"Was?! Du kennst das nicht? Sekunde, ich such' dir das mal raus." Und schon öffnet sich die Plattenkiste. Wer kennt diesen Moment nicht? Man redet über Musik und auf einmal fällt ein Name – egal ob von einem Song, einem Künstler oder einem Album – mit dem man nicht so recht etwas anzufangen weiß. Und plötzlich hagelt es Lobpreisungen, Hasstiraden oder Anekdoten. Gerade dann, wenn der Gesprächspartner ins Schwärmen verfällt und offen zeigt, dass ihm das Thema wichtig ist, bittet man nicht allzu selten um eine Kostprobe. Die Musik setzt ein und es beginnt, was der Person so sehr am Herzen zu liegen scheint. In diesem Fall – was uns so sehr am Herzen liegt: Ein Auszug aus der Musik, mit der wir etwas verbinden, die wir feiern, die uns berührt. Ein Griff in unsere Plattenkiste eben.
Wenn die Temperaturen in Deutschland steigen und das Wetter endlich stimmt, der Kasten Bier kaltgestellt ist, man sich im Grünen versammelt hat und das Handy mit den Boxen verbindet, stellt sich oft die Frage, welches Deutschrap-Album die Parkanlagen beschallen soll. Meine Antwort: "Palmen & Freunde" vom Produzenten, Rapper und Wein-Representer Dexter.
Klar, das Album hat schon ein paar Jahre auf dem Buckel, doch die Vibes, die der Künstler und jede Menge seiner Kollegen auf 14 Tracks transportieren, funktionieren heute genauso gut wie 2014 und sorgen bei mir für Entspannung – vor allem, wenn das Wetter stimmt. Das liegt nicht nur an den Flows der Featuregäste oder den jazzigen Boom bap-Beats auf gewohnt hohem Niveau, sondern auch an der thematischen Belanglosigkeit von "Palmen & Freunde". Was erst mal negativ klingen mag, ist eine große Stärke des Albums und auch beabsichtigt. "Zwischen atmenden Bässen hab' ich all die klugen Phrasen vergessen" rappt der Stuttgarter Produzent und steht seinen Gästen am Mikro in keiner Weise nach. Die Featureliste besteht aus mehr als zehn von Dexters Freunden und ist nach wie vor beeindruckend. Mit Fatoni geht es auf "F.U. Nachricht" um die Gentrifizierung deutscher Großstädte, während Audio88 und Yassin mit Dexy über "dies das, einfach so verschiedene Dinge" rappen. Songs über das Kiffen und die eigene Überlegenheit im Rapgame werden unterbrochen durch Backstage- und Freestyleaufnahmen. Die angesprochene Gehaltlosigkeit fällt nicht weiter ins Gewicht, denn je mehr ich das Album höre, desto klarer wird, dass es nicht um die Inhalte geht, sondern um die sommerliche Stimmung und die gute Laune, die es bei mir auslöst.
Und genau das ist es, was die Platte so besonders macht. Für mich besteht bei hohen Temperaturen und Kaltgetränk kein Verlangen nach inhaltlichem Tiefgang, sondern good Vibes. Genau die erschafft "Palmen & Freunde" so gut mit einer Mischung aus kalkulierter Belanglosigkeit, Flows und Leichtigkeit – vereint auf einem nahezu perfekten Deutschrap-Sommeralbum.
(Jakob Zimmermann)