24 Jahre deutscher Rap in Tracks: Türchen #09 – Kollegah (2005)
Es ist kalt, es ist grau, es gibt immer noch Corona. Die ideale Zeit also, um Tag für Tag bei unserem Adventskalender mitzufiebern. Wieder werfen wir einen Blick zurück auf die letzten 24 Jahre: Welche Meilensteine gab es? Welche Momente sorgten dafür, dass deutscher Rap einflussreicher wurde denn je? Weil uns Alben zu einfach sind (und wir sie schon hatten, siehe hier), haben wir uns dieses Jahr drangemacht und den jeweils einen Track gesucht, der die Szene über sein Erscheinungsjahr hinaus entscheidend geprägt hat. Jeden Tag stellen wir Euch somit – angefangen 1997 – einen Song vor, der entweder durch seinen Sound, seinen Inhalt oder seine Form unserem Lieblingsgenre seinen Stempel aufgedrückt hat.
2005: Kollegah – Showtime
Ich bin als Businessmann geboren.
Meine Abstellkammer sieht aus wie der Citibank-Tresor.
Nicht nur auf der Battlerap-Plattform RBA ging es 2005 für Kollegah steil nach oben, er veröffentlichte in dem Jahr auch sein erstes Mixtape "Zuhältertape", welches noch im selben Jahr inklusive Bonustracks als "Zuhältertape X-Mas Edition" durch Selfmade Records re-releast wurde. Mit demselben Chatmikrofon aufgenommen, mit dem er seine RBA-Runden aufzeichnete, ist die Audioqualität unterdurchschnittlich. Dennoch ist das Tape, das er kostenlos zum Download bereitstellte, bei mir und Tausenden von anderen Leuten im Kopf hängen geblieben. "Showtime" dürfte deutlich machen, was den Appeal des Rappers ausmachte.
Der Track gibt die komplette Antihaltung von Kollegah zum Ausdruck, die 2005 ein Novum darstellte. Er disst in der Hook das übliche Klientel an HipHop-Hörern, dem gegenüber stellt er sein eigenes Auftreten, das er als martialisch, breit gebaut, braun gebrannt und in edle Klamotten und Accessoires gehüllt beschreibt. Im Deutschrap waren Texte mit einer derart überheblichen, gar karikaturistischen Selbstbeschreibung bis dato nicht zu finden. Dazu kommt die Technik, die er dabei anwendet: vielsilbige Reimketten und Doubletime-Rap, der nicht eingestreut, sondern gezielt platziert wirkt. Kollegah legte ein besonderes Feeling dafür an den Tag, wie er Worte in den Takt setzte. Sein Rap hat nicht nur tausende Hörer überzeugt – noch im selben Jahr wurde er bei Selfmade Records unter Vertrag gestellt.
2005 wurde Kollegahs gesamte Figur in der Szene noch als Klamauk wahrgenommen. Als Teenie feierte ich den Song – aus heutiger Sicht muss ich sagen, dass der Track sehr problematisch ist. Die Misogynie und Darstellung sexueller Gewalt, die affirmativ und nicht kritisch verwendet wird, ist auf jeden Fall kritikwürdig. Auch verwendet er im Song wiederholt das N-Wort, was entschieden abzulehnen ist. Doch Kollegah löste mit Doubletimerap und seinen Wie-Vergleichen einen großen Hype aus, der sich nachhaltig auf Deutschrap auswirkte. Aufgrund der Relevanz, die er sich damit verschafft hat, findet dieser Track deshalb einen Platz in unserem Adventskalender.
(Christof Mager)
(Grafik von Daniel Fersch)