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Kommentar

Breakdance endlich im Olymp?

An die­ser Stel­le möch­ten wir Gedan­ken zu aktu­el­len Gescheh­nis­sen aus dem Deutschrap-​Kosmos zum Aus­druck brin­gen. In unse­rem neu­en Kom­men­tar beschäf­tigt sich unser Redak­teur Wen­de mit dem The­ma Brea­king und Olympia.

An die­ser Stel­le möch­ten wir Gedan­ken zu aktu­el­len Gescheh­nis­sen aus dem Deutschrap-​Kosmos zum Aus­druck brin­gen. Die jeweils dar­ge­stell­te Mei­nung ist die des Autors und ent­spricht nicht zwangs­läu­fig der der gesam­ten Redak­ti­on – den­noch möch­ten wir auch Ein­zel­stim­men Raum geben.

Im Fol­gen­den beschäf­tigt sich unser Redak­teur Wen­de mit dem The­ma Brea­king und Olympia. 

 

Hip­Hop ist Main­stream. Fast. Denn genau betrach­tet ist nur Rap welt­weit auch kom­mer­zi­ell erfolg­reich. Spray­er und DJs sind über­wie­gend im HipHop-​Kosmos geach­tet. Der Ein­fluss die­ser Kunst­for­men auf diver­se Berei­che ist deut­lich: Tags auf Kla­mot­ten, Break­beats in der Musik oder Street­art in Gale­rien und Aus­stel­lun­gen. Brea­k­er, abge­se­hen von Aus­nah­men wie den Fly­ing Steps oder sol­chen, die für eine Wer­bung enga­giert wur­den, wer­den meis­tens nur in der HipHop-​Bubble gefei­ert. Brea­king ist zwar auch in der Öffent­lich­keit ange­kom­men, erfährt jedoch nicht die glei­che Beach­tung wie die ande­ren HipHop-​Elemente. Viel­leicht auch des­we­gen will das Inter­na­tio­nal Olym­pic Com­mit­tee (IOC) Break­dance in den olym­pi­schen Kanon auf­neh­men. Dafür spre­chen meh­re­re Grün­de: Olym­pia soll auch für die Jün­ge­ren und Jung-​Gebliebenen attrak­ti­ver wer­den. Break­dance umgibt die Aura des coo­len, urba­nen Life­styl­es. Somit wür­de Olym­pia moder­ner und hip­per. Damit könn­ten mehr Zuschau­er gewon­nen und letz­lich auch die Kas­sen gefüllt werden.

Doch was bedeu­tet die­ses Ereig­nis für Hip­Hop und vor allem für die Brea­k­er? End­lich die ver­dien­te Aner­ken­nung, steht doch Brea­king gegen­über Rap in allen Belan­gen im Hin­ter­grund? Ein neu­er Hype mit mehr Nach­wuchs, neu­en Styl­es und damit der Mög­lich­keit für neue Per­spek­ti­ven? Oder über­wiegt die Gefahr der Kom­mer­zia­li­sie­rung und damit auch der Eingrenzung?

Nicht die Stra­ße oder das Batt­le bestim­men, was gut ist und Style hat, son­dern das Regel­werk des IOC. Gewiss ist das IOC bemüht, Brea­king als Kunst­form zu ach­ten und dies auch ent­spre­chend umzu­set­zen. Klar ist jedoch auch, dass Brea­king hier instru­men­ta­li­siert wür­de. Das IOC hat bereits meh­re­re ähn­li­che Ver­su­che unter­nom­men und eini­ge Trend­sport­ar­ten zu Demons­tra­ti­ons­zwe­cken tem­po­rär ins Pro­gramm auf­ge­nom­men. Geblie­ben sind Sport­ar­ten, die einen ähn­li­chen Life­style reprä­sen­tie­ren, etwa Skate­boar­den, Sur­fen, BMX oder Snow­boar­den. All die­se Sport­ar­ten umgibt die Aura der Frei­heit, des Ange­sag­ten und der "Laisser-faire"-Attitüde. Mei­ner Beob­ach­tung nach hat die Auf­nah­me die­ser Sport­ar­ten in das Pro­gramm des größ­ten Sport­ver­ban­des der Welt nicht unbe­dingt einen neu­en Hype um die­se Sport­ar­ten aus­ge­löst. Man sieht nicht mehr Skate­boar­der in den Stra­ßen, weil die­se Sport­art nun olym­pisch ist. Es rei­ten bestimmt auch nicht mehr Men­schen die ein oder ande­re Wel­le, nur weil Sur­fen olym­pisch ist. Spit­zen­sport­ler sind die, die pro­fi­tie­ren. Sie kön­nen gut dotier­te Spon­so­ren­ver­trä­ge erhal­ten oder neue För­der­pro­gram­me nut­zen. Sie bekom­men zudem auch mehr media­le Auf­merk­sam­keit. Ins­ge­samt pro­fi­tie­ren also mut­maß­lich nur die­je­ni­gen, die sowie­so schon an der Spit­ze ange­kom­men sind.

