An dieser Stelle möchten wir Gedanken zu aktuellen Geschehnissen aus dem Deutschrap-Kosmos zum Ausdruck bringen. Die jeweils dargestellte Meinung ist die des:der Autor:in und entspricht nicht zwangsläufig der der gesamten Redaktion – dennoch möchten wir auch Einzelstimmen Raum geben.
Im Folgenden setzt sich unser Redakteur Nico mit der sich zuspitzenden Diskussion rund um deutschrapmetoo auseinander.
Bereits vor einiger Zeit hatten wir über die Bewegung rund um deutschrapmetoo und die zum Teil mehr als fragwürdigen Reaktionen aus der HipHop-Szene berichtet. Zwar hat die Diskussion um sexualisierte Gewalt innerhalb der Szene damit an Fahrt aufgenommen und die Bewegung erhält viel Zuspruch. Traurigerweise haben sich aber mit der Diskussion mehrere Fronten gebildet, die sich dazu in letzter Zeit noch extrem verhärtet haben: Immer wieder werden die Bewegung und ihre Unterstützer:innen von verschiedenen Protagonist:innen der Szene attackiert. Teils über den Versuch der Diskreditierung, teils über wüste Beschimpfungen und Drohungen – auch von Seiten diverser Fan-Bases. Und dabei sind nicht einmal Frauen aus der Szene, welche schlicht von ihren eigenen Negativerfahrungen berichten, vor solchen Anfeindungen sicher. Ein wahrhaftiges Armutszeugnis.
Dazu kommt: Wird Kritik bezüglich solch fragwürdiger Aktionen gegenüber deutschrapmetoo geäußert, gibt es darauf meist extrem destruktive Reaktionen bis hin zu sehr konkreten Drohungen. Und auch innerhalb der Lager ist der Ton zuletzt immer schärfer geworden. Als wäre es nicht traurig genug, dass es so etwas wie Lager in dieser Diskussion überhaupt gibt. So werden statt sachlicher Kritik Vorwürfe oder gar Beleidigungen zwischen Personen ausgetauscht, welche eigentlich für dieselbe Sache einstehen wollten. Und zu guter Letzt stehen noch Magazine und Journalist:innen unter Beschuss aus allen Richtungen, weil sie auf der einen Seite angeblich zu spät, einseitig oder gar falsch berichten. Auf der anderen Seite wird harte Kritik geübt, wenn vermeintlich zu vorschnell und ohne handfeste Beweise berichtet wird.
All das ist mit größter Sorge zu betrachten, wird doch hier die Spaltung der deutschen HipHop-Szene immer mehr befeuert. Da einige Protagonist:innen es für richtig halten, sich in widerwärtiger Art und Weise zu positionieren, ist die Dialogbereitschaft zwischen den verschiedenen Parteien – oft auch verständlicherweise – nahezu nicht mehr vorhanden. Leider scheint es an mancher Stelle so, als würde die Diskussion um sexuelle Übergriffe in der Szene für einige nicht Betroffene zur persönlichen Schlacht verkommen. Dabei drängt sich die Frage auf, was bei dieser Schlacht eigentlich verteidigt werden soll.
Bildete sich die Bewegung deutschrapmetoo zu Beginn als Reaktion auf Vorwürfe gegen einen bekannten Berliner Rapper, um Opfer zu vernetzen und ihnen eine Stimme zu geben, und solidarisierten sich viele Teile der Szene mit seinem potenziellen Opfer, drehte sich der Spieß stellenweise schnell um. Plötzlich wurde das Opfer als Täterin dargestellt, die nur schnell berühmt werden will und jemanden an den Pranger stellte, ohne dessen Schuld beweisen zu können. Während die Wut auf deutschrapmetoo einerseits wuchs und einige Szene-Protagonist:innen sich auf Seiten des Täters des ausschlaggebenden Falles schlugen, teilten andererseits immer mehr Frauen anonym auf der Instagram-Seite der Initiative ihre eigenen Erfahrungen. Berichte, in denen deutlich wurde, dass sie ebenfalls Fürchterliches durch Akteure der HipHop-Szene erfahren mussten. Eigentlich mehr als genug Gründe, die Wütenden zu besänftigen und darauf aufmerksam zu machen, dass wir es hier mit einem ernstzunehmenden Problem zu tun haben. Dass sich deutschrapmetoo nicht gegen eine einzelne Person richtet und auch nicht gegen die HipHop-Kultur an sich. Sondern dafür sorgen soll, dass sich Frauen – egal in welcher Rolle – in dieser Szene sicher fühlen können und vor Übergriffen geschützt werden. Die zahlreichen Berichte auf und abseits der Instagram-Seite zeigen sehr deutlich, dass dies bisher nicht der Fall ist.
Besonders wichtig zu betonen ist, dass in diesem Diskurs auf ein größeres Problem aufmerksam gemacht werden soll, das weit über die HipHop-Szene hinausgeht und gesamtgesellschaftlich gesehen werden muss. Deutscher HipHop wird lediglich als Beispiel herangezogen, soll dabei aber als Kultur nicht angegriffen und vor allem nicht zerstört werden. Natürlich wurde auch die enorme Reichweite der Rapszene und die Brisanz rund um den Fall des Berliner Rappers genutzt. Allerdings braucht eine solche Diskussion schlichtweg eine große Bühne – innerhalb unserer Szene. Deutscher HipHop hat sich in der Vergangenheit oft selbst darüber definiert, ein Spiegelbild der Gesellschaft zu sein. Und sich darauf verlassen, dass ebendiese auch gesamtgesellschaftliche Probleme löst – somit auch für die deutsche Rapszene. Doch all diese Übergriffe zeigen uns, dass wir aufgrund von Machtverhältnissen und eingefahrenen Strukturen ein Problem innerhalb unserer Szene haben, das wir auch genau hier angehen müssen. Und für das viele Menschen leider bislang kein Bewusstsein entwickelt haben.
(Nico Maturo)
(Grafik von Daniel Fersch)