Kaum eine Szene hierzulande scheint so facettenreich zu sein wie die Deutschrapszene. Während es bereits jetzt schon fast unmöglich erscheint, jeden einzelnen, etablierten Vertreter zu kennen, steigt die Zahl neuer, noch unbekannter Künstler exponentiell weiter an. Den Überblick zu behalten, gleicht einer Herkulesaufgabe: Hat man sich ein Gesicht der HipHop-Hydra gemerkt, tauchen schon wieder mindestens zwei neue auf. Gleichzeitig ist es für unbekannte, junge Talente überaus schwer, aus der überwältigenden Masse an Musikern herauszutreten und sich einen Namen zu machen.
Beiden Seiten soll unser Soundcheck eine Hilfestellung bieten. Producern, die bisher noch in den Tiefen des Untergrunds untergegangen sind, eine Plattform geben, auf der sie sich kurz, aber prägnant präsentieren können. Und Hörern und Fans ermöglichen, sich einen schnellen Überblick über nennenswerte Künstler zu verschaffen, die sie bisher vielleicht noch gar nicht auf dem Schirm hatten.
MZEE.com: Wer etwas recherchiert, ist vielleicht erstaunt, für wen du schon alles produziert hast. Bei einer Liste mit großen Namen wie Blumentopf oder auch Ward 21 stellt sich die Frage: Findest du, dass du als Produzent genug Anerkennung in der HipHop-Szene bekommst?
Len Beam: Ich definiere mich nicht über Anerkennung von anderen. In meinem Beitrag "Len Beam Besten (feat. Lakman) [Len Beam Remix]" für das Remix-Album zu Stylewarz' "Der Letzte seiner Art" habe ich einen Interview-Part von Michi (Anm. d. Red.: DJ Stylewarz) eingebaut. Er sagt dort zu Niko BACKSPIN: "In erster Linie mache ich Musik für mich selbst." Das trifft eins zu eins auf mich zu. Wäre ich narzisstischer, würde ich wohl hinter einem Mikro statt hinter Plattenspielern stehen. Ich freue mich über jeden, der meinen Stuff mag, aber ich muss nicht erzwingen, dass man mich damit in Verbindung bringt. Ich mach' auch Musik für Werbung und TV. Da freue ich mich, wenn es viele Menschen anspricht. Aber ich schreie das nicht heraus und frage im Supermarkt an der Wursttheke: "Zwölf Scheiben Bärchenwurst und … äh… Sie wissen schon, wer ich bin, oder?" (lacht)
MZEE.com: Um ein Gefühl für deine Arbeitsweise zu bekommen: Wie sieht dein Equipment aus und hat es sich in deiner langen Schaffenszeit verändert?
Len Beam: Angefangen habe ich klassisch mit einer MPC und auf dem Rechner mit Samplitude. Mittlerweile nutze ich seit vielen Jahren Logic. Der Hombre Sepalot legt mir aber seit Langem Ableton ans Herz. Ich werde wohl bald zu einer Push und der passenden Software Ableton switchen. Ansonsten haben wir ein Studio mit tollen Analog-Geräten von Urei, Neve, Avalon und SSL, aber die Arbeitsweise ist immer mehr "in the box". Das liegt auch daran, dass wir in der Firma, die ich mit Sixkay von den Snowgoons DJs habe, viel für Kunden aus der Industrie machen. Hier gibt es oft 252 verschiedene Versionen und man muss in erster Linie schnell zu einem Ergebnis gelangen. Was aber oft zum Einsatz kommt, ist der Plattenspieler. Selbst, wenn es häufig nur ein Crashbecken ist, das ich dann cutte. Für mich ist das gerade so ein bisschen Sport, Cuts in Songs für Marken einzubauen. Ein Freund von mir nimmt heute noch die Beginner-Zeile "Verträge unterschreib' ich mit 'nem Tag" wörtlich und ich schiebe Firmen halt Cuts unter. Ansonsten mach' ich, was funktioniert. Egal, ob das echte Instrumente sind oder Stuff, der aus dem Rechner kommt. Ich bin da wenig dogmatisch unterwegs.
MZEE.com: Woher nimmst du generell deine Inspiration beim Produzieren?
Len Beam: Am liebsten mach' ich Musik für konkrete Sachen. Ich habe nicht 300 Beats auf der Festplatte liegen, die ich dann versende. Daher ergibt sich meist aus dem Projekt etwas, das einen inspiriert. Ich mache sehr gern Musik zu Bewegtbild. Da sagen einem oft die Bilder, welche Richtung funktioniert. Bei der Arbeit mit oder für Künstler spreche ich erst mal mit den Leuten, bevor ich beginne. Und ansonsten gibt es so viele Typen, die krassen Stuff machen, der mich inspiriert. Ich mag die Musiklandschaft gerade sehr. Es gibt weniger Grenzen und ich habe das Gefühl, die Leute sind offener. Darüber hinaus lege ich in Clubs auf und bastel' mir eigene Bootlegs. Das bringt einen extrem oft auf gute Ideen oder treibt einen in den Wahnsinn …
MZEE.com: Wenn man sich deinen SoundCloud-Account anschaut, bist du ein großer Fan von Remixes. Was konkret macht für dich einen guten Remix aus?
Len Beam: Schwierige Frage. Es gibt Songs, die würde ich nie anfassen, da sie im Original einfach viel zu krass sind. Ansonsten mag ich Remixe, die dem Song etwas Neues geben. Was auch immer das dann ist. Den Remix beziehungsweise das Bootleg zu "Warum" von Gzuz haben die Jugglerz damals in ihrer Story geteilt. Das hat mich mega gefreut. Die Jungs waren schließlich am Album beteiligt. Wenn es ihnen also taugt, dann scheint es wohl etwas zu transportieren.
MZEE.com: Du hast mit Ward 21 und Martin Jondo Connections zur Reggae-Szene. Außerdem konntest du schon Remixe für Blumentopf liefern und machst jetzt ein Album mit Ono von Walkin' Large. Was glaubst du, wo es bei dir in Sachen Musik danach hingeht?
Len Beam: Aktuell sind wir dabei, das Ono-Album fertigzustellen. Das freut mich sehr. Immerhin haben wir verrückte Gäste auf dem Album. Wir warten nur noch auf einen königlichen Feature-Part und sind dann fertig. Bei dem Album mag ich, dass es nicht so klingt wie: "Oh, DJ Premier hat noch paar alte Floppy Disks im Keller gefunden." Wir biedern uns aber auch nicht an. Wahrscheinlich werden wir das "Game rasieren" und "unser Grind wird lit in jeder Playlist drippen" … Oder wie sagt man das? Darüber hinaus bin ich gerade im Gespräch mit einem Rapper aus Berlin, der etwas zu sagen hat. Das würde mich freuen, wenn ich hier Cuts und Beats zu seinem Album beisteuern könnte. Der Künstler macht sich gegen Rassismus und Kapitalismus in seiner aktuell oft kranken Form stark. Das empfinde ich als sehr wichtig. Dann sitze ich gerade an Songs mit Leuten aus Jamaika. Hier gilt aber soon come. Kann also noch ein wenig dauern – oder nie erscheinen. Mal sehen, was Jah (Anm. d. Red.: Bezeichnung für Gott in der Glaubensrichtung der Rastafari) dazu geplant hat. Danke an MZEE.com für dieses Format! Gruß an jeden, der etwas macht und: Redet miteinander statt übereinander!
(Lukas Päckert)
(Grafiken von Puffy Punchlines, Logo von KL52)
(Fotos von Florian Stielow (Titelbild), Kai Neunert (Steckbrief))
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