Und wieder neigt sich ein prall gefülltes HipHop-Jahr dem Ende zu. Um es gebührend abzuschließen, stellten wir relevanten Persönlichkeiten der deutschen HipHop-Szene vier Fragen zu den vergangenen Monaten. Egal, ob Journalist, Rapper, Produzent oder andere, dem HipHop nahestehende Künstler – sie alle verraten uns ihre persönlichen Highlights aus 2019. Zudem beantworteten sie uns eine weitere Frage, um auch das vergangene Jahrzehnt noch einmal Revue passieren zu lassen. Somit lassen wir nicht nur ein einzelnes Jahr, sondern gleich eine ganze Dekade feierlich ausklingen. Wir wünschen unseren Lesern sowie allen Liebhabern und Protagonisten der Kultur eine besinnliche Weihnachtszeit.
Alex Barbian
MZEE.com: Welches Album aus diesem Jahr war dein absoluter Favorit?
Alex Barbian: Eindeutig "Tua" von Tua. In meinen Augen das kompletteste, inspirierendste und gleichzeitig kompakteste Deutschrap-Album 2019.
MZEE.com: Und wer ist deine Persönlichkeit des Jahres der deutschen Rapszene?
Alex Barbian: Max Herre. Weil er über die letzten Monate hinweg bewiesen hat, dass es möglich ist, sich als alter Hase stilvoll an den Zeitgeist anzupassen. Auf seinem Album hat er durch die Gästeauswahl mehrere Generationen und Subgenres vereint und sich politischen Themen überraschend präzise und authentisch zugewandt.
MZEE.com: Von welchem Newcomer 2019 wird man in den nächsten Jahren noch viel hören?
Alex Barbian: Ich bin mir sicher, dass sich speziell LockeNumma19, KeKe, Brudi030, Ify Knows und Lugatti & 9ine etablieren werden … Um nur ein paar Namen zu nennen.
MZEE.com: Welche Empfehlung aus dem Jahr 2019 kannst du unseren Lesern vor Ende des Jahres noch geben?
Alex Barbian: Gesehen haben sollte man das großartige Video zum großartigen Song "216" von OG Keemo. Gehört haben sollte man definitiv die aktuellen Singles von Goldroger. Die sind maximal underrated. Gelesen haben sollte man "GRM. Brainfuck" von Sibylle Berg, auch wenn's manchmal weh tut.
MZEE.com: Mit 2019 endet auch gleichzeitig eine Dekade. Was waren deine liebsten drei Alben aus den 2010er Jahren?
Alex Barbian: "Aschenbecher" von NMZS und Danger Dan. Weil dieses Tape meine Gedanken zu Lotterleben und Weltschmerz nahezu perfekt in Musik umgesetzt hat. Immer noch unfassbar, dass alle zehn Songs im Laufe eines einzigen Tages entstanden sind. Dann auf jeden Fall "Hinterland" von Casper, dessen Sound die Rap-Dekade geprägt hat wie kein anderer. Das Album war voller Hits und in meinen Augen die beste Ca$$ler-Platte nach seinem Debüt. Und "Hin zur Sonne" fällt gar nicht in die letzte Dekade. Oh mein Gott, bin ich alt. "Russisch Roulette" von Haftbefehl darf dann irgendwie auch nicht fehlen in dieser Aufzählung … Ein unhatebares Meisterwerk und für mich bis heute das einzige Straßenrap-Album auf Deutsch, das es geschafft hat, die komplette Bandbreite an Gefühlszuständen ohne jeglichen Kitsch abzudecken. Schwer auszumalen, wo die Szene heute stehen würde, wenn es "Russisch Roulette" nicht gegeben hätte.
Kevin Rühländer
MZEE.com: Welches Album aus diesem Jahr war dein absoluter Favorit?
Kevin Rühländer: Das entscheidet die jeweilige Tageslaune. Wir hatten in diesem Jahr so viele starke Releases, dass es mir schwerfällt, mich für eines zu entscheiden. Im Endeffekt komme ich jedoch auf "Tua" von Tua. Ich habe sehr lange auf dieses Album gewartet und kann auch heute noch neue Details und Kniffe in seiner Musik entdecken. Unglaublicher, niemals zufriedener Musiker. Knapp dahinter kommt "Perroquet" von Haiyti. Falls international auch mit inbegriffen war: "GINGER" von BROCKHAMPTON.
MZEE.com: Und wer ist deine Persönlichkeit des Jahres der deutschen Rapszene?
Kevin Rühländer: Es fällt mir sehr schwer, diese Frage zu beantworten, da ich nicht nur eine Person vor Augen habe. Meiner Meinung nach kann man heutzutage auch nicht mehr von "der" deutschen Rapszene sprechen, sondern muss von mehreren kleinen deutschen Rapszenen ausgehen. Rap ist 2019 riesig und wächst in seinen verschiedensten Ausprägungen stetig weiter. Dementsprechend müsste man auch mehrere Persönlichkeiten der Szenen hier aufzählen. Allerdings kann ich mich nicht entscheiden, da sehr viele Leute in Frage kommen. In diesem Jahr ist für mich niemand extrem hervorgestochen. Allgemein freue ich mich sehr darüber, dass die neue Generation deutscher Rapjournalisten weiterhin gute Arbeit leistet und aufmerksamer für sensible Themen wird.
MZEE.com: Von welchem Newcomer 2019 wird man in den nächsten Jahren noch viel hören?
Kevin Rühländer: Ich hoffe und glaube, dass wir noch viel von MAJAN hören werden. Unglaubliches Talent.
MZEE.com: Welche Empfehlung aus dem Jahr 2019 kannst du unseren Lesern vor Ende des Jahres noch geben?
Kevin Rühländer: Lest die Recherche-Arbeit von Johann Voigt, Daniel Drepper und Paul Schwenn zum "Alpha Mentoring"-Programm von Kollegah. Sie haben sich dort undercover eingeschleust und ihre Erfahrungen aufgeschrieben. Die Story zeigt eine der bedenklichsten Entwicklungen im deutschen Rap 2019 auf.
MZEE.com: Mit 2019 endet auch gleichzeitig eine Dekade. Was waren deine liebsten drei Alben aus den 2010er Jahren?
Kevin Rühländer: Das wären dann wohl Caspers "XOXO", Haftbefehls "Russisch Roulette" und Trettmanns "#DIY". Komischerweise fällt es mir deutlich leichter, diese drei Alben zu benennen, als zu sagen, welches Album in diesem Jahr mein Favorit war. Warum das meine liebsten Alben sind? Casper hat mir, sich und deutschem Rap mit "XOXO" eine unglaublich große Tür geöffnet. Wenige Jahre später spielt er in Stadien. Unglaublich. Haftbefehl hat mit "Russisch Roulette" nicht nur einen Klassiker geschaffen, sondern auch nachhaltig die deutsche Sprache geprägt. Und Trettmann lieferte mit "#DIY" die perfekte Phoenix-aus-der-Asche-Story sowie das vielleicht beste deutschsprachige Album seit "Stadtaffe". Allein diese These unterstreicht, wie gut das Album ist.
(Lukas Päckert)
(Fotos von Jonas Haffke (Kevin Rühländer) & Bart Spencer (Alex Barbian))
(Grafik von Daniel Fersch)