"Was?! Du kennst das nicht? Sekunde, ich such' dir das mal raus." Und schon öffnet sich die Plattenkiste. Wer kennt diesen Moment nicht? Man redet über Musik und auf einmal fällt ein Name – egal ob von einem Song, einem Künstler oder einem Album – mit dem man nicht so recht etwas anzufangen weiß. Und plötzlich hagelt es Lobpreisungen, Hasstiraden oder Anekdoten. Gerade dann, wenn der Gesprächspartner ins Schwärmen verfällt und offen zeigt, dass ihm das Thema wichtig ist, bittet man nicht allzu selten um eine Kostprobe. Die Musik setzt ein und es beginnt, was der Person so sehr am Herzen zu liegen scheint. In diesem Fall – was uns so sehr am Herzen liegt: Ein Auszug aus der Musik, mit der wir etwas verbinden, die wir feiern, die uns berührt. Ein Griff in unsere Plattenkiste eben.
Zugegeben: Als ich anfing, Rap zu hören, war ich lange Zeit ziemlich engstirnig unterwegs. Außerhalb der einschlägigen Berliner Gangsterrapper der 2000er gab es für mich nichts und dann sowieso nur eines der beiden bekannten Camps. Den ein oder anderen Künstler ließ ich zwar nach und nach zu, aber mit Casper hatte ich dennoch Schwierigkeiten. Es vergingen noch einige Jahre, bevor ich mit seinem Gesamtwerk warm wurde. Ein Song war jedoch die Ausnahme.
Irgendwann um das Jahr 2009 herum bin ich zufällig auf den Song "Unzerbrechlich" gestoßen. Ich kannte die Musik von Casper nicht und die eingebildete Aversion gegen seinen Stil und sein Auftreten, welches meinem pubertierenden Kleingeist aufstieß, sollte sich erst ein bis zwei Jahre später entwickeln. Tiefgründige Raptracks waren mir bereits von meinen damaligen Lieblingsinterpreten bekannt, allerdings waren sie immer mit einer Theatralik und Sprache versehen, die mir zwar damals mit 16 Jahren noch zusagte, ich jetzt mit 27 aber höchstens belächeln kann. "Unzerbrechlich" war anders – ist anders. Auf einem durch Klaviertöne getragenen Instrumental erzeugt Casper eine einzigartige Melancholie, der ich mich auch heute gerne noch hingebe. Ohne Klischees oder Plattitüden spricht er vom Überwinden von Selbstzweifeln, dem Verlieren von Zielen und sozialem Schubladendenken – Dinge, in denen ich mich wiederfinde.
"Zeit zum Vergeben, jeder von uns ist Kunst: gezeichnet vom Leben." – In diesem Sinne vergebe ich meinem früheren Ich seine Engstirnigkeit und freue mich eher über die musikalische Welt, die sich mir seitdem geöffnet hat. Seit seinem splash!-Auftritt 2013 mag ich die meisten Songs von Casper, aber fragt man mich nach meinem Favoriten, so lautet die Antwort "Unzerbrechlich".
(Michael Collins)