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Kommentar

Schweigend nach oben – über den bitteren Beigeschmack des KitschKrieg-Erfolgs

An die­ser Stel­le möch­ten wir Gedan­ken zu aktu­el­len Gescheh­nis­sen aus dem Deutschrap-​Kosmos zum Aus­druck brin­gen, die woan­ders kei­nen Platz fin­den. In unse­rem neu­en Kom­men­tar setzt sich unser Redak­teur Dani­el mit den Schat­ten­sei­ten des Erfolgs von Kitsch­Krieg auseinander.

An die­ser Stel­le möch­ten wir Gedan­ken zu aktu­el­len Gescheh­nis­sen aus dem Deutschrap-​Kosmos zum Aus­druck brin­gen, die woan­ders kei­nen Platz fin­den. Dabei kommt nicht nur die MZEE​.com Redak­ti­on zu Wort, son­dern auch ande­re Szene-​affine Per­sön­lich­kei­ten wie Rap­per, Ver­an­stal­ter oder Pro­du­zen­ten. Wer sich also mit­tei­len möch­te, soll hier auch die Mög­lich­keit haben, dies zu tun. Die jeweils dar­ge­stell­te Mei­nung ent­spricht jedoch nicht zwangs­läu­fig der unse­rer Redak­ti­on – wir sehen aber eben­falls nicht die Not­wen­dig­keit, die­sen Stim­men ihren Raum zu nehmen.

In unse­rem aktu­el­len Kom­men­tar setzt sich unser Redak­teur Dani­el mit den Schat­ten­sei­ten des Erfolgs von Kitsch­Krieg auseinander. 

 

"Ein­zi­ge Mucke, wo man das, was man sagt, auch ver­kör­pern muss." – Eine Zei­le, die mir wie wenig ande­re im Gedächt­nis geblie­ben ist, seit Mega­loh sie rapp­te. Denn irgend­wie fasst sie ver­dammt vie­les per­fekt zusam­men, was "die­se Mucke" aus­macht. Anse­hen und Erfolg ste­hen und fal­len in der Rap­sze­ne oft mit dem, was man sagt, und wie es zu dem passt, was man ansons­ten aus­strahlt. Wenn die Dis­kre­panz hier­bei zu groß ist, wird man – stil- und sub­gen­reun­ab­hän­gig – nicht all­zu viel Zuspruch für sei­ne Kunst ernten.

Dabei geht es weni­ger dar­um, dass ein Rap­per, der über Waf­fen und Dro­gen rappt, als Pri­vat­per­son wahl­los aus Schuss­waf­fen her­aus und in die Nasen­lö­cher hin­ein­bal­lern muss, um ernst­ge­nom­men zu wer­den. Ent­schei­dend ist, ob die Dar­stel­lung stim­mig und als Gesamt­bild ver­tret­bar erscheint. Viel wich­ti­ger wäre jedoch eigent­lich, dass spä­tes­tens dann, wenn es um mora­li­sche Aspek­te geht, dies kei­ne rei­ne Fra­ge von Image und Authen­ti­zi­tät mehr ist, son­dern von Mensch­lich­keit und Ver­ant­wor­tung. Denn dann müss­ten Rap­per für frag­wür­di­ge Text­zei­len gera­de­ste­hen und ihre Kunst für das, was sie als Pri­vat­per­son tun, eben­falls Kon­se­quen­zen tragen.

Bei Kitsch­Krieg läuft das alles aber irgend­wie anders. Beson­ders der Zitat­teil mit dem "Sagen". Denn als Pro­du­zen­ten­team haben sie ihren Erfolg logi­scher­wei­se ohne eine ein­zi­ge selbst­ge­rapp­te Zei­le. Still­schwei­gend haben sie Hai­y­ti aus dem Stand her­aus zur Sze­ne­grö­ße ver­hol­fen und sind mit Trett­mann an die Spit­ze der Charts geklet­tert. Das Beson­de­re dabei: Die Betei­li­gung des Tri­os fand dabei immer Erwäh­nung. Statt irgend­wo am unte­ren Ende einer Video­be­schrei­bung unter "Beat von" auf­ge­lis­tet zu sein, nann­te man Kitsch­Krieg stets an pro­mi­nen­ter Stel­le im Titel. Sie waren kla­rer Teil des Erfolgs. Doch genau an der Stel­le, an der man es eigent­lich begrü­ßen wol­len wür­de, dass auch Pro­du­zen­ten und Beatma­ker inzwi­schen zumin­dest ver­ein­zelt die Auf­merk­sam­keit erhal­ten, die sie ver­die­nen, kommt auch ein Pro­blem auf: die Zusam­men­ar­beit mit Künst­lern, die eher zu den frag­wür­di­ge­ren Ver­tre­tern der Sze­ne gehören.

Wie gut wür­de es die­ser Sze­ne tun, wenn man das neue Album von Kitsch­Krieg ohne Wei­te­res genie­ßen könn­te? Ein Album, des­sen Erfolg bei­na­he eine self-​fulfilling pro­phe­cy war. Die posi­ti­ve Reso­nanz kommt – nicht nur von inner­halb der Sze­ne – ganz ohne dass das Trio noch mal einen drauf­set­zen muss, ohne dass neu­er Sound oder ein bestimm­ter Track unser Bild von Musik auf links dreht. Ein soli­des Werk, das wohl aber genau den glei­chen Anklang fän­de, wenn auf den ein oder ande­ren Gast­bei­trag ver­zich­tet wor­den wäre. Denn irgend­wie wird die Freu­de über all das ziem­lich geschmä­lert, wenn man sich die Track­list ansieht. Nicht nur, weil dort bestimm­te schwie­ri­ge Figu­ren ver­tre­ten sind, son­dern auch, weil dies anschei­nend für so gut wie nie­man­den in der Rap­sze­ne ein Pro­blem darstellt.

Der absur­des­te Fea­ture­gast dürf­te dabei zwei­fels­oh­ne Vybz Kar­tel sein. Der jamai­ka­ni­sche Dancehall-​Künstler wur­de vor sechs Jah­ren wegen Mor­des zu einer lebens­lan­gen Frei­heits­stra­fe ver­ur­teilt und träl­lert auf dem pas­sen­der­wei­se "Inter­na­tio­nal Criminal"-betitelten Song eini­ge schnel­le Zei­len für den zwei­ten Part. Zuge­ge­ben, auch ich erfuhr erst durch ein wenig Recher­che über die Umstän­de um Kar­tel und lie­ße hier zumin­dest noch den bene­fit of the doubt gel­tend machen, dass die wenigs­ten mit die­sem Namen auf der Track­lis­te von Kitsch­Krieg etwas anfan­gen konn­ten. Anders ist es jedoch bei Ver­tre­tern der deut­schen Rap­sze­ne, die so ziem­lich jedem ein Begriff sein dürf­ten. Denn gera­de Gzuz und Bonez MC schei­nen Skan­da­le und Grenz­über­schrei­tun­gen zu sam­meln wie ande­re Treue­punk­te an der Super­markt­kas­se. Wäh­rend sie sich mit ent­spre­chen­den Rap­tex­ten dabei noch wenig vom Gros der Sze­ne unter­schei­den, sind es vor allem die aus­ge­leb­ten Real­va­ri­an­ten ihrer Zei­len, die ein enor­mes Pro­blem dar­stel­len. Dabei ist nicht nur die schie­re Anzahl die­ser Aktio­nen erschre­ckend, son­dern vor allem auch deren Dras­tik, die bis zu Vor­wür­fen häus­li­cher Gewalt und dem Kon­su­mie­ren von Hero­in vor Live-​Kamera reichen.

Eine Sze­ne, die wirk­lich erwar­tet, dass man das, was man sagt, auch ver­kör­pern muss, gleich­zei­tig aber für bestimm­te Wer­te ein­ste­hen will, soll­te von Rap­pern mit so frag­wür­di­gen Tex­ten min­des­tens eine Rich­tig­stel­lung oder kri­ti­sche Aus­ein­an­der­set­zung for­dern. Sie wür­de es den künst­le­ri­schen Erfolg durch den Boy­kott der Inter­pre­ten bit­ter spü­ren las­sen, wenn pri­va­te Ver­feh­lun­gen die­ser Art nicht tole­riert wür­den. Spä­tes­tens wenn sich Rap­per in ihrer Kunst wie dem ech­ten Leben so frag­wür­dig geben, soll­te man von der Sze­ne erwar­ten, dass sie sich die­sen Per­so­nen ent­ge­gen­stellt und ihnen zu spü­ren gibt, dass sie der­lei Ver­hal­ten nicht will­kom­men heißt.

Doch machen wir uns nichts vor – all das wäre nur dann der Fall, wenn Rap in sei­nem Kern so gut und gegen Frauen-, Schwulen-, und Aus­län­der­feind­lich­keit wäre, wie er es immer wie­der ger­ne betont.

Aber wenn weder die Sze­ne noch die Künst­ler selbst sich posi­tio­nie­ren, wer bleibt dann noch, um sich mit dem Ver­hal­ten pro­ble­ma­ti­scher Indi­vi­du­en aus­ein­an­der­zu­set­zen? Die Kol­le­gen. Ande­re Musi­ker, die ein Zei­chen set­zen und die Zusam­men­ar­beit mit die­sen Per­so­nen unter­bin­den oder abbre­chen. Was zuletzt bei Xavier Naidoo von eini­gen Sei­ten geschah, scheint hier plötz­lich kei­ne Opti­on. Und das ist mehr als scha­de, ganz unab­hän­gig davon, ob die Grün­de für wei­ter­hin bestehen­de Zusam­men­ar­bei­ten im damit erreich­ba­ren Erfolg oder einer pri­va­ten Freund­schaft lie­gen. Und da die Kri­tik wei­test­ge­hend nicht von innen kommt, stam­men die Arti­kel, die die Zusam­men­ar­beit von Kitsch­Krieg mit etwa Gzuz kri­tisch beäu­gen, wie­der von außer­halb. Von Medi­en, die nicht ein­zig und allein über Rap berich­ten und sich – so hät­te es die Sze­ne zumin­dest oft­mals ger­ne – genau des­we­gen nicht ein­mi­schen soll­ten. Sol­che Din­ge wür­de man schon selbst klä­ren. Es sei denn, man spricht sie ein­fach gar nicht an. Denn das, was man nicht sagt, muss man ja auch nicht verkörpern.

(Dani­el Fersch)
(Titel­bild von Dani­el Fersch)