"Was?! Du kennst das nicht? Sekunde, ich such' dir das mal raus." Und schon öffnet sich die Plattenkiste. Wer kennt diesen Moment nicht? Man redet über Musik und auf einmal fällt ein Name – egal ob von einem Song, einem Künstler oder einem Album – mit dem man nicht so recht etwas anzufangen weiß. Und plötzlich hagelt es Lobpreisungen, Hasstiraden oder Anekdoten. Gerade dann, wenn der Gesprächspartner ins Schwärmen verfällt und offen zeigt, dass ihm das Thema wichtig ist, bittet man nicht allzu selten um eine Kostprobe. Die Musik setzt ein und es beginnt, was der Person so sehr am Herzen zu liegen scheint. In diesem Fall – was uns so sehr am Herzen liegt: Ein Auszug aus der Musik, mit der wir etwas verbinden, die wir feiern, die uns berührt. Ein Griff in unsere Plattenkiste eben.
Duzoe ist erstmals als Teilnehmer mehrerer VBT-Ausgaben auf meinem Radar erschienen. Da mir seine Runden musikalisch immer gefallen haben, behielt ich ihn auch nach seiner letzten Teilnahme 2013 im Auge. Denn es könnte ja aus einem guten Battlerapper ein noch besserer Musiker werden. Ich sollte recht behalten.
Mit den ersten Veröffentlichungen nach seinen Battleturnieren konnte ich noch recht wenig anfangen, weshalb ich Duzoe immer weniger verfolgte. Ich verpasste sogar die Releases seiner Crew ODMGDIA. Das hielt an, bis ich im Sommer 2018 auf seiner Facebook-Page entdeckte, dass gerade seine EP namens "unfollow.me" erschienen ist. Fünf Jahre lang konnte mich nichts überzeugen. Doch da war auf einmal der Moment, auf den ich so lange gewartet hatte: Statt dem vielversprechenden Battlerapper präsentierte sich mir auf sieben Tracks ein reif gewordener Künstler. Zwar erhielt er sich auf einigen Songs seine mir bereits bekannte Attitude, scheute sich aber auf anderen auch nicht davor, schwierige Themen wie Depressionen und Selbsthass schockierend ehrlich anzusprechen. Und das auf eine Art und Weise, die ich bisher im tiefgründigen Rap vermisst hatte. Keine überzogene Theatralik, keine Klischees, sondern das unzensierte Leben eines leidenden Menschen, der mir an einigen Stellen mehr aus der Seele spricht, als ich oft zugeben möchte. Verpackt in ein Soundgewand aus düsteren, melodischen Instrumentals und gesungenen Hooks, das hierzulande seinesgleichen sucht.
Gut Ding will Weile haben. Wo andere Ex-VBT-Teilnehmer sofort ihren Hype genutzt haben, hat es bei Duzoe zwar deutlich länger gedauert, bis er sich musikalisch wirklich definieren konnte. Aber dafür ist er aktuell für mich der so ziemlich spannendste Künstler Deutschlands. Er bringt einen frischen, ganz eigenen Sound mit, den ich gar nicht mehr mit seiner Battle-Zeit assoziiere. Ich bin extrem gespannt auf die kommenden Releases.
(Michael Collins)