Ich schaue in meine Kristallkugel und puste Kippenqualm hinein.
Du Nutte standst bis eben gerade noch im Sonnenschein.
Neuruppin sollte niemals das liebste Reiseziel von Hobby-Backpackern Anfang 20 werden. Das haben Nord Nord Muzikk in ihrer ersten Zusammenarbeit mit K.I.Z bereits 2007 recht klar herausgearbeitet. Zwölf Jahre nach der Kollaboration trieb es die Crew um Vorkkkone, Drama Kuba und Kannibal Rob zurück in jenes Waldgebiet bei Brandenburg, um einen legitimen Nachfolger des zeitlosen Klassikers zu schaffen. Doch anders als beim letzten Mal spielen nun die Kannibalen in Zivil lediglich die Gastrolle auf Nord Nord Muzikks neuem Album "Hexeh".
"Neuruppin 2" sticht derweil auch als Mittelpunkt und Highlight der neuen Platte heraus. Die asoziale Attitüde und der harte Kern jeder Zeile erweisen sich als genauso eindrucksvoll wie beim Vorgänger. Die düstere Atmosphäre des Songs zieht sich durch das gesamte Album – da wird gemordet, zerhackt und geopfert, wohin das ausgerissene Auge nur blickt. Selten wurde das Horrorcore-Genre so hart, taktlos und eklig bedient wie hier. "Hexeh" ist ein 15 Songs langer Schocker, der allerdings mal mehr, mal weniger gruselig anmutet. Die neueste Veröffentlichung von Nord Nord Muzikk hätte auch gerne drei oder vier Tracks kürzer sein können. Es hat immerhin einen Grund, warum die besten Gruselfilme selten die 100-Minuten-Grenze überschreiten: Irgendwann nutzt sich auch die angespannteste Stimmung ab. So können Einzelwerke wie "Tegeler Fließ" oder "Pathologie" nie an Horror-Höhepunkte wie die düstere Entführungsfahrt von "Schwarzes Plastik" anknüpfen.
Was am Ende bleibt, ist aber ein grundsolides Album, das mehr bietet als nur "Neuruppin 2". Nord Nord Muzikk markieren eindrucksvoll ihr Comeback und sind endlich wieder unter die Hobby-Mörder gegangen. Viele Rapfans dürften sich an der Stringenz der Thematiken und der dunklen Gesamtstimmung stören, doch für Horrorcore-Anhänger ist "Hexeh" ein echter Genuss.
(Sven Aumiller)