"Was?! Du kennst das nicht? Sekunde, ich such' dir das mal raus." Und schon öffnet sich die Plattenkiste. Wer kennt diesen Moment nicht? Man redet über Musik und auf einmal fällt ein Name – egal ob von einem Song, einem:einer Künstler:in oder einem Album – mit dem man nicht so recht etwas anzufangen weiß. Und plötzlich hagelt es Lobpreisungen, Hasstiraden oder Anekdoten. Gerade dann, wenn der:die Gesprächspartner:in ins Schwärmen verfällt und offen zeigt, dass ihm:ihr das Thema wichtig ist, bittet man nicht allzu selten um eine Kostprobe. Die Musik setzt ein und es beginnt, was der Person so sehr am Herzen zu liegen scheint. In diesem Fall – was uns so sehr am Herzen liegt: Ein Auszug aus der Musik, mit der wir etwas verbinden, die wir feiern, die uns berührt. Ein Griff in unsere Plattenkiste eben.
Sampling ist seit der Entstehung von HipHop ein essenzieller Bestandteil der Musikkultur. 1996 trieb Produzent DJ Shadow das Ganze auf die Spitze und veröffentlichte mit "Endtroducing.…." eine Instrumental-Platte, die als erstes Album überhaupt ausschließlich aus Samples bestand. Dafür erhielt er 2001 sogar einen Eintrag ins Guinness-Buch der Rekorde. Einige Jahre später bekam er obendrein einen Platz in meiner Plattenkiste.
Bei der Auswahl seiner Samples legte DJ Shadow Wert darauf, keine "leicht" zugänglichen Quellen zu verwenden. So sagte er 1997 in einem Interview: "You go to a store and you see CD sets of things like 100 Breaks, Looped Up, Ready for Producers. What's the fun in that?" Mehr als 500 Platten soll der Produzent auf "Endtroducing.…." verarbeitet haben. Herausgekommen sind 16 Stücke, die sich zwischen klassischem Instrumental-HipHop, TripHop und Drum 'n' Bass bewegen. Doch die Veröffentlichung ist für mich nicht nur aufgrund der Herangehensweise des Musikers spannend, sondern überzeugt auch musikalisch. So gibt es für alle Beat-Liebhaber:innen etwas zu finden: Da wäre der treibende "The Number Song" inklusive Metallica-Sample, der Track "Changeling" mit seiner tiefen Bassline, das düstere, pianolastige "Building Steam With A Grain Of Salt" oder das verträumte Interlude "Why Hip-Hop Sucks In '96". Mir bleibt nach jedem Hören besonders das Stück "Organ Donor" mit seiner eingängigen Orgel-Melodie und den knackigen Drums im Ohr.
Natürlich nagt der Zahn der Zeit auch an "Endtroducing.….". Hier und da wirken Abschnitte holprig und aus heutiger Sicht einfach gehalten. Doch für mich und viele andere Fans des Samplings ist das Album ein Meilenstein, der zahlreiche nachfolgende Vertreter:innen der Kunstform inspirierte. Daher möchte ich diesen musikalischen Rekordhalter allen ans Herz legen, die sich für instrumentalen HipHop begeistern können.
(Tim Herr)