Leute hören mich reden – denken, ich wär' Kriegsberichterstatter.
Die Gebrüder Grimm zählen zweifellos zu den bekanntesten und beliebtesten Erzählern des Planeten. Ihre Märchen bekommen Kinder von klein auf zu hören. Möglicherweise war es dieses Talent im Geschichtenerzählen, mit dem sich Nedal Nib und Mighty Mo identifizieren konnten und sich deshalb als Rap-Duo kurzerhand Gebrüder King nannten. Denn auch sie haben auf ihrem neuen Album "Champions" einiges vorzutragen.
Möchte man die Grimm'sche Gedankenwelt bemühen, drängt sich einem beim Hören der Platte wohl vor allem das Motiv des großen bösen Wolfs auf. Nedal Nib und Meidi sind harte Jungs und die Faust aufs Auge ist für sie bei Konflikten gerne das Kommunikationsmittel der Wahl. Gewalt und Kriminalität bestimmen ihren Alltag und somit auch ihre Texte. Folgerichtig ist "Champions" in erster Linie geradliniger Straßenrap auf stählernen Beats, die wie Schläge klingen, die die Gebrüder an ihre Widersacher verteilen. Die Raptechnik der beiden Protagonisten lässt handwerklich wenig zu wünschen übrig, sodass die hartherzigen Geschichten aus der Halbwelt angemessen vorgetragen werden. So rau wie das Leben ist auch die stimmliche Delivery der Gebrüder King. Anders als bei den Grimms aber lässt die künstlerische Sphäre ihrer Texte wenig Raum für mehr als oberflächliches Geprolle. Im Gegenteil: Die Lyrics weisen in den schlechtesten Momenten eine zutiefst menschenverachtende Haltung auf. In ihrer Welt ist "schwul" ein Schimpfwort und "Männer [gehören] an die Front, Frauen an den Herd" ("Mentalität"). Nicht nur ihren Namen, auch ihr Frauenbild haben Nedal Nib und Meidi scheinbar aus dem 19. Jahrhundert importiert.
In einzelnen Momenten blitzt auf, dass die beiden Rapper mehr können, als ihre ignorante Haltung zum Besten zu geben – etwa, wenn Meidi mitreißend vom Schlaganfall seiner Mutter berichtet. Zumeist überwiegt aber die mit Stolz vorgetragene primitive Attitüde, mit welcher provoziert werden soll, die letztlich aber wenig überraschen kann.
(Florian Peking)