Für das "klas­si­sche" Brea­king, also außer­halb von Tanz­stu­di­os oder einem pro­fes­sio­nel­len – und kom­mer­zi­el­len – Umfeld, dürf­te die Auf­nah­me in die olym­pi­sche Gemein­de kaum eine Rol­le spie­len. Brea­king kommt von der Stra­ße, aus sozia­len Brenn­punk­ten. Dort spielt das durch­or­ga­ni­sier­te, in fes­ten Regeln ste­cken­de und in Ver­bän­den eta­blier­te Tan­zen kaum eine Rol­le. Gera­de dadurch, dass das Spon­ta­ne, das außer­halb der gän­gi­gen Kon­ven­tio­nen steht, genom­men wird, geht ein wesent­li­cher Teil von Brea­king ver­lo­ren. Das Batt­le oder die Per­for­mance fin­det nicht mehr tem­po­rär im urba­nen Raum statt. Break­dance wird dann auf gut aus­ge­leuch­te­ten Büh­nen und mit Kame­ras gefilmt statt­fin­den. Auch des­halb sehe ich die Chan­cen für des­sen Wei­ter­ent­wick­lung in sei­ner ursprüng­li­chen Form durch eine Auf­nah­me in das olym­pi­sche Pro­gramm eher nega­tiv und kri­tisch. Denn wenn nur danach trai­niert und getanzt wird, was die meis­ten Punk­te bei Olym­pia erzielt, wird der Raum für Inno­va­tio­nen und Krea­ti­vi­tät genom­men. Die Frei­heit wird ein­ge­grenzt. Brea­king wird in gewis­ser Wei­se ste­ril und büßt min­des­tens einen Teil sei­ner See­le ein. Ande­rer­seits könn­te sich die Tanz­form wei­ter pro­fes­sio­na­li­sie­ren. Dabei könn­te das olym­pi­sche Mot­to "Schnel­ler, höher, stär­ker" auch zu neu­en und inno­va­ti­ven Styl­es ver­hel­fen. Ver­mut­lich geht dabei aber etwas Authen­ti­zi­tät ver­lo­ren. Ein schi­ckes und durch­ge­styl­tes olym­pi­sches Event ist ein zu hoher Preis für die Auf­ga­be der smar­ten Unver­fälscht­heit von Breaking.

Die IOC-​Initiative bleibt janus­köp­fig – zwi­schen Sell­out der Brea­k­er einer­seits und wei­te­rer Ent­wick­lung bezie­hungs­wei­se berech­tig­ter Aner­ken­nung ande­rer­seits. Ver­dient wäre die­ser Rit­ter­schlag für die Kunst­form alle­mal. Der fade Bei­geschmack, dass dies ledig­lich dazu die­ne, Olym­pia eine Ver­jün­gungs­kur zu ver­pas­sen und Brea­king dadurch instru­men­ta­li­siert wür­de, blie­be jedoch. Zumin­dest erfährt Brea­king durch die Dis­kus­si­on allein mehr Bestä­ti­gung und Wür­di­gung in Form von media­ler Auf­merk­sam­keit. Eine Ankunft im ver­dien­ten Olymp, um auch gleich­be­rech­tigt neben dem Rap geschätzt zu wer­den, ist jedoch mei­ner Ein­schät­zung nach lei­der nicht zu erwarten.

(Wen­de)
(Gra­fik von Dani­el Fersch)