Unser Umfeld färbte schon immer auf uns ab. So auch die Musik, die unsere Eltern, Geschwister und Freunde gehört haben. Dadurch kommen manche direkt zu Rap und damit zum HipHop, andere erst durch Umwege. Auch die Art und Weise, wie wir an Musik herangeführt wurden, unterscheidet sich und das Privileg, ein Instrument zu erlernen, stand nicht jedem zu. Eines ist jedoch klar: Die Platten, die wir in unserer Kindheit und Jugend gehört haben, waren prägend. Wie unterschiedlich dieser Zugang ermöglicht wurde, haben uns zehn Rapper erzählt, als wir fragten: "Was ist deine musikalische Herkunft? Wie sah deine Früherziehung aus?"
Doz9: Als Wende-Kind war ich natürlich großer David Hasselhoff-Fan. Auch so wurde meine musikalische Früherziehung vom späten 80er-Populär-Trash, auf dem ich teilweise heute noch hängengeblieben bin, dominiert. UB40, Genesis, Yazoo, Modern Talking, Chris de Burgh und all sowas. Später dann von La Bouche, Thunderdome-Zeuch und Rednex zu Run DMC und 2 Live Crew: Dann ging das Nerden los.
Crystal F: Bei uns zu Hause lief gefühlt nicht so häufig Musik. Wenn, dann lief das Radio und die Songs habe ich dann stellenweise auf Kassette aufgenommen. Songs wie "Summer of 69", "Blue", "King of My Castle". Als ich dann die ersten CDs hatte, hatte ich eine Phase, in der ich zwei Jahre hauptsächlich Die Ärzte gehört habe. Meine Schwester hat irgendwann "Chronic 2001" und die "Slim Shady LP" mitgebracht. Und gerade die "Slim Shady LP" war ganz krass für mich. Ich habe mir dann die D12 "Devils Night" zum Release gekauft und würde sagen, die hatte den größten Einfluss auf meinen Geschmack.
GReeeN: Also, bei mir in der Familie war das so … Wir haben gar keinen musikalischen Hintergrund – zumindest dahingehend, ein Instrument erlernen zu dürfen. Denn es hieß immer: "Kein Geld da." Ich hätte sehr gerne ein Instrument erlernt. Ich weiß noch, wie Freunde von mir Klavierunterricht, aber da kein' Bock drauf hatten. Und ich so: "Och man, was würde ich dafür tun, wenn meine Eltern sich das leisten könnten, dass ich ein Instrument lerne, ob jetzt Gitarre oder Klavier." Bei mir gab es aber trotzdem einen musikalischen Einfluss, nämlich von meinem Daddy. Der hat immer Musik laufen lassen. Den ganzen Tag lief 90er-Jahre-Radio oder halt irgendwelche Musik von meinem Dad. Ich kann das jetzt nicht wiedergeben, was ich damals alles gehört habe, aber es waren schon einige Evergreens am Start. Und 'ne ganz krasse Sache, durch die ich gut beeinflusst wurde, ist, dass wenn man den Lichtschalter für die Toilette betätigt hat, das Radio anging. Also, selbst auf der Toilette war ich umgeben von Musik. (lacht) Und das hat mich schon sehr geprägt, dass den ganzen Tag Musik gelaufen ist. Es war also nie still in der Wohnung. Egal, wo man hin ist, es lief immer Musik. Oder auch, wenn wir irgendwo hingefahren sind: Auf einer längeren Autofahrt in den Urlaub hat mein Vater immer die geilste Mucke in den CD-Player reingeschoben. Von meiner Mutter kam musikalisch gar nichts. Ich weiß nicht mal, was die hört. (lacht) Mein Dad war da schon immer der musikalischere Dude. Nicht der musikalische Dude, der Musik machen konnte, aber er hat einfach einen so unfassbar guten Musikgeschmack. Also, wenn mein Dad sagt "der Track ist toll", dann kann man davon ausgehen: Der Track ist toll. Fazit: Ich hab' eigentlich gar keinen musikalischen Hintergrund, keine musikalische Ausbildung. Ich hab' als Kind einfach viel Musik konsumiert. Was mir wirklich mitgegeben wurde, ist höchstens der gute Musikgeschmack. Mein Vater hat ein Talent und das Talent hab' ich auch. Wenn ich einen Film gut finde oder ein Musikstück, dann kannst du dir sicher sein, dass 80 Prozent der Menschen da draußen auch so empfinden werden. Und das hab' ich von meinem Vater mitbekommen.
Haszcara: Eine Sache, die meine Familie mir auf jeden Fall mitgegeben hat, ist Musik. Meine Eltern spielen hobbymäßig Instrumente und haben mich mit sechs Jahren zum Klavierunterricht geschickt. Ich habe schon immer gerne getanzt und gesungen und im Grundschulalter angefangen, mir Lieder auszudenken. Das war ganz normal für mich. Lag vielleicht daran, dass ich oft alleine war – da hat mir Musik einfach einen Sinn gegeben. Als Jugendliche habe ich angefangen, E-Gitarre zu spielen, mich einer Metalband angeschlossen und weiter Songs geschrieben. Es gab in meinem Leben immer einen Hang zu Text und Musik, auch unabhängig voneinander: Ich schreibe, seit ich zwölf bin, Tagebuch. Ich weiß zu schätzen, dass ich ganz viel unterschiedliche Musik kenne und mag: von Klassik zu Rap, Metal bis zu modernen Popsongs. Daher kann ich gar nicht so richtig sagen, wo ich musikalisch herkomme – aber dafür, wo die Musik herkommt, die ich produziere: nämlich aus dem Herzen.
Maniac: Meine musikalische Früherziehung kam von der Plattensammlung meines Dads. Von drei bis sieben Jahren war es eine Mischung aus Rock and Soul – von Ironbutterfly oder Doors bis hin zu James Brown oder Ray Charles. Mit acht hörte ich dann meine ersten HipHop-Tapes. Darunter waren Skeelo "I Wish" und Montell Jordan "This Is How We Do It" – heute noch dope Songs. Meine erste HipHop-CD war DJ Kools "Let Me Clear My Throat"-Maxi. Eines meiner ersten HipHop-Alben war von Bone Thugs-N-Harmony und die Hook von "Slam" von Onyx sang ich schon mit neun oder zehn mit. Mit 15 fing ich mit Beats an und griff dann wieder zurück auf die alten Scheiben meines Dads für Samples. Dabei waren viel Soul und Jazz, aber auch obskure deutsche Rock- und Psych-Platten.
Robscure: Nach den ersten Berührungspunkten mit HipHop im Musikfernsehen Ende der 90er war meine Neugier geweckt und in den Folgejahren habe ich alles gehört, was ich in die Finger bekam. Vor allem die Musiksammlungen meiner zwei älteren Brüder kamen mir da zugute und haben mich bis heute geprägt. Als ich dann irgendwann Zugang zum Internet hatte, hörte ich eine Zeit lang deutlich weniger Ami-Rap und checkte stattdessen jedes noch so popelige, deutschsprachige Untergrund-Release aus. Das änderte sich dann wieder, als ich anfing, englische Lyrics zu verstehen. Und da die Frage förmlich danach schreit, hier noch ein bisschen Name-Dropping: RAG, Eins Zwo, Main Concept, Creutzfeld & Jakob, Doppelkopf, Samy Deluxe, Curse, Stieber Twins waren so ungefähr die deutschsprachigen Highlights meiner frühen Jugend. "Frag Mr. Schnabel, frag Nico Suave, frag jeden!" International: RZA, GZA, Mobb Deep, Nas, Mos Def, Talib Kweli, De La Soul, Gang Starr, Big L, Blackalicious, Common, Cypress Hill und Lauryn Hill. Die ganzen hängengebliebenen Klassiker halt.
Meidi: Musiktheorie – hab' ich keine Ahnung von. Ich kann keine Noten lesen, kein Instrument spielen. Meine Eltern haben klassische Musik und Rockmusik gehört. Bob Dylan und Sting und sowas. Ich habe mit 12, 13 Yo! MTV Raps geguckt, auf VHS aufgenommen und auf Kassette überspielt. Damals war der Sound von der Westküste aus Amerika mein Ding. Ich höre eigentlich ausschließlich amerikanischen HipHop, so gut wie keinen Deutschrap. Ich hab' das damals so zur Kenntnis genommen in den 90ern: Samy Deluxe' "Ladies & Gentlemen", Savas' "Lutsch mein Schwanz". Aber ich fand irgendwie alles lame. Deshalb hab' ich nie wirklich deutschen Rap gehört. Ich höre das natürlich so auf YouTube und zieh' mir das rein, aber ich pump' das nicht zu Hause. Da höre ich amerikanischen Rap.
SSYNIC: Also, die Platten, die wir zu Hause hatten, waren "Thriller", Jürgen von der Lippe, Marianne Rosenberg, Stevie Wonder, Münchener Freiheit. Sehr breit gefächert, zugegeben. Aber ich liebe sie und kann sie immer noch auswendig.
Presslufthanna: Mit 14 habe ich Nirvana und Korn gehört. In der Pubertät habe ich dann viele Phasen durchgemacht, von Classic-Rock über verschiedenste Metal-Genres bis Punk. Irgendwann bin ich auf Musik von Lena Stoehrfaktor gestoßen. Mich hat ihre aggressive, reservierte Art, zu rappen, total beeindruckt. Ich fand es fett, dass sie es schafft, politische Themen aus ihrer subjektiven Sicht ohne Parolen- und Phrasendrescherei auf den Punkt zu bringen. Meine erste Vinyl von Mobb Deep "The Infamous (Instrumentals)" habe ich von einer Freundin geschenkt bekommen. Danach war ich hungrig und habe weiter gediggt. Vor allem Musik von KRS-One, Torch, MC Lyte und Da Bush Babees habe ich sehr gefeiert.
Hypnotize: Tja, ich würde sagen, dass meine Früherziehung damals stark von deutschem Untergrundrap geprägt wurde. Auf den ersten Tapes, die ich so besessen habe, sind Sachen wie Die Sekte, Aggro Berlin, Frauenarzt und Dynamite Deluxe gewesen. Das erste Konzert, auf dem ich jemals war, war auf jeden Fall ein Kool Savas-Konzert. Ich muss aber sagen, dass ich damals auch viel 50 Cent und Slim Shady gepumpt hab' … (lacht)
(Danny Fischer, Anna Eberding)
(Fotos von Dextar (Hypnotize), Spooky Loops (Ssynic), Svetlana Grigorieva (Presslufthanna), Crystal F (Bastian Harting), GReeeN (Arthur Rewak), Grafik von Puffy Punchlines)