"Was?! Du kennst das nicht? Sekunde, ich such' dir das mal raus." Und schon öffnet sich die Plattenkiste. Wer kennt diesen Moment nicht? Man redet über Musik und auf einmal fällt ein Name – egal ob von einem Song, einem:einer Künstler:in oder einem Album – mit dem man nicht so recht etwas anzufangen weiß. Und plötzlich hagelt es Lobpreisungen, Hasstiraden oder Anekdoten. Gerade dann, wenn der:die Gesprächspartner:in ins Schwärmen verfällt und offen zeigt, dass ihm:ihr das Thema wichtig ist, bittet man nicht allzu selten um eine Kostprobe. Die Musik setzt ein und es beginnt, was der Person so sehr am Herzen zu liegen scheint. In diesem Fall – was uns so sehr am Herzen liegt: Ein Auszug aus der Musik, mit der wir etwas verbinden, die wir feiern, die uns berührt. Ein Griff in unsere Plattenkiste eben.
Ab und zu sollte man Künstlern, die man nach dem ersten Hören direkt wieder ad acta gelegt hat, nach einiger Zeit eine weitere Chance geben. Ein gutes Beispiel dafür sind John Borno & Sportler99, deren erste Parts im Rahmen der Human Träffick Gang um Karate Andi noch sehr roh, inspirationslos und schlecht produziert klangen. Seit "Durch die Blume" bin ich aber Feuer und Flamme für die beiden, denn inzwischen hat sich so einiges geändert.
"Ah, endlich ein Memphis Beat." – Mit diesem Einstieg und damit einen frischen Sound versprechend war die Anfang 2021 erschienene EP von John und Sportler eine gute Gelegenheit, ihnen eine neue Chance zu geben. Und es hat sich gelohnt. Inzwischen produziert HD$ für die Releases der beiden feinste, an Memphis-Rap angelehnte Beats – düster, atmosphärisch, immer mit ordentlich Bass, aber auch mit einem eigenen Stempel durch ungewöhnliche Samples wie die Flöte auf "Wünsch mir". Kurz gesagt: das perfekte Soundbild für den Rap des Druffi-Duos. Denn John Borno & Sportler99 sind asozial, abhängig, erfüllt von Hoffnungslosigkeit und geben einfach keinen Fick auf irgendwas. So wird etwa bereits als Kind "Kitt aus den Fenstern gefressen", während sich heute vor allem die Frage stellt, warum das Kokstaxi 100 Euro pro Gramm verlangt. Die beiden beschönigen wirklich nichts, stattdessen bringen sie schonungslos ehrlich ihren Struggle auf den Beat inklusive der "Panikattacken an Aldimarktkassen". Das Ganze wird nur ab und an von einigen Zeilen Battlerap gegen den Rest der Szene unterbrochen. Und genau diese Attitüde macht die Musik des Duos so erfrischend anders, zeitgleich aber eben auch etwas deprimierend.
"Ihr habt lange drauf gewartet, dass ein Album erscheint, dass eure Drogenprobleme albern erscheinen." – Und genau das bekommt man inzwischen von John Borno & Sportler99. Die Texte der beiden sind definitiv nichts für schwache Nerven. Doch seit sie mit eigenem Style, besserem Sound und feinsten Beats von HD$ aufwarten, ist ihre Musik und gerade diese EP die perfekt Untermalung für den tristen Winter.
(Lukas Päckert)