"Was?! Du kennst das nicht? Sekunde, ich such' dir das mal raus." Und schon öffnet sich die Plattenkiste. Wer kennt diesen Moment nicht? Man redet über Musik und auf einmal fällt ein Name – egal ob von einem Song, einem Künstler oder einem Album – mit dem man nicht so recht etwas anzufangen weiß. Und plötzlich hagelt es Lobpreisungen, Hasstiraden oder Anekdoten. Gerade dann, wenn der Gesprächspartner ins Schwärmen verfällt und offen zeigt, dass ihm das Thema wichtig ist, bittet man nicht allzu selten um eine Kostprobe. Die Musik setzt ein und es beginnt, was der Person so sehr am Herzen zu liegen scheint. In diesem Fall – was uns so sehr am Herzen liegt: Ein Auszug aus der Musik, mit der wir etwas verbinden, die wir feiern, die uns berührt. Ein Griff in unsere Plattenkiste eben.
Maeckes' Songs werden gerne mit "zu experimentell" oder "zu verkopft" beschrieben. Eigenschaften, die oftmals mit dem Urteil verbunden sind, man fände keinen richtigen Zugang. Auch ich muss gestehen, dass ich lange Zeit kein sonderlich großer Fan seiner Musik war. Als das Orsons-Viertel dann allerdings mit "Tilt" um die Ecke kam, hat sich meine Sichtweise komplett verändert.
Einer der Hauptgründe dafür ist sicherlich der neue Anstrich, den Maeckes seinem Sound auf der Platte verpasst. Verantwortlich dafür sind Produzent Äh, Dings und Ausnahme-Musiker Tristan Brusch. Vor allem letzterer sorgt mit seinen authentischen Gitarrenmelodien für eine poppige Eingängigkeit. Darüber hinaus präsentiert sich Maeckes durchaus nahbar. Mit "nahbar" ist aber keinesfalls gemeint, dass seine Lyrics nicht mehr anstrengend und kompliziert sind. Alleine im Opener "Der Misserfolg gibt mir Unrecht" wimmelt es nur so an um die Ecke gedachten Textzeilen. Vielmehr scheint es, dass er den Zuhörer – anders als bei seinen Vorgängerplatten – nicht mehr so häufig auflaufen lässt oder gewohnte Songstrukturen zerschießt. Maeckes besticht stattdessen mit seiner Vielseitigkeit. Er schafft Ohrwürmer á la "Gettin' Jiggy With It", aber auch schwermütige Songs mit eindeutiger Message wie "Atomkraftwerke am Strand". All das erzählt er in einer Bildhaftigkeit, gespickt mit Wortspielen und Metaphern, die ihresgleichen suchen. Nicht zuletzt sei einem noch der Track "Kreuz" ans Herz gelegt. Er ist inhaltlich mit dem Song "Wie alle Kippenstummel zwischen den Bahngleisen zusammen" verbunden und liefert einen der genialsten Plot Twists in der Geschichte deutscher Rapalben.
"Tilt" ist eine bunte Wundertüte, mit der Maeckes Einblicke in seine Gedankenwelt gibt. Als Meister der Irrwege ist er zwar stets darauf bedacht, niemals zu viel von sich preiszugeben, doch lässt man sich auf seine Musik ein, wird sie auch für Außenstehende greifbar – so war es zumindest bei mir.
(Thomas Linder)