"Was?! Du kennst das nicht? Sekunde, ich such' dir das mal raus." Und schon öffnet sich die Plattenkiste. Wer kennt diesen Moment nicht? Man redet über Musik und auf einmal fällt ein Name – egal ob von einem Song, einem:einer Künstler:in oder einem Album – mit dem man nicht so recht etwas anzufangen weiß. Und plötzlich hagelt es Lobpreisungen, Hasstiraden oder Anekdoten. Gerade dann, wenn der:die Gesprächspartner:in ins Schwärmen verfällt und offen zeigt, dass ihm:ihr das Thema wichtig ist, bittet man nicht allzu selten um eine Kostprobe. Die Musik setzt ein und es beginnt, was der Person so sehr am Herzen zu liegen scheint. In diesem Fall – was uns so sehr am Herzen liegt: Ein Auszug aus der Musik, mit der wir etwas verbinden, die wir feiern, die uns berührt. Ein Griff in unsere Plattenkiste eben.
Am 20. August ist es soweit: Die schwulen Mädchen werden zwanzig. 2001 lieferten die Brote den vermutlich ersten Kampfschrei gegen eine Szene, die flächendeckend Sexismus, Homophobie und Misogynie normalisierte. Wie relevant ihr musikalisches Statement bis heute ist, zeigen auch die jüngsten erschreckenden Entwicklungen im deutschen Rap-Kosmos.
Vielleicht war es auch der große Vorteil von Björn Beton, Dokter Renz und König Boris, dass sie bereits Ende der 1990er von nahezu allen HipHop-Kolleg:innen nicht mehr als Teil der Szene anerkannt wurden. Entsprechend schnappten sie sich die Begriffe "schwul" und "Mädchen" – die von etlichen anderen als Beleidigung genutzt wurden – und benannten sich danach selbst. Nicht nur, aber insbesondere mit ihrer ersten Single vom "Demotape" solidarisieren sich die Brote mit Außenseiter:innen, auch weil sie selbst irgendwie zu diesen gehören. Das Ganze geschieht auf einem Beat, der nicht nur von ihnen selbst produziert ist, sondern auch eine enorme Energie mit sich bringt. Das Instrumental lädt zum Moshpit ein und verkörpert dabei eine Punk-Attitüde, die sich auch textlich widerspiegelt. Die drei halten die Lyrics abstrakt, schließlich kann man ihnen sowohl "in zertretenen Beeten" als auch "an beschädigten Theken" begegnen. Dementsprechend sind auch alle herzlich eingeladen, Teil der schwulen Mädchen zu werden. "Es ist einfach eins der Aushängeschilder unserer Band", stellte Dokter Renz einst fest, wenn es darum geht, Menschen auf Konzerten zu verbinden.
Ich wünsche mir, dass sich noch wesentlich mehr Rapper:innen dem simplen Statement von Fettes Brot anschließen. Denn aktuell ist wirklich "Not am Mann". Die schwulen Mädchen bleiben jedenfalls weiterhin die einzige "Sondereinheit", mit der ich aus Überzeugung zu jedem "Kampfeinsatz" fahre. Also: "Seid ihr dabei, wenn der Beat losgeht"?
(Alec Weber)