"Was?! Du kennst das nicht? Sekunde, ich such' dir das mal raus." Und schon öffnet sich die Plattenkiste. Wer kennt diesen Moment nicht? Man redet über Musik und auf einmal fällt ein Name – egal ob von einem Song, einem:einer Künstler:in oder einem Album – mit dem man nicht so recht etwas anzufangen weiß. Und plötzlich hagelt es Lobpreisungen, Hasstiraden oder Anekdoten. Gerade dann, wenn der:die Gesprächspartner:in ins Schwärmen verfällt und offen zeigt, dass ihm:ihr das Thema wichtig ist, bittet man nicht allzu selten um eine Kostprobe. Die Musik setzt ein und es beginnt, was der Person so sehr am Herzen zu liegen scheint. In diesem Fall – was uns so sehr am Herzen liegt: Ein Auszug aus der Musik, mit der wir etwas verbinden, die wir feiern, die uns berührt. Ein Griff in unsere Plattenkiste eben.
Der Track "Das Wetter" von Schauspieler und Musiker Anton Weil alias WEIL ist keine leichte Kost: Er singt über den Verlust seiner Mutter – und das auf eine unglaublich gefühlvolle Art und Weise. Beim Durchhören seines Debüt-Albums "GROLL" blieb ich an dem Song hängen und komme seitdem des Öfteren auf die musikalische Trauerbewältigung des Künstlers zurück.
Er beginnt mit einer alten Tonaufnahme, auf der eine Kinderstimme und eine Frau zu hören sind, vermutlich der junge Anton und seine Mutter selbst. Schnell wird jedoch klar, dass das Stück kein süßes Schwelgen in Kindheitserinnerungen ist: "Will nicht hören, dass du sagst, dass du die Chemo nicht mehr m …" Die Zeile bricht ab und WEIL fragt sich Jahre später, warum es ihm gerade nicht so gut geht. "Vielleicht ist das auch das Wetter." Der Musiker liefert in seinem Text Lyrik auf höchstem Niveau, die mich tief berührt. So schildert er etwa, dass er seit dem Tod seiner Mutter emotional abgestumpft ist. Und auch die vermeintlich nebensächlichen Veränderungen im Alltag bekommen ihren Platz: "Aus E-Plus wird BASE und deine Nummer neu vergeben." Während die Zeit um WEIL einfach weiterläuft, fragt er sich, was vor Jahren hätte anders laufen können: "Wärst du dann noch da, hätt' ich damals nicht gesagt, es ist okay, dass du gehst." Zeilen wie diese hinterließen mir beim ersten Hören einen dicken Kloß im Hals.
"Das Wetter" ist einer dieser Songs, über die man schreiben kann, was man will, doch es kann auf keinen Fall den Eindruck des eigentlichen Stücks ersetzen. Daher folgt hier zum Schluss die dringende Empfehlung – sofern man emotional dazu bereit ist –, selbst dieser großen, traurigen Kunst zu lauschen und mit WEIL mitzufühlen.
(Tim Herr)