"Was?! Du kennst das nicht? Sekunde, ich such' dir das mal raus." Und schon öffnet sich die Plattenkiste. Wer kennt diesen Moment nicht? Man redet über Musik und auf einmal fällt ein Name – egal ob von einem Song, einem:einer Künstler:in oder einem Album – mit dem man nicht so recht etwas anzufangen weiß. Und plötzlich hagelt es Lobpreisungen, Hasstiraden oder Anekdoten. Gerade dann, wenn der:die Gesprächspartner:in ins Schwärmen verfällt und offen zeigt, dass ihm:ihr das Thema wichtig ist, bittet man nicht allzu selten um eine Kostprobe. Die Musik setzt ein und es beginnt, was der Person so sehr am Herzen zu liegen scheint. In diesem Fall – was uns so sehr am Herzen liegt: Ein Auszug aus der Musik, mit der wir etwas verbinden, die wir feiern, die uns berührt. Ein Griff in unsere Plattenkiste eben.
Haszcara ist eine begnadete Rapperin. Soundtechnisch gefielen mir ihre ersten zwei Releases trotzdem nur teilweise. Das sollte sich mit ihrer jüngsten EP jedoch ändern, die sie überwiegend selbst produzierte. Man merkt sofort, dass Rap und Musik aus einem Guss sind. Kein Wunder also, dass sie mir wirklich "hautnah" geht.
Schon der Opener "Riker" holt mich mit entspannten Sommer-Vibes ab. Dem Beat steht dabei der emotionale Rap von Haszcara gegenüber. Bereits durch seine Sci-Fi-Referenz hat mich dieser Track gecatcht. Denn der "Riker" ist als erster Offizier der USS Enterprise die "Nummer eins" des Star Trek-Kosmos, während Haszi über ihre beziehungstechnische "Number one" rappt. Zu diesem Sound wird vermutlich auch auf der Enterprise gerne mal abgeschaltet. Auf der EP befinden sich aber nicht nur Songs zum Entspannen: "Es tut weh, wenn dich auf einmal fremde Menschen hassen" – auch ohne musikalische Karriere kann ich diese Line sehr gut nachempfinden. Mit solchen Zeilen öffnet sich Haszcara auf "Niemand der so redet" und rappt hier über einen bedrückenden Beat. "Schon lange" hingegen geht wieder in eine andere musikalische Richtung. Mit dem Song liefert Haszi einen lupenreinen Battletrack auf einem treibenden Instrumental, auf dem sie sich klar gegen Sexismus im Rap stellt. Zwar grenzt sie sich von Kolleginnen ab, allerdings nicht, ohne ihnen Probs zu geben: "Meine Schwestern sind on fire und du rappst halt über Eier – Langweiler." Aber auch Haszi ist auf "Hautnah" wirklich "on fire" und rappt auf dem Titeltrack der EP teilweise sogar auf Spanisch, was das harmonische Soundbild zusätzlich unterstützt. Allein das Instrumental erzeugt eine so melancholische Atmosphäre, dass der Song direkt unter die Haut geht. Genau diesen Effekt erzeugen auch die übrigen drei Tracks – eine perfekte Symbiose aus emotionalem Rap und starken Beats.
Die gesamte EP, die gemeinsam mit Sir Mantis entstanden ist, zieht mich in eine Soundwelt, die so unfassbar stimmig ist, dass ich sie nicht verlassen möchte. Auch inhaltlich nimmt mich Haszcara mit in ihre Welt, die eigentlich kaum etwas mit meiner Lebensrealität zu tun hat. Und genau hier ist dann der Punkt, an dem Musik etwas schafft, das sonst kaum möglich wäre.
(Alec Weber)