Ich nehme deine Sprache – und schrei' dich damit an.
Weil ich platze, wenn ich meine Gewalt nicht ausleben kann.
"HipHop ist am Arsch". Und die Beziehung zur Kultur kann eigentlich nur Hassliebe sein. Denn für jede schöne Seite, welche die Szene zu bieten hat, finden sich dutzende hässliche – jede für sich schon Grund genug, Rap den Rücken zu kehren. Dann hat man gar keine andere Wahl mehr, als sich zu positionieren. Ob in Diskussionen diverser Kommentarspalten, in Form kritischer Artikel – oder eben direkt mit dem Mikrofon. Babsi Tollwut entschied sich für Letzteres. Doch ihr Album ist weit mehr als nur ein Gegenentwurf zum Großteil der Raplandschaft.
Der Rundumschlag gegen Szene und Gesellschaft trifft nämlich ausnahmslos alles und jeden. Rassismus, Sexismus, Homophobie, aber auch die eigenen Unzulänglichkeiten und Schwächen werden schonungslos offengelegt und angegangen. Raptechnische Spielereien und stilistische Höchstleistungen bleiben zwar aus, doch sind auch gar nicht nötig. Der grundsolide Flow der Rapperin reicht vollkommen aus, um genau das zu vermitteln, was sie sagen will. Entsprechend schlicht ist auch das Soundbild gehalten, das musikalisch vielleicht nicht immer mitreißt, den Kopf aber allein durch inhaltliches Zustimmen schon nicken lässt. Irgendwo zwischen Miley Cyrus' Abrissbirne und der Axt von Nikel Pallat schlägt Babsi alles kurz und klein, was ihrer Meinung nach nicht mehr zu ertragen ist. Gleichzeitig zeigt sie sich aber auch bereit, wieder versöhnliche Töne anzuschlagen, wenn man für Besserung offen ist. Denn nachdem alles in Schutt und Asche liegt, folgt der Wiederaufbau. Auch für Rap.
Damit sich eine Szene wie der deutsche HipHop nicht komplett in ihren negativen Aspekten verliert, ist es unabdingbar, dass alle Seiten ihren Beitrag zur Kritik leisten. Diese Platte ist ein verdammt wichtiges, absolut hörbares und in sich rundes Stück Musik, das genau in diese Kerbe schlägt. "HipHop ist am Arsch" – doch dank Künstlern wie Babsi Tollwut zumindest noch nicht gänzlich darin verschwunden.
(Daniel Fersch)