"Was?! Du kennst das nicht? Sekunde, ich such' dir das mal raus." Und schon öffnet sich die Plattenkiste. Wer kennt diesen Moment nicht? Man redet über Musik und auf einmal fällt ein Name – egal ob von einem Song, einem:einer Künstler:in oder einem Album – mit dem man nicht so recht etwas anzufangen weiß. Und plötzlich hagelt es Lobpreisungen, Hasstiraden oder Anekdoten. Gerade dann, wenn der:die Gesprächspartner:in ins Schwärmen verfällt und offen zeigt, dass ihm:ihr das Thema wichtig ist, bittet man nicht allzu selten um eine Kostprobe. Die Musik setzt ein und es beginnt, was der Person so sehr am Herzen zu liegen scheint. In diesem Fall – was uns so sehr am Herzen liegt: Ein Auszug aus der Musik, mit der wir etwas verbinden, die wir feiern, die uns berührt. Ein Griff in unsere Plattenkiste eben.
Auf 3Plusss' aktuellem Album "weine jetzt, lache später" gibt es einiges zu hören. Der Rapper schießt gegen Rechts, den Staat und das System und gibt erschütternde Einblicke in seine Jugend. An vielen Stellen der Platte widmet er sich jedoch einer anderen Thematik – Depressionen und der Kampf mit der eigenen Psyche – und berührt mich damit besonders.
Darum geht es zum Beispiel auf "DINGE", dem zweiten Track des Albums. Über einen Beat von Peet – der die ganze Platte fantastisch instrumentiert und produziert hat – rappend, versucht 3Plusss, aus Elefanten Mücken zu machen: "Das sind nur Dinge, die wir tun, das bist nicht du, das bin nicht ich. Manche nenn'n es Depression, schlicht Definition'n und Symptome und Begriffe für die Dinge, die wir tun." Der Essener schrieb den Song für einen Freund und liefert darin Wege zur Selbstvergebung, die auch mir in gewissen Momenten helfen. In "DANKE" berichtet der Rapper von seinen eigenen Depressionen und den Reaktionen seines Umfelds darauf. Dabei stößt er auf wenig Verständnis: "Mein Vater sagt: 'Das ist nur Selbstmitleid'. Mein bester Freund sagt: 'Du verschwendest Zeit'." Neben dem nahegehenden Text gefällt mir hier besonders der Aufbau des Songs: Breakbeats, eine kurze Ruhepause und ein Autotune-getränkter zweiter Part sorgen für Abwechslung. Auch der allseits geschätzte Humor von 3Plusss geht zwischen grauen Alltagsberichten nicht unter, etwa auf "NA DANN": "Na dann heut' kein Post auf Instagram, will ja nicht mal aus dem Fenster sehen – wobei, das könnt' man für Twitter nehmen."
Die ehrliche Art und Weise, wie 3Plusss an vielen Stellen seines vierten Albums über Depressionen rappt und Einblicke in seine Psyche gibt, lässt die Hörer:innen mitfühlen und einige Situationen kann ich auf mich selbst beziehen. Doch trotz der übergreifenden Stimmung lässt mich die Platte nicht bedrückt zurück. Warum, fasst er im finalen Stück selbst gut zusammen: "Es geht bergauf, es geht bergab, es geht voran."
(Tim Herr)