"Was?! Du kennst das nicht? Sekunde, ich such' dir das mal raus." Und schon öffnet sich die Plattenkiste. Wer kennt diesen Moment nicht? Man redet über Musik und auf einmal fällt ein Name – egal ob von einem Song, einem:einer Künstler:in oder einem Album – mit dem man nicht so recht etwas anzufangen weiß. Und plötzlich hagelt es Lobpreisungen, Hasstiraden oder Anekdoten. Gerade dann, wenn der:die Gesprächspartner:in ins Schwärmen verfällt und offen zeigt, dass ihm:ihr das Thema wichtig ist, bittet man nicht allzu selten um eine Kostprobe. Die Musik setzt ein und es beginnt, was der Person so sehr am Herzen zu liegen scheint. In diesem Fall – was uns so sehr am Herzen liegt: Ein Auszug aus der Musik, mit der wir etwas verbinden, die wir feiern, die uns berührt. Ein Griff in unsere Plattenkiste eben.
2014 veröffentlichte der Stuttgarter Marz sein Projekt "Hoes. Flows. Kollabos.", auf dem zahlreiche Feature-Parts zu hören sind. Für den Song "Wer Aaaahh sagt" kollaborierte der Rapper mit Label-Kollege Sickless und Rap-Urgestein Lakmann. Zusammen mit Produzent Enaka entstand ein astreiner Battlerap-Track, der auch heute noch Nackenschmerzen bei mir verursacht.
Enaka verwendete für seinen Boom bap-Beat das wohlmöglich beste Flöten-Sample jemals. Schon nach den ersten Takten beginnt mein Kopf jedes Mal, automatisch zu nicken. Zum Glück aller Hörer:innen schaffen es die drei Rapper, dem grandiosen Beat gerecht zu werden. Obwohl Lakmann als Feature-Gast meist andere Rapper:innen auf gemeinsamen Songs in den Schatten stellt, begegnen sich hier alle Künstler auf Augenhöhe und überzeugen mit ihren Flows und Texten auf ganzer Linie. Ohne Hook reihen sich drei Parts aneinander. L-A-K, "geboren Ende der Siebziger", darf beginnen und macht seiner Unlust gegenüber der damaligen Rap-Szene Luft: "Ich bin neulich mal erwacht aus'm künstlichen Koma, Rapmusik wurde von Dünnschiss erobert." Auch der Part von Marz, "geboren Anfang der Achtziger", ist mit treffenden Punchlines gespickt. Schließlich war er "schon fresh, als deine Eltern sich nur angezogen kannten". Als letztes ist der jüngste der drei Rapper an der Reihe: Sickless verrät ebenso sein ungefähres Geburtsjahr – "Ende der Achtziger" – und einen persönlichen Wunsch, den er sich mit dem Song erfüllen konnte: "Du träumst von 'nem Lucky Punch – ich nur von 'nem Laki-Part."
"Komm und frag dich, was ist hier die Thematik", rappt Marz im Outro des Tracks. Es geht einzig und allein um Rap und Punchlines und das ist gut so. Auch wenn ich mittlerweile am liebsten ernste und thematisch gehaltvolle Musik höre, brauche ich zum Ausgleich ab und zu Songs wie "Wer Aaaahh sagt".
(Tim Herr)