012 zufällig auf YouTube vorgeschlagen wurde. In einer der Shows war Mach One zu Gast und rappte ein paar Songs aus seiner im selben Jahr erschienenen Platte "Meisterstück 2 (Rock 'n' Roll)". Von seinem Legenden-Status als Bassboxxx-Mitbegründer erfuhr ich erst später, doch sofort war ich von der Mischung aus humoristischem, aber auch ernstem Rap sowie den Oldschool- und dennoch modern klingenden Beats angetan. Auch auf Albumlänge stellte sich die LP nicht als Fehlkauf eines unerfahrenen Rap-Hörers heraus: Die Hörer:innen erwarten lustige Parts, etwa auf "Schweinegrippe" und "Lemminge", und cleveres Storytelling, höre "Dr. M" und "Melanie". Aber auch Realtalk, beispielsweise auf "Hier steh ich nun", und Melancholie, wie auf "Brauch ich das", finden Platz. Mach scheut sich außerdem nicht davor, die klassischen Rap-Pfade zu verlassen: Das Stück "Selbstzerstörungsmodus" erinnert beispielsweise an ein Chanson. Diesen Abwechslungsreichtum des zweiten Meisterstücks schätze ich auch heute noch sehr.
Egal, wie viele Alben ich in meiner Laufbahn als Rap-Fan kennen und lieben lernte und noch lernen werde – "Meisterstück 2 (Rock 'n' Roll)" wird als mein persönlicher Einstieg in das Deutschrap-Game immer einen besonderen Platz in meiner Plattenkiste haben. Und wenn ich das Album ab und an ausgrabe, freue ich mich jedes Mal über die musikalische Vielfalt der LP und kann immer noch (fast) alles mitrappen.
(Tim Herr)