An dieser Stelle möchten wir Gedanken zu aktuellen Geschehnissen aus dem Deutschrap-Kosmos zum Ausdruck bringen. Die jeweils dargestellte Meinung ist die des:der Autor:in und entspricht nicht zwangsläufig der der gesamten Redaktion – dennoch möchten wir auch Einzelstimmen Raum geben.
Im Folgenden verabschiedet sich unser Redakteur Simon von "Die wundersame Rapwoche", die vor Kurzem ihre letzte Folge ausstrahlte.
16BARS haben zuweilen wunderbar innovative Einfälle. Zwar gehört der klassische Jahresrückblick, bei dem Szenegrößen Highlights und Albernheiten Revue passieren lassen, nicht zum kreativen Peak der YouTube-Formate. Aber für die Idee, Mauli und Staiger für den Jahresrückblick 2015 zusammenzuführen, gehört der verantwortlichen Person ein symbolischer Lorbeerkranz aufgesetzt. Die beiden haben trotz – oder gerade wegen – des schon beachtlichen Altersunterschieds direkt hervorragend harmoniert und Deutschrap so zielgenau durch den Kakao gezogen, dass es eine wahre Freude war, dabei zuzusehen. Offensichtlich hat den beiden das Ganze auch selbst gehörigen Spaß bereitet, denn knapp zwei Jahre später war "Die wundersame Rapwoche" geboren. Zunächst noch als Radiosendung exklusiv auf FluxFM und dank fleißiger Hörer:innenschaft nachträglich auf YouTube, später quasi überall. Wie es sich für einen fantastischen Podcast, der es inzwischen geworden war, gehört. Vor circa drei Wochen ist die letzte Folge erschienen. Mauli, Staiger und die später mitproduzierende Alina haben sich dafür entschieden, dass auch irgendwann mal gut ist. Damit haben sie erneut die Stilsicherheit bewiesen, die die Sendung zu großen Teilen ausgezeichnet hat. Gerade als ein bisschen zu oft Werbung zwischendrin zu hören war, als die Zitate sich zu wiederholen begannen und das Ganze manchmal sehr selbstreferenziell wurde, schafft das Trio einen sauberen Abschluss, der viele Hörer:innen wehmütig zurücklässt.
Dass die Sendung so unterhaltsam war, lag zum Teil an den wirklich sehr lustigen Kategorien und dabei vor allem an den verschiedenen "Zitate raten"-Formaten. Egal, ob erdachte Abwandlungen tatsächlicher Zitate, die komplett wahnwitzigen Auswahlmöglichkeiten mitsamt Persönlichkeitsbeschreibung (Grüße gehen raus an den königlichen Prinz von Friedrich) oder einfach die Absurdität des tatsächlich so Gesagten und Gerappten. Meistens war zumindest ein Kracher pro Folge dabei. Und meistens lag es an den lyrischen Ergüssen von KC Rebell. Dabei konnten sich Mauli und Staiger mit der Zeit zunehmend auf ihre Hörer:innenschaft verlassen. Diese schickte wöchentlich zum Teil derart ausgefeilte und durchdachte Zitate und Lines in bester Freetype-Manier, dass beide gänzlich unvorbereitet in so manche Sendung gehen konnten. Auch die Aufarbeitung dessen, was in der jeweils vergangenen Woche in der deutschen Rapszene alles passiert war, konnte einen bisweilen in der vollen Bahn laut auflachen lassen. Wer hat welches neues Geschäftsmodell, welcher wohlhabende Mittvierziger mit Eigentumswohnung streitet sich diese Woche wieder und welcher Song ist eigentlich überhaupt nicht gut? Aber das Video dazu muss man unbedingt gesehen haben. Die leicht spöttische Distanz, die sich beide trotz ihres offensichtlichen Interesses am Geschehen bewahrten, verhinderte dabei glücklicherweise, dass alberne Themen zu ernsthaft behandelt und damit überhöht wurden. "Die wundersame Rapwoche" war der lieb gemeinte Nackenschlag, damit alle schön auf dem Teppich bleiben. Die Sendung auf ihren Humor und Entertainmentfaktor zu reduzieren, würde ihr aber bei Weitem nicht gerecht werden. Gerade durch die lockere, interessierte Grundhaltung im Podcast ließen sich Interviews mit Künstler:innen hören, die weit über das hinausgingen, was man vom klassischen Deutschrapjournalismus gewohnt war. So kamen interessante und zum Teil wirklich tiefgehende Gespräche mit Said, Tua oder auch Massiv zustande. Dass dieser lockere Ansatz schiefgehen kann, zeigten gerade in der Anfangszeit zum Beispiel die Interviews mit Bushido und Prezident. Wo Kritik und Hinterfragen nötig war, wusste die Sendung vor allem in den angesprochenen Folgen nicht zu glänzen.
Auch die Hörer:innen waren bei Weitem keine reinen Zitate- und Witzlieferant:innen. Staiger und Mauli erhielten wöchentlich teilweise seitenlange Briefe, in denen, in aller Regel anonymisiert, sprichwörtlich das Innerste nach außen gekehrt wurde. Da ging es um schwere psychische Erkrankungen, Streit mit den engsten Familienmitgliedern, die tiefsten inneren Ängste und die fernsten Hoffnungen. Viele hatten offensichtlich aus der Ferne so ein vertrautes Verhältnis zu den Hosts aufgebaut, dass sie eine fast freundschaftlich anmutende Verbindung fühlten. Die Ergebnisse dieser so erzeugten Atmosphäre können sich immer noch wahrlich hören lassen.
Selbstverständlich war auch bei "Die wundersame Rapwoche" längst nicht alles Gold, was glänzt. Gerade zum Ende hin ließ sich bei Mauli häufiger eine gewisse Gereiztheit, auch ob Staigers aufbrausender Art, hören und auch die zum Teil arrogant wirkende Art, mit der quasi alles als belanglos oder lächerlich abgetan wurde, nahm bisweilen Überhand. Auch Staiger konnte einen mit seinem andauernden selbstbewussten Herausposaunen von Halbwahrheiten und Dingen, die er mal irgendwo von irgendwem aufgeschnappt hat, in die Verzweiflung treiben. Dass man nicht immer etwas kommentieren muss, wenn man nur wenig Ahnung hat, scheint noch nicht bis in den Royal Bunker durchgedrungen zu sein. Der traurige Höhepunkt dieser Facette kam dann schließlich mit Staigers Impfverweigerung samt vollkommen hanebüchener Argumentation, die zugegebenermaßen kaum in der Rapwoche behandelt und bei uns bereits ausschweifend kommentiert wurde. Dennoch bleiben hauptsächlich positive Erinnerungen, für die ich mich bedanken möchte. Danke für unzählige Stunden großartiger Unterhaltung, danke für die vielen Lacher. Danke, dass ihr Said so oft eingeladen habt. Danke dafür, dass die Sendung so viel Spaß gemacht hat, dass ich einmal in der Woche freiwillig eine Stunde lang gespült habe und schade, dass Hanybal nie da war. Aber man kann ja nicht alles haben. Bestimmt macht ihr wieder was zusammen und bestimmt wird das wieder sehr gut, da kann man sich sicher sein. Shoutouts an Albert aus Japan.
(Simon Back)
(Grafik von Daniel Fersch)