"Was?! Du kennst das nicht? Sekunde, ich such' dir das mal raus." Und schon öffnet sich die Plattenkiste. Wer kennt diesen Moment nicht? Man redet über Musik und auf einmal fällt ein Name – egal ob von einem Song, einem Künstler oder einem Album – mit dem man nicht so recht etwas anzufangen weiß. Und plötzlich hagelt es Lobpreisungen, Hasstiraden oder Anekdoten. Gerade dann, wenn der Gesprächspartner ins Schwärmen verfällt und offen zeigt, dass ihm das Thema wichtig ist, bittet man nicht allzu selten um eine Kostprobe. Die Musik setzt ein und es beginnt, was der Person so sehr am Herzen zu liegen scheint. In diesem Fall – was uns so sehr am Herzen liegt: Ein Auszug aus der Musik, mit der wir etwas verbinden, die wir feiern, die uns berührt. Ein Griff in unsere Plattenkiste eben.
Bestimmt kennt ihr diese Phasen im Leben, die geradezu nach einem Soundtrack schreien, um sie zu untermalen. Als Hiob im Jahr 2011 sein Album "Drama Konkret" releast, hätte die Veröffentlichung für mich nicht passender kommen können. Genau wie der Rapper habe ich mich selbst und mein Umfeld damals viel reflektiert.
Es ist seltsam, wie Musik uns zeitlich zurückversetzen kann – einmal den Playbutton drücken und schon ist es passiert. Wenn ich "Drama Konkret" anspiele, habe ich ein ganz spezielles Bild vor Augen: wie ich auf dem Bett sitze, das Backcover betrachte und beschließe, zuerst den Track "Oktober" abzuspielen. Der Song catcht mich sofort. Ich höre den eigensinnigen Storyteller, in dem Hiob seine befremdliche Liebe zu einer Frau auf einem Kalenderblatt beschreibt, wie hypnotisiert zu Ende. Inhalte wie dieser und die durchweg hervorragend gepickten Samples sorgen dafür, dass ich die Platte an diesem Abend mehrfach durchlaufen lasse. Die Beats sind nicht einfach nur eine gute Grundlage für die Lyrics, vielmehr umrahmen sie seine Texte. Eine außergewöhnliche Instrumentierung wie zum Beispiel orgelähnliche Synths oder spooky Klänge runden das Ganze ab. Außerdem beherrscht Hiob den Spagat zwischen poetischer Sprache und Straßenslang wie kein anderer, ohne dabei zu pathetisch zu klingen. Schwarzmalerisch und leichtfüßig zugleich beschreibt er seine Sicht auf das Leben in der Großstadt Berlin. Seine eigenen Drogenprobleme sowie die des Umfelds benennt er ganz unverblümt und schafft es, mir sein Innenleben zu offenbaren, ohne mich zu erdrücken.
Wenn ich "Drama Konkret" höre, fühle ich mich so verbunden mit Hiobs Musik, wie es selten bei einem ganzen Album der Fall ist. Auch ohne ein Leben in der Großstadt konnte ich das Bild, das er von Berlin zeichnet, in dieser Phase auf mein Leben übertragen. Höre ich das Album heute, fühlt es sich wie eine Zeitreise an und so manche Line hat sich unwiderruflich in meinen Kopf eingebrannt.
(Dzermana Schönhaber)