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Kommentar

Die Diskussion um deutschrapmetoo – über verhärtete Fronten

Der wich­ti­ge Dis­kurs rund um deutschrap­me­too fin­det nun schon seit eini­gen Mona­ten statt. Was gut ist: Er ver­läuft nicht im San­de. Dabei weni­ger gut: Nicht jeder kämpft für die glei­che Sache. Über ver­schie­de­ne Lager und war­um die Debat­te für unse­re Sze­ne so wich­tig ist.

An die­ser Stel­le möch­ten wir Gedan­ken zu aktu­el­len Gescheh­nis­sen aus dem Deutschrap-​Kosmos zum Aus­druck brin­gen. Die jeweils dar­ge­stell­te Mei­nung ist die des:der Autor:in und ent­spricht nicht zwangs­läu­fig der der gesam­ten Redak­ti­on – den­noch möch­ten wir auch Ein­zel­stim­men Raum geben.

Im Fol­gen­den setzt sich unser Redak­teur Nico mit der sich zuspit­zen­den Dis­kus­si­on rund um deutschrap­me­too auseinander.

 

Bereits vor eini­ger Zeit hat­ten wir über die Bewe­gung rund um deutschrap­me­too und die zum Teil mehr als frag­wür­di­gen Reak­tio­nen aus der HipHop-​Szene berich­tet. Zwar hat die Dis­kus­si­on um sexua­li­sier­te Gewalt inner­halb der Sze­ne damit an Fahrt auf­ge­nom­men und die Bewe­gung erhält viel Zuspruch. Trau­ri­ger­wei­se haben sich aber mit der Dis­kus­si­on meh­re­re Fron­ten gebil­det, die sich dazu in letz­ter Zeit noch extrem ver­här­tet haben: Immer wie­der wer­den die Bewe­gung und ihre Unterstützer:innen von ver­schie­de­nen Protagonist:innen der Sze­ne atta­ckiert. Teils über den Ver­such der Dis­kre­di­tie­rung, teils über wüs­te Beschimp­fun­gen und Dro­hun­gen – auch von Sei­ten diver­ser Fan-​Bases. Und dabei sind nicht ein­mal Frau­en aus der Sze­ne, wel­che schlicht von ihren eige­nen Nega­tiv­erfah­run­gen berich­ten, vor sol­chen Anfein­dun­gen sicher. Ein wahr­haf­ti­ges Armutszeugnis.

Dazu kommt: Wird Kri­tik bezüg­lich solch frag­wür­di­ger Aktio­nen gegen­über deutschrap­me­too geäu­ßert, gibt es dar­auf meist extrem destruk­ti­ve Reak­tio­nen bis hin zu sehr kon­kre­ten Dro­hun­gen. Und auch inner­halb der Lager ist der Ton zuletzt immer schär­fer gewor­den. Als wäre es nicht trau­rig genug, dass es so etwas wie Lager in die­ser Dis­kus­si­on über­haupt gibt. So wer­den statt sach­li­cher Kri­tik Vor­wür­fe oder gar Belei­di­gun­gen zwi­schen Per­so­nen aus­ge­tauscht, wel­che eigent­lich für die­sel­be Sache ein­ste­hen woll­ten. Und zu guter Letzt ste­hen noch Maga­zi­ne und Journalist:innen unter Beschuss aus allen Rich­tun­gen, weil sie auf der einen Sei­te angeb­lich zu spät, ein­sei­tig oder gar falsch berich­ten. Auf der ande­ren Sei­te wird har­te Kri­tik geübt, wenn ver­meint­lich zu vor­schnell und ohne hand­fes­te Bewei­se berich­tet wird.

All das ist mit größ­ter Sor­ge zu betrach­ten, wird doch hier die Spal­tung der deut­schen HipHop-​Szene immer mehr befeu­ert. Da eini­ge Protagonist:innen es für rich­tig hal­ten, sich in wider­wär­ti­ger Art und Wei­se zu posi­tio­nie­ren, ist die Dia­log­be­reit­schaft zwi­schen den ver­schie­de­nen Par­tei­en – oft auch ver­ständ­li­cher­wei­se – nahe­zu nicht mehr vor­han­den. Lei­der scheint es an man­cher Stel­le so, als wür­de die Dis­kus­si­on um sexu­el­le Über­grif­fe in der Sze­ne für eini­ge nicht Betrof­fe­ne zur per­sön­li­chen Schlacht ver­kom­men. Dabei drängt sich die Fra­ge auf, was bei die­ser Schlacht eigent­lich ver­tei­digt wer­den soll.

Bil­de­te sich die Bewe­gung deutschrap­me­too zu Beginn als Reak­ti­on auf Vor­wür­fe gegen einen bekann­ten Ber­li­ner Rap­per, um Opfer zu ver­net­zen und ihnen eine Stim­me zu geben, und soli­da­ri­sier­ten sich vie­le Tei­le der Sze­ne mit sei­nem poten­zi­el­len Opfer, dreh­te sich der Spieß stel­len­wei­se schnell um. Plötz­lich wur­de das Opfer als Täte­rin dar­ge­stellt, die nur schnell berühmt wer­den will und jeman­den an den Pran­ger stell­te, ohne des­sen Schuld bewei­sen zu kön­nen. Wäh­rend die Wut auf deutschrap­me­too einer­seits wuchs und eini­ge Szene-Protagonist:innen sich auf Sei­ten des Täters des aus­schlag­ge­ben­den Fal­les schlu­gen, teil­ten ande­rer­seits immer mehr Frau­en anonym auf der Instagram-​Seite der Initia­ti­ve ihre eige­nen Erfah­run­gen. Berich­te, in denen deut­lich wur­de, dass sie eben­falls Fürch­ter­li­ches durch Akteu­re der HipHop-​Szene erfah­ren muss­ten. Eigent­lich mehr als genug Grün­de, die Wüten­den zu besänf­ti­gen und dar­auf auf­merk­sam zu machen, dass wir es hier mit einem ernst­zu­neh­men­den Pro­blem zu tun haben. Dass sich deutschrap­me­too nicht gegen eine ein­zel­ne Per­son rich­tet und auch nicht gegen die HipHop-​Kultur an sich. Son­dern dafür sor­gen soll, dass sich Frau­en – egal in wel­cher Rol­le – in die­ser Sze­ne sicher füh­len kön­nen und vor Über­grif­fen geschützt wer­den. Die zahl­rei­chen Berich­te auf und abseits der Instagram-​Seite zei­gen sehr deut­lich, dass dies bis­her nicht der Fall ist.

Beson­ders wich­tig zu beto­nen ist, dass in die­sem Dis­kurs auf ein grö­ße­res Pro­blem auf­merk­sam gemacht wer­den soll, das weit über die HipHop-​Szene hin­aus­geht und gesamt­ge­sell­schaft­lich gese­hen wer­den muss. Deut­scher Hip­Hop wird ledig­lich als Bei­spiel her­an­ge­zo­gen, soll dabei aber als Kul­tur nicht ange­grif­fen und vor allem nicht zer­stört wer­den. Natür­lich wur­de auch die enor­me Reich­wei­te der Rap­sze­ne und die Bri­sanz rund um den Fall des Ber­li­ner Rap­pers genutzt. Aller­dings braucht eine sol­che Dis­kus­si­on schlicht­weg eine gro­ße Büh­ne – inner­halb unse­rer Sze­ne. Deut­scher Hip­Hop hat sich in der Ver­gan­gen­heit oft selbst dar­über defi­niert, ein Spie­gel­bild der Gesell­schaft zu sein. Und sich dar­auf ver­las­sen, dass eben­die­se auch gesamt­ge­sell­schaft­li­che Pro­ble­me löst – somit auch für die deut­sche Rap­sze­ne. Doch all die­se Über­grif­fe zei­gen uns, dass wir auf­grund von Macht­ver­hält­nis­sen und ein­ge­fah­re­nen Struk­tu­ren ein Pro­blem inner­halb unse­rer Sze­ne haben, das wir auch genau hier ange­hen müs­sen. Und für das vie­le Men­schen lei­der bis­lang kein Bewusst­sein ent­wi­ckelt haben.

(Nico Maturo)
(Gra­fik von Dani­el Fersch)