Schon seit die HipHop-Kultur noch in den Kinderschuhen steckte, sind Samples ein essenzieller Teil von ihr. Von alten Klassikern bis hin zu aktuellen Charthits lassen sich in unzähligen Songs Elemente aus bereits existierenden Werken finden. Wem erging es noch nicht so, dass er beim Musikhören über einen bekannten Sound gestolpert ist und sich daraufhin den Kopf über dessen Herkunft zerbrochen hat? Oft beginnt damit eine spannende Suche nach der Originalaufnahme quer durch die Musikhistorie. Aus diesem Grund stellen wir uns in unserem diesjährigen Adventskalender die Frage "Who sampled who?" und öffnen täglich ein neues Türchen: Wir präsentieren Euch 24 verschiedene deutsche Rapsongs und betrachten die Samples, welche sich darin verbergen.
"Die Botschaft […] ist simpel: Versuch's mal mit Gemütlichkeit. Die Poesie ist aufgepfropft, der Dichter hat Alltagsweisheiten und Kalendersprüche in mythischen Nebel gehüllt", schreibt der Filmkritiker Claudius Seidl am 25. Juli 1986 in der ZEIT. Er bezieht sich in seinem Verriss auf die im selben Jahr erschienene Filmproduktion "Momo" des Regisseurs Johannes Schaaf, dessen Film auf dem gleichnamigen Buch von Michael Ende basiert. Tua sah das über zwei Jahrzehnte später scheinbar anders, nachdem er den Film in einer alten, ranzigen Videothek in Gerlingen auslieh und einen ganzen Monolog daraus für den Song "Es regnet" sampelte, der auf seinem inzwischen meistgefeierten Album "Grau" zu finden ist.
Er beschreibt auf dem Track eine recht düstere Zeit seines Lebens, die von Drogen, Depressionen und Schulden geprägt ist. "Es regnet." Alles ist trist und grau. Genau wie bei "Momo" – einer Kapitalismuskritik, die keine Lösungen anbietet, aber das Innere der Menschen, anhand der Protagonistin Momo und anderer Figuren wie die grauen Herren, als anschauliches Bild darstellt. Abstrakte Gedanken werden personifiziert. Das kleine Mädchen zeigt uns, was passiert, wenn man keine Zeit mehr dafür hat, seinen Mitmenschen zuzuhören, immer nur arbeitet und versucht, den Tag möglichst effizient zu nutzen. Die grauen Gedanken – beziehungsweise die grauen Herren – kommen schleichend und arbeiten unbemerkt, aber werden immer präsenter. Bis man laut der von Radost Bokel gespielten Protagonistin gar nichts mehr fühlt. "Man wird ganz gleichgültig und grau." Dieser Satz wiederholt sich immer wieder und auch Tua schildert in seinem Song eine ähnliche Gefühlswelt und zeichnet sein Leben zwischen grauen Wänden eines Altbaus, während er einen zermürbenden und rastlosen Lifestyle pflegt, kein Licht mehr zwischen all dem Nebel sieht und alles perspektivlos scheint. Weniges könnte Tuas ehrliche und berührende Worte über sein Innenleben besser ergänzen als die von Michael Ende.
Warum also eigene Worte wählen, wenn es jemand anderes bereits viel besser gesagt hat? Um es dieses Mal in ebenfalls aus dem Film stammenden Worten Momos statt in Claudius Seidls zu sagen: "Ich glaube, man muss ihm zuhören, auch wenn er nicht singt." Denn gerade darauf kommt es im Zwischenmenschlichen meistens an.
(Yasmina Rossmeisl)
(Grafik von Daniel Fersch